#16 - Lob der Aggression mit Andreas Schnabel

Shownotes

Andreas Schnabel ist Gründer des Instituts BioLogik, Coach und Referent zum Thema Verhaltensbiologie. Im Podcast sprechen wir über die Wichtigkeit von Aggression für eine gesunde Leistungs- und Innovationskultur, warum Kuschelkulturen langweilig sind und Aggression ohne Bindung wertlos ist.

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00:00:03: Und Anerkennung ist ja die humanste Form aggressiver Triebbefriedigung. Ich habe einen Sieg, werde anerkannt...

00:00:10: Andreas Schnabel ist Gründer des Instituts BioLogik, Coach und Referent zum Thema Verhaltensbiologie. Im Podcast sprechen wir über die Wichtigkeit von Aggression für eine gesunde Leistungs- und Innovationskultur, warum Kuschelkulturen langweilig sind und Aggression ohne Bindung wertlos ist. Andreas, herzlich willkommen! Was ist Aggression? Und vor allem was ist denn das Gute daran?

00:00:35: Hallo Andreas, ich grüße dich. Ich freue mich, dass wir heute so ein Gespräch führen können zum Thema Aggression. Es ist spannend, aber es ist ja auch gar nicht so einfach. Aggression im Alltag kommt ja manchmal so etwas überraschend ungelegen, verunsichert Menschen. Und ich muss im Vorfeld dazusagen, ich habe durch die verhaltensbiologische Betrachtung ganz viel gelernt über die Aggression, die zum einen natürlich das eigene Verhalten ein Stück weit einordnet, aber eben auch das Verhalten von Mitmenschen, die ja auch so gebaut sind. Und deswegen würde ich jetzt einfach mal aus der verhaltensbiologischen Perspektive antworten. Was ist Aggression? Aggression gehört zu den Trieben, zu den menschlichen Trieben, mit denen wir ausgestattet sind von unserer Evolution her. Es gibt genau fünf Triebe, die uns immer wieder umtreiben und bewegen. Das ist der Nahrungstrieb, die Sexualität, Neugier, Aggression und Bindung. Trieb ist als Begriff definiert in der Verhaltensbiologie mit bestimmten Komponenten, mit Settings. Also es gibt auslösende Reize, es gibt eine Triebhandlung, ursprünglich bei der Aggression Laufen, Beißen, Schlagen, also dieses Körperliche. Und dann gibt es eben auch eine lustvolle Endhandlung, dass ist bei der Aggression der Sieg. Und damit sind alle Menschen ausgestattet. Also es ist kein Ding, was wir jetzt wegerziehen könnten, sondern es gehört zu unserer Verhaltensausstattung.

00:02:08: Okay, und schädlich daran ist ja dann nicht die Aggression selber, sondern das Verhalten, was sich möglicherweise an eine Aggression anknüpft, oder?

00:02:16: Ja, Aggression hat zwei Seiten. Und das Problem, über Aggression zu sprechen, liegt oft darin, weil immer nur die negative Seite betrachtet wird. Also wenn ich natürlich eine Vorstellung habe, Aggression ist Mobbing, Gewalt, Völkermord, Unterdrückung, irgendwie solche Dinge. Dann möchte ich natürlich Aggression vermeiden. Wir wollen ja nicht gewalttätig miteinander umgehen. Aber das ist ja nur die halbe Wahrheit. Aggression hat eben auch die andere Seite, um sich eben Herausforderungen zu stellen, in den Wettkampf zu treten mit Rivalen, die eigenen Ressourcen zu verteidigen und diese Dinge. Und die positive Seite der Aggression und die Kraft, die hinter der Aggression steht, wird dann gern mal ausgeblendet. Aber wie gesagt, die negative Seite der Aggression ist nur die halbe Wahrheit. Ursprünglich hat Aggression einen Überlebenssinn und ist durchaus wichtig, auch heute noch für uns.

00:03:17: Jetzt geht es ja in Unternehmen und Organisationen nicht unbedingt ums nackte Überleben. Ja, aber was ich nichtsdestotrotz oft beobachte ist, Unternehmen / Organisationen, wo es, nennen wir es mal so eine sehr ausgeprägte Kuschel- und Konsenskultur [gibt]. Also wo man umgekehrt sagen könnte, dort gibt es keine Aggression?

00:03:42: Doch, es gibt auch dort Aggression. Das ganz grundlegende Problem bei einer Kuschelkultur liegt darin, dass Leistung kaputt geht und Innovationskraft. Denn wenn Aggression nicht zugelassen wird und ich weiß aber, dass es ein Triebverhalten ist, dann muss es sich ja irgendwo eine Bahn finden. Und ich kann entweder die Kraft der Aggression nutzen, in den Dienst der Leistung, der Innovation stellen, oder ich kann die Aggression ein Stück weit versuchen wegzudrücken, Kuschelkultur und solche Geschichten. Dann bricht die sich Bahn, aber häufig auf eine unangenehme Art und Weise, dass eben Kollegen schlecht geredet werden, dass eine Überempfindlichkeit entsteht, dass Offenheit verloren geht. Und das hält natürlich auf oder macht auch eine Zielerreichung im Team kaputt.

00:04:38: Wie könnte es denn gelingen, dass ich als Unternehmen da eine Kultur schaffe, in der ... ja, wir müssen ja nicht unbedingt Fight Clubs einführen in Unternehmen, damit da Aggression gelebt werden kann. Aber kannst du uns mal Einblicke geben, wo ist vielleicht ein gutes Maß der Aggression gegeben und wie kann ich das auch kultivieren, ohne damit in schädliches Verhalten abzurutschen?

00:05:01: Ja, also die Vorbedingung dafür, dass Aggression in den Dienst der Leistung gestellt werden kann, ist der zweite soziale Trieb, nämlich Bindung. Und starten würde ich immer mit einem Bindungsaufbau, also gemeinsames Handeln, sich ein Stück weit kennenlernen, die Stärken des anderen verstehen, sich auch aufeinander einlassen. Auch das Thema Anerkennung ist hier ein ganz wichtiges. Und wenn Bindung etabliert ist und das Vertrauen, was mit der Bindung einhergeht, dann kann man auch mal eine Auseinandersetzung führen. Dann kann man auch mal Standpunkte auswechseln, weil die Auseinandersetzung ist immer so ein kleiner Kampf. Aber nach der Auseinandersetzung ist es sehr wichtig, wieder sich zu versöhnen fürs gemeinsame Handeln. Und ein Motiv für Versöhnung ist eben Bindung. Also vielleicht ein kleines Beispiel. Es ist schon lange her, aber das war für mich sehr eindrücklich damals. In einer Bank waren wir da und da gab es zwei Menschen, die für den Kundendienst / Kundenservice zuständig waren. Und der eine hat gesagt, naja, für mich ist die Erfahrung und das Vertrauen mit dem Kunden wichtig. Dann weiß ich auch, wie ich ihn einschätze und kann auch die Kreditvergabe entsprechend beurteilen. Der jüngere Kollege hat gesagt, naja, das ist alles subjektiv. Wir brauchen ein Risikomanagement mit harten Zahlen, Fakten usw. Jetzt haben die sich da immer auseinandergesetzt und die Frage ist ja, wer hat recht? Eigentlich haben sie ja beide recht.

00:06:42: Auf der einen Seite muss ich ja den Kunden kennen, brauche ein Vertrauensverhältnis. Auf der anderen Seite brauche ich auch die Zahlen. Also wir sind mitten in der Auseinandersetzung drin. Und diese Auseinandersetzung, die kann geführt werden, die muss geführt werden. Aber auf der Basis von Bindung und Vertrauen kommt es eben irgendwann mal wieder zu dem Punkt, dass die sich gegenseitig die Hand reichen und dass vielleicht der jüngere Kollege sagt, naja, mit meinen Zahlen, das ist gut und schön, aber deine Erfahrung ist schon auch wichtig und du hast immer so einen guten Blick oder du hast so einen guten Zugang zu den Kunden, dass du da eine super Einschätzung hast. Und dann muss natürlich dieser ältere Kollege, ich habe sie jetzt halt mit dem Alter unterteilt, sagen, ja, das mit der Erfahrung hat mich vielleicht auch schon mal aufs Glatteis geführt. Insofern finde ich dieses neue Risikomanagement mit den Zahlen und den Kennwerten dahinter durchaus interessant und das hat auch seine Berechtigung. Aber ich bin eben mit diesem Vertrauen aufgewachsen. Und diese Form der Versöhnung ist in der Auseinandersetzung ganz, ganz wichtig. Wenn diese Versöhnung nicht stattfindet, dann haben wir ein Dauerkonflikt, dann haben wir eine Dauerauseinandersetzung und die führt oftmals zu gar nichts.

00:07:51: Wie wichtig ist denn? Also, wenn ich das mal so in meinen drei Schritten zusammenfassen würde, wenn ich es richtig verstanden habe, sagst du, zu allererst darf und muss Bindung da sein, damit überhaupt ein Konflikt oder auch ein gewisses Maß an Aggression ausgelebt werden kann. Und damit sich der Kreis wieder schließt, ist dann aber auch zum Abschluss die Versöhnung wichtig? Kann man das so sagen?

00:08:13: Ja.

00:08:13: Und jetzt die Frage... Würdest du denn sagen, dass diese Bindung in einem Unternehmen möglicherweise auch dadurch hergestellt werden kann, dass man viel über gemeinsame Ziele redet, über ein gemeinsames Anliegen. Also ist das auch etwas, was nachher dazu beiträgt, dass eine solche Bindung überhaupt gedeihen und entstehen kann? Oder ist es vielmehr etwas sehr Persönliches, wo man sagt, okay, wir brauchen erstmal eine persönliche Beziehung, ein Vertrauensverhältnis?

00:08:41: Es hat zwei Komponenten. Bindung ist natürlich was Persönliches, also Vertrautheit, Sympathie, sich umeinander bemühen. Also es ist durchaus so eine emotionale Kiste. Auf der anderen Seite hat Bindung ja einen evolutionären Sinn und Bindung steht evolutionär gesehen im Dienste des gemeinsamen Handelns. Also zu den Kollegen, wo ich eine gute Bindung habe, mit denen möchte ich auch gemeinsam handeln. Und das gemeinsame Handeln kann nur gelingen, wenn gewisse Regeln befolgt werden. Das ist die Regel der Gerechtigkeit, der Ehrlichkeit, der Zuverlässigkeit. Also solche Tugenden, würde man sagen, des gemeinsamen Handelns. Und wenn ich nun erfolgreich gemeinsam handel, dann kann ich es gar nicht vermeiden, dass die Bindung sich wiederum verstärkt und ich in Zukunft mit dem Kollegen wieder gerne gemeinsam handeln möchte. Auch das ist ein evolutionärer Zusammenhang. Und ich würde immer sagen, drüber reden ja, aber auch wirklich gemeinsam handeln, dass man sich im gemeinsamen Handeln kennenlernt. Wer hat welche Stärken, wer bringt sich wie ein? Und dann im nächsten Schritt, ein Stück weit auch das Thema Anerkennung und Wertschätzung behandeln, damit das noch mal verstärkt wird. Und in so einer Art Bindungsformel kann ich tatsächlich richtig systematisch so ein Commitment aufbauen. Und dieses Commitment, also wenn man solche Gruppen betrachtet, und wir hatten das Glück, verschiedene Gruppen in dieser Richtung zu coachen, die setzen sich nachher in den Sachthemen ganz anders auseinander. Also, da wird gesprochen, da wird auch mit Bedacht gesprochen, das heißt, es verliert keiner das Gesicht. Aber es wird auch klar gesprochen, dass man über strittige Themen auch zu einer Lösung kommt. Weil Gruppen, wo eine Bindungsunsicherheit ist und auch eine Unsicherheit in Sachen Aggression, Kuscheln und wie geht man denn richtig miteinander um? Das stellt man immer daran fest, dass viel geschwurbelt wird. Also, da wird um den heißen Brei geredet. Man weiß nicht so richtig, was ist jetzt denn wirklich Sache? Und dann werden Scheinbegründungen herangezogen und das macht das gemeinsame Handeln richtig schwierig und führt dann auch zu Läufern.

00:10:50: Das heißt, wenn Du als Coach in eine Organisation kommst und die Leute sind alle nur freundlich miteinander und kuscheln und nur viel Konsens, dann sagst Du direkt [oder] fällst direkt ein Urteil im Sinne von, hier ist keine Leistungs- und Innovationskultur, oder?

00:11:04: Also ich will ja die Leute nicht vor den Kopf stoßen. (lacht)

00:11:08: Aber denken kannst Du es dir ja, Andreas. (lacht)

00:11:11: Ja, ja. Aber es hat natürlich schon eine Konsequenz, dass man sich ernsthaft überlegen muss, wie kann man denn in diesem Team so eine sportive,faire, gerechte Leistungskultur einführen und eben auch die Bindung stärken? Weil, das ist immer ein richtig schwieriges Thema. Weil der Umgang mit den Emotionen wird ja gerne auch verdrängt und auch bei Konflikten und Auseinandersetzungen. Dann heißt es, bitte nur objektiv, bitte nur sachlich oder die Kritik ist jetzt nur sachlich gemeint, nicht persönlich. Ich sage immer, wenn ich in der Schule, 16 Fehler im Diktat, eine 6 geschrieben habe und der Lehrer sagt mir, ja Schnabel, aber nur sachlich, nicht persönlich. Naja, wie soll ich es denn nehmen? Ich habe die miese Leistung abgeliefert. Ich fühl mich nicht als Sieger, sondern als Verlierer. Und natürlich trifft mich das emotional. Und das heißt, ich muss einen Umgang mit den Emotionen finden, dass ich hier nicht nivellier oder gleichschalte, weil darauf sind wir nicht gebaut. Aber dass jeder in der Gruppe weiß, hier bin ich grundsätzlich wertgeschätzt, hier ist eine Bindung da, hier ist eine stabile Beziehung, dass man sich auch mal auseinandersetzen kann. Und insofern kann man das Thema Aggression ohne Bindung gar nicht vernünftig behandeln. Weil wenn ich rein Aggression oder so einen harten Wettbewerb mache, Vertriebsgesellschaften, wo dann die Boni runtergebrochen werden von 20 € bis hin zum Dienstwagen oder mit dem Chef mit der Yacht in die Karibik. Da habe ich zwar ein hohes Leistungsmotiv über die Aggression eingegeben, aber die Bindung, die geht verloren, weil jeder kämpft gegen jeden. Und heute sind die Aufgaben komplex und man braucht sich einander im Team und wenn da nur Diven unterwegs sind oder nur Einzelkämpfer, dann ist das ein schlechter Weg.

00:13:04: Okay, also Bindung ohne Aggression funktioniert nicht, Aggression ohne Bindung funktioniert nicht. Aber wie schaffe ich es denn dann als Führungskraft, so dieses gesunde Mittelmaß dieser zwei schon ein Stück weit irgendwie gegensätzlichen Polen? Also Bindung auf der einen Seite. Wir rutschen zusammen, wir gemeinsam, wir stehen zusammen. Und auf der anderen Seite, Aggression hat ja auch immer was Trennendes, also wir gehen auch mal gegeneinander und da knallt es auch mal und das ist auch gut. Also, wie schaffe ich das, diese Pole gut zu bedienen? Oder hast Du konkrete Tipps, was ich tun kann?

00:13:40: Ja, also wir sind im Coaching immer so vorgegangen. Also, Du hast ja gerade vorhin gefragt, kann man es den Leuten auf dem Kopf zusagen? Das ist immer schwierig. Man möchte die Menschen ja gewinnen für das Thema. Und es gibt ja auch eine Historie und Gruppen sind so geworden, wie sie eben sind. Was ein gutes Verfahren ist, dass die tatsächlich mal gemeinsam handeln. In der Arbeit, im Arbeitsalltag sitzen die Leute ja oftmals irgendwo an ihren Schreibtischen. Jeder macht seins und das gemeinsame Handeln wird gar nicht mehr erfahren. Wenn die konkret ein gemeinsames Projekt haben. Wir haben zum Beispiel mal mit einer Führungsmannschaft dann eine Schnitzeljagd gemacht im Wald. Und da haben wir dann natürlich in der Gruppe die Führung, Protokollant, Späher, Scouts, Schriftführer, Pflanzenbestimmer, also eine unterschiedliche Besetzung der Rollen haben die sich selbst gesucht. Und dann waren die unterwegs und dann ist es Ernstfall und es ist echt. Und das wurde gefilmt. Und am nächsten Tag wurde dieses gemeinsame Handeln zusammen angeschaut. Eine wichtige Regel dabei war, Kritik verboten. Weil die sind noch nicht in der Situation, wo man jetzt gleich reingeht. Es geht auch gar nicht um Kritik, es geht eigentlich nur um zwei Fragen. Wie habe ich mich in meiner Rolle in der Gruppe gefühlt und wie habe ich gefühlt, wie sich meine Gruppe entwickelt hat? Und interessanterweise kommt über so eine Blickpunktrunde alles raus. Also mir ging es gut als Späher oder ich habe erst den Müllsammler gemacht. Das hat mir aber gar keinen Spaß mehr gemacht. Dann fühlte ich mich ausgegrenzt, weil die anderen haben nicht die Anerkennung gegeben. Also es ist eine spielerische Form, die aber Gruppen abbildet, wie sie gemeinsam handeln.

00:15:29: Und über diese Erfahrung des gemeinsamen Handeln und über die Reflexion hat man den Kollegen mal vielleicht auch von einer ganz anderen Seite kennengelernt. Und in der nächsten Stufe ist tatsächlich dann das Thema Kritik und Aggression, worüber man spricht, worüber man auch in einer moderierten Form etwas einübt, über Kritik sprechen, Anerkennung üben. Also ich kann nicht in der Gruppe eine große Kritikrunde machen. Das ist auch völlig unfair. Es tut man nicht, da verlieren die Leute das Gesicht. Das wollte ich für mich auch nicht. Aber ich kann natürlich fragen, wie geht es einer Führungskraft, wenn sie kritisiert? Wenn sie kritisiert wird? Wenn der Kritiker Recht hat? Wenn der Kritiker Unrecht hat? Wenn der Mensch einem nahe ist, der einen kritisiert? Und dann hat man mal so ein Bild, was löst es denn emotional in mir aus und ist es zielführend oder geht es mir danach schlecht? Und um dieses dann zu vervollständigen, kann man in den Themenbereich Anerkennung gehen und dann eben Anerkennung aktiv üben. Was mag ich an dem Kollegen, was schätze ich an ihm? Ist übrigens eine schwere Übung, weil man muss ja genau hinschauen und keiner will, dass ein anderer einem auch in die Tasche pinkelt oder was blödes sagt. Aber über dieses aufgeteilte Ding, A was passiert mit mir, wenn ich als Führungskraft kritisieren muss? Und das muss ich ab und zu mal. Ich kann Fehler nicht laufen lassen, das geht einfach nicht. Und wie gut tut mir Aggression? Hat man im Grunde genommen die gesamte Spanne der Aggression abgebildet, weil Aggression als Trieb hat ja diese Spanne. Ich bin Sieger, ich bin erfolgreich und das ist lustvoll.

00:17:16: Das tut uns gut. Da gibt es dann auch Hormonausschüttung usw. Oder die andere Seite der Aggression. Ich bin Verlierer, ich habe einen Fehler gemacht, ich werde kritisiert. Also Lob und Kritik bildet die ganze Spanne des Aggressionstriebs ab. Und insofern muss man über beides reden. Und dann kommt man auch auf Themen, wo man sagt, jetzt muss ich einen Mitarbeiter kritisieren, wie mache ich denn das? Und im großen Automobilunternehmen hat dann uns ein Meister gesagt, naja, ich mach das so, wenn ich einen Mitarbeiter kritisieren muss - unsere Werkshalle hat ungefähr 150 Meter - dann nehme ich den und dann laufen wir einmal durch die Halle. Wenn ich in die Richtung laufe, erkläre ich ihm, was ich mir mehr gewünscht habe oder kritisiere ich ihn und beim Zurücklaufen darf er Stellung nehmen. Das ist eigentlich eine geniale Idee, weil zu den Trieben gehört ja immer Einsatz von Werkzeuginstinkten. Laufen, Beißen, Schlagen. Das heißt, da wird automatisch ein bisschen Stress abgebaut, man ist gemeinsam unterwegs und man hat eine klare Regel, jetzt muss ich dir was sagen, das ist nicht gut gelaufen, das müssen wir irgendwie in den Griff kriegen. Aber auf dem Rückweg hatte der Andere eben auch so ein Thema. Und so kann man, wenn man die Aggression richtig versteht und einsetzt im Unternehmen, je nachdem wie es gebaut ist, Lösungen finden, die authentisch sind und wo man sagt, es ist ein guter Umgang. Und wo die Mitarbeiter dann auch Zutrauen fassen, hey, das wird fair gemacht, das wird gerecht gemacht, das ist transparent und ich gehe da nachher nicht beschädigt raus, weil sonst wird es schwierig fürs gemeinsame Handeln.

00:18:49: Das heißt aber nicht im Umkehrschluss, dass ich, sobald ich einmal Kritik anbringen will, immer erst darüber reden muss und soll, was alles gut ist, also eher die Anerkennung. Sondern eine Anerkennung ist ja was, so würde ich es jetzt verstehen, ist ja ein langfristiger Prozess. Oder auch dieses gemeinsame Handeln, diese Bindung, die entsteht ja nicht, also dieses, sag ich mal, typische Sandwichfeedback, also was mir nicht gut gefallen hat, aber jetzt muss ich dir leider sagen, dass "Da, da, da, da, da..." So ist es ja nicht gemeint, richtig? Sondern das ist schon Bindung im Sinne von gemeinsames Handeln, gemeinsames Ziel. Was ich gerade total interessant finde, was du... Was würden wir in der neuen Arbeitswelt sagen? Das ist ja eine Retrospektive. Also sprich, wir haben eine gemeinsame Projektphase oder einen Abschnitt hinter uns und dann schauen wir zurück und gucken mal, wie ging's uns in den Rollen, was ist gut gelaufen, was ist nicht so gut gelaufen, was wollen wir vielleicht beim nächsten Mal anders machen? Genau. Und das führt mich auch so ein bisschen zum nächsten Thema. Also Stichwort... Eigentlich, noch eine Zwischenfrage noch! Was kann ich denn für mich selber tun? Also so Stichwort Selbstführung. Also wie gehe ich vielleicht auch mit meinen eigenen Aggression um, vielleicht sogar auch die gegen mich selber? Gibt es ja auch durchaus bei Leuten, die sagen ja, du Blödmann, hast du schon wieder nicht geschafft. Hast Du da noch einen Tipp? Bevor wir auf die neue Arbeitskultur kommen.

00:20:13: Ja. Also zu deiner Bemerkung gerade, würde ich hundertprozentig Recht geben. Bindung muss gepflegt werden. Das ist auch nicht eine Bindungsrhetorik oder irgendwie was Aufgesetztes. Bedeutet aber für die Führung auch, dass man bewusst Zeit setzt, wo man zusammenkommt, gemeinsam handelnd spricht, sich austauscht, sodass der Gegenüber Vertrauen fasst, dass man über Themen sprechen kann und dass man gemeinsam eine Lösung findet. Und das ist natürlich nicht "Wir nehmen uns halt in den Leitlinien vor, wir haben Bindungen, Vertrauen und dann hakt man es ab. Alle haben sie unterschrieben". Dann hat man das noch nicht. Also insofern bestätige ich Dich da mit deiner Einschätzung, dass ist eine permanente Führungsaufgabe. Der Umgang mit eigenen Aggressionen ist mitunter gar nicht so einfach. Wir sind ja alles emotionale Menschen. Und ich erinnere mich an ein Gespräch mit einem mittelständischen Unternehmer, da ist der Sohn in die Führungsposition gekommen und der hat die Vorstellung gehabt, ich darf meine Aggression oder meinen Ärger nicht an den Mitarbeitern herauslassen. Ich muss mich immer beherrschen. Und das hat ihn irgendwo in eine Rolle gebracht, dass er von seinen Mitarbeitern nicht mehr richtig ernst genommen wurde und er sich selber auch nicht wirklich gut wohlgefühlt hat, weil Aggression erzeugt ja im Körper erst mal die ganz große Handlungsbereitschaft. Also, es werden entsprechende Hormone, Botenstoffe ausgeschüttet. Die Aufmerksamkeit geht hoch. Im Grunde genommen heißt es jetzt kämpfen, jetzt tritt der Feind auf den Plan und unser Körper wird aufgerüstet, um in die Aggression reinzugehen. Wenn ich mich jetzt beherrsche und der Körper aber so ein Spiel macht, dann führt es zu Stress.

00:21:57: Dann ist es auch gesundheitlich nicht wirklich ratsam. Also, sich dauerbeherrschen ist ein bissl blöd, weil man ja dann die Aggression immer wegdrückt und auch krank werden kann. Die Frage des Umgangs mit der Aggression ist, wenn es gut läuft, habe ich gute Kollegen, die mich durchaus in meiner Arbeit anerkennen. Und Anerkennung ist ja die humanste Form aggressiver Triebbefriedigung. Ich habe einen Sieg, werde anerkannt. Wenn ich mal aggressiv bin und ich habe eine gute Bindung, dann werde ich natürlich auch nicht irgendwelche Leute anschnauzen oder anraunzen. Ich werde mich schon noch beherrschen. Aber ich kann durchaus auch zeigen, dass ich Emotionen habe. Und über die Bindung wird das wieder moderiert und es wird in aller Regel verstanden. Und dann heißt es naja, okay, in der Situation, da verstehen wir dich und vielleicht gehst du nach Hause, vielleicht läufst du erst mal eine Runde oder gehe in den Boxclub oder sonst irgendwie was. Versuch dich körperlich wieder da in eine Form zu bringen, dass du auch wirklich handlungsfähig bist, weil wenn der Trieb überhand nimmt, ist natürlich die Kognition auch gestört. Also man kann nicht so gut denken, wenn man triebgesteuert ist. Und dann ist natürlich die Frage, wie kann ich das gesund und vernünftig rauslassen? Also sicher nicht am Mitarbeiter, aber der Mitarbeiter versteht, wenn die Bindung da ist, dass es nicht immer gute Tage gibt. Und dann wäre natürlich die Frage, was mache ich jetzt? Und da ist die Körperlichkeit durchaus keine schlechte Sache. Laufen, Beißen, Schlagen gehört zum Aggressionstrieb.

00:23:29: Also nicht auf die Autobahn, nicht nach Hause fahren, nicht in die nächste Besprechung. Am besten raus in den Wald oder ins Fitnessstudio und einmal Bewegung.

00:23:41: Das geht ja nicht immer. Und wir hatten mal eine interessante Erfahrung in einer Blickpunktrunde auch mit Führungskräften. Und da haben wir am Anfang immer mit der Runde begonnen, ja, wie geht es euch heute? Ja, was treibt euch gerade um usw. und so fort. Und dann haben die ein kurzes Statement gemacht und dann hat einer der Kollegen gesagt, "Ich war jetzt eine Stunde auf der Autobahn gestanden, ich habe einen Projektdruck, ich habe eigentlich gar keine Lust, heute hier zu sitzen..." und irgendwie "lasst ihr mich noch ein bisschen in Ruhe. Ich kann mich dann schon einklinken, aber eigentlich mir geht es beschissen." Das konnte er äußern, weil da schon eine Bindung vorbereitet war. Und jetzt wird man ihm natürlich in seinem Gefühlszustand nicht sagen, "Jetzt sei mal gut drauf und mach mal." Aber für die Gruppe ist es ganz wichtig, das einzuschätzen. Und dann lässt man den halt eine Stunde. Und dann, im Laufe des Vormittags, hat er gesagt, "Ja, jetzt geht es wieder. Ich habe noch mal telefoniert und ich habe mich da noch mal abgesichert" und dann konnte er sich einbinden. Wenn das aber nur unkommentiert in der Gruppe gelegen wäre, dann hätte er vielleicht auch eine schräge Antwort gegeben oder was Patziges. Oder die haben gesagt ja, der guckt schon wieder so, das ist immer so ein Miesepeter, dann kann man es nicht einordnen. Und im sozialen Bereich ist es ja ganz wichtig, auch Situationen, Gefühlslagen einordnen zu können. Und reife Gruppen haben Verfahren, dass sie dem Raum geben. Das ist übrigens Bindungspflege im besten Sinne des Wortes. Und dann eben auch wieder eine Form finden.

00:25:12: Finde ich super interessant. Das am Ende ist ja deine Aussage, dass Bindungspflege, habe ich das richtig verstanden, dann auch nur ein Mittel der Aggressionsbewältigung ist oder so ein bisschen die Umkehrseite der Aggression?

00:25:28: Also vielleicht noch mal. Die Aggression ist einer unserer sozialen Triebe. Weil für die Aggression brauche ich ja jemand anderen. Also die Neugier kann ich auch für mich im stillen Kämmerlein befriedigen, indem ich irgendwelche Rätsel löse. Aggression, da brauche ich eine Herausforderung, Rivalen. Bindung ist auch ein sozialer Trieb. Da brauche ich eben Bindungspartner, einen anderen. Also, wir steuern unsere Beziehungen und unser soziales Umfeld über die Triebe, Aggression und Bindung. Und wenn wir nur aggressiv werden, also wir nehmen mal an, die Evolution hätte den Trieb ausgebildet, dann würden wir leben wie die Krokodile am Nil. Weil die Krokodile haben keine Bindungsprogramme. Die regeln ihre Beziehung über Dominanz und Unterwerfung. Die liegen nebeneinander und wenn einer zu nahe kommt, wird das Maul aufgerissen oder so. So kann man das auch regeln, aber die können nicht gemeinsam handeln, die liegen halt nebeneinander. Und wenn ich gemeinsam handeln möchte, brauche ich die Aggression als Leistungsmotiv, damit sich die Einzelnen einsetzen, dass sie sich engagieren, dass es eine Innovation-, eine Wettbewerbsfähigkeit gibt, aber eben auch die Bindung, dass man ein Stück weit mit Vertrauen, mit Nähe, mit Sympathie, auch mit dieser emotionalen Seite zusammenkommt und sagt, hey, ich freue mich schon wieder aufs nächste Team und die Kollegen. Irgendwo mag man sie und irgendwo schätzt man sie wert. Man weiß, was sie können und man weiß, dass man gemeinsam einfach besser ist, wie wenn man es alleine tun würde. Und so gehören immer beide Triebe zusammen, Aggression und Bindung.

00:27:01: Hast Du denn die Erfahrung gemacht, dass es unterschiedlich stark ausgeprägt ist bei einzelnen Leuten? Ich überlege gerade, wo bin ich denn jeweils auf dieser Skala ausgeprägt? Also Bindung? Wie wichtig ist Bindung und wie aggressiv ist jemand?

00:27:15: Das ist eine gute Frage, weil das ist auch eine Frage, mit der sich Wissenschaft beschäftigt hat. Und ich weiß nicht, ob es letztendlich eine quantifizierbare Aussage dazu gibt. Ich weiß nur, dass der Konrad Lorenz mal, wo er das gefragt wurde, vom Parlament der Tribe gesprochen hat. Also es sind immer alle vorhanden, aber es sprechen nicht alle gleichzeitig. Und wenn ich jetzt ein Defizit im Bereich der Nahrung habe, dann steht der vorne am Pult und sagt, jetzt geh mal essen. Das ist ein starkes Motiv. Wenn Aggression gerade ein Thema ist, weil ich lange keinen Sieg hatte, keine Anerkennung, habe ich ein Defizit. Dann steht natürlich die Aggression vorne auf dem Podium und fordert ihr Recht ein, hey, sei doch mal wieder Sieger, guck doch mal wieder, dass deine Leistung anerkannt wird. Das Blöde ist nur, das kann ich nicht mit mir selber. Also ich kann schon mir selber auf die Schulter klopfen sagen, hast du gut gemacht. Aber das ist natürlich ein bisschen schal. Ich brauche ein Gegenüber, der mich anerkennt. Und wenn eben Bindung gerade ein Thema ist, dann meldet sich Bindung. Grundsätzlich sind alle fünf Triebe vorhanden, aber je nach Zufriedenheitszustand oder Befriedigung - also wenn ich morgens gefrühstückt habe, habe ich halt erst mal keinen Hunger, dann kommt der Hunger erst am Mittag wieder.

00:28:30: Und wenn ich jetzt anerkannt wurde, bin ich jetzt erst mal nicht aggressiv gestimmt, sondern da will ich vielleicht meinen Flow, meine Neugier befriedigen. Und so melden die sich dann immer wieder zu Wort. Unterschiedliche Typen, also eher so diese Aggressionsgeladenen, die unbedingt Macht anstreben. Oder eher die Bindungstypen, die viel mehr aus der Bindung beziehen. Ich glaube, das kann man aus der Biografie eines Menschen sehen. Wenn ein Mensch so groß geworden ist, dass er die Bindung sehr stark erlebt hat und sich da geborgen gefühlt hat und wohlgefühlt und im Fußballteam, das war einfach eine gute Sache, dann ist es eine konkrete Erfahrung, die er natürlich im Berufsleben wieder will. Wenn jemand jetzt einzeln unterwegs war und gemerkt hat, ich kann mich durchsetzen, ich habe da vielleicht auch gewisse Fähigkeiten, auch rhetorische Fähigkeiten, und kann damit zum Sieger werden, dann sucht er sich die Lust vielleicht schwerpunktmäßig eher im Aggressionstrieb. Aber das ist jetzt so eine Einschätzung. Also das ist nicht wissenschaftlich hundertprozentig fundiert, aber von der Vorstellung her finde ich das mit dem Parlament der Triebe ganz interessant als Bild.

00:29:40: Sehr schön. Apropos Parlament. Neues Arbeiten. Es werden neue Strukturen, neue Rollen eingeführt. Hierarchien werden immer flacher. Was macht das mit einem Menschen, zumindest aus evolutionsbiologischer Sicht?

00:29:57: Die Hierarchien, die sind nun natürlich auch ein Stück weit in unseren Genen, sozusagen. Wir sind sozietär lebende Wesen und Sozietäten im Tierreich, aber auch bei Menschen, sind immer hierarchisch geordnet. Also, es gibt ein Alphatier und es gibt halt Betas usw., die unterschiedliche Rollen ausfüllen. Insofern ist, wenn ich hier die Rollen radikal abschaffe, erstmal die soziale Unsicherheit. Was man dann beobachten kann, ist, dass informell ein Alphatier, also ein informeller Führer oder jemand, der solche Leitfunktionen übernimmt, sich herauskristallisiert, dass es vermehrt zu Auseinandersetzungen kommt. Rangaggression. Dass man sich eigentlich nicht so sehr auf die Sache richten kann, sondern eben immer wieder Beziehungsklärung betreibt. Und da geht ja viel Energie rein. Insofern geben Ränge, Rollenhierarchien erstmal Sicherheit im sozialen Gefüge. Jetzt kann man es natürlich auch übertreiben. Also wenn ich jetzt eine Hierarchie aufmache mit dem Chef, dem Unterchef, dem Zwischenchef und dann nochmal den Chefassistenten oder sonst irgendwie was. Da wird es schon ein bisschen widerlich. Das muss nicht sein. Und es sollte natürlich immer auch die Rolle in der Gruppe an eine Fähigkeit gekoppelt sein. Da brauchen wir dich, da leistest du einen guten Beitrag. Und wenn die dann flach ist, ist es auch okay. Aber es sollte halt unterschiedliche Rollenbesetzungen möglich sein. Weil wenn alle alles können sollen oder wenn da die Unsicherheit besteht, viel zu viel Energie für dieses Sich-sozial-sichern drauf [geht] und die Kapazität ist eben verloren fürs Projekt.

00:31:44: Wobei das ja ein, glaube ich, weit verbreitetes Missverständnis ist, dass agiles Arbeiten mal als Beispiel, dass es führungslos sei. Es ist ja das Gegenteil der Fall. Es wird komplett anders mit Führung umgegangen als in einer klassischen Organisation. Aber ich habe ja trotzdem noch Führungsrollen. Also immer auch Leute, an denen ich mich orientiere. Aber es ist halt nicht so, ich sag mal, nicht so schwarz/weiß wie vielleicht in einer sehr traditionellen Organisation. Also, die soziale Unsicherheit hält sich dann hoffentlich in Grenzen. Und zweitens, behaupte ich, machen auch agile Frameworks / Arbeitsformate... Die tun systematisch deutlich mehr für die Bindung. Also, dass überhaupt - jetzt schließt sich der Kreis - dass all das, worüber wir jetzt heute gesprochen haben, auch überhaupt entstehen kann, also eine Aggression auf eine gesunde Art und Weise ausgelebt wird und das hoffentlich dann wieder das Fundament ist für eine gute - Du hast eben schön gesagt - eine sportive, faire Leistungskultur, in der dann auch Innovation entstehen kann.

00:32:48: Ja, es wird ja viel kommuniziert. Also man hat sein Meeting, man spricht sich ab. Wie weit sind wir? Wie sieht es aus aus Kundensicht? Wie weit ist unser Projekt gelaufen? Ich sehe das auch, dass mehr Kommunikation dann in der Gruppe ist, wie wenn es eine starre Hierarchie ist. Also, die Kommunikation und die Bindung kann ich ja nicht durch reine Rollenzuweisung ersetzen. Es ist ja nach wie vor wichtig, dass die Kommunikation stattfindet, der Austausch, die Abstimmung. Wo steht wer? Wie weit sind wir jetzt? Es kann auch gerne mal ein bisschen persönlich sein. Und insofern würde ich sagen, die Bindung kann hier viel mehr gepflegt werden wie jetzt in einem starren Gefüge, wo dann die Leute sich eher sogar abkapseln in ihrem Revier und gar nicht mehr miteinander reden wollen, Weil die Hierarchie darf nicht starr sein und darf nicht hyperstabil sein, weil sonst bewegt sich auch nichts mehr in der Gruppe. Aber es ist halt unser evolutionäres Erbe. So haben sich alle Gruppen strukturiert. Ob jetzt Wölfe, Schimpansen, Elefanten oder was weiß ich. Wir sind immer hierarchisch angeordnet. Wir Menschen haben auch die Hierarchien. Im Kindergarten sieht man es, wenn kleine Kinder neu in die Gruppe kommen. Das strukturiert sich. Und jetzt ist nur die Frage, wie kann man das so einbauen, dass die Kommunikation läuft, das Miteinander läuft. Und da ist natürlich die agile Variante durchaus förderlich.

00:34:14: Das war jetzt ein schönes Schlusswort. Ich würde versuchen, nochmal kurz ein Schleifchen dran zu kriegen. Aggression steht eigentlich im Dienst einer Innovations- und einer gewissen Leistungskultur. Bzw. umgekehrt - ist keine Aggression da, entsteht auch keine Leistung und keine Innovation. Bevor Aggression überhaupt ausgelebt werden kann oder darf, ist es wichtig, überhaupt erstmal eine gemeinsame Bindung zu haben bzw. Bindung zu haben. Und die entsteht unter anderem dadurch, dass ich gemeinsam Projekte habe, gemeinsame Ziele habe, Zusammenarbeit. Und Bindung ist nichts, was irgendwie durch nette Powerpoint Slogans entsteht, sondern dadurch, dass ich echt authentisch Bindung lebe und überhaupt auch entstehen lasse. Wenn die da ist, dann darf Aggression entstehen, dann ist es überhaupt wahrscheinlich auch erst förderlich. Nur wichtig. Eine kleine Erinnerung an mich selbst. Es braucht auch die Versöhnung hinten dran. Weil sonst kann auch nichts entstehen. Und wenn wir dann im Kontext neuer Arbeitskulturen sind, finden wir da vielleicht viele Elemente, wo man sagt, okay, da wird auch extrem viel systematisch getan dafür, dass überhaupt Bindung entstehen kann. Ja, wunderbar, Andreas!

00:35:30: Gutes Schlusswort!

00:35:32: Ja, vielen Dank.

00:35:34: Wir haben ja glücklicherweise deinen Artikel, den ich - noch eine kleine Abschlussanekdote - wie ich den überhaupt wieder in die Hände bekommen habe, nämlich beim Entsorgen all meiner alten Uni-Unterlagen aus St. Gallen ist mir das als einziger Zettel in die Hände geflogen. Und so haben wir überhaupt erst nach über zehn Jahren auch mal wieder zusammengefunden. Sehr schön. Vielen Dank, Andreas. Bis zum nächsten Mal.

00:35:59: Dankeschön. Machs gut.

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