#23 Digitale Transformation läuft nicht nebenbei mit Fabian Haustein

Shownotes

Fabian Haustein ist verantwortlich für Digitalisierung und E-Commerce des Hamburger Luxus-Modehauses Unger. Im Podcast sprechen wir über digitale Transformation und warum die nicht von alleine gelingt.

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00:00:05: Den Fehler habe ich sehr oft gemacht. Und dann bist du nämlich genau gefangen. Dann liegt nämlich alles bei dir. Du bist der Problemlöser, aber das willst du ja eigentlich gar nicht. Du willst ja, dass die Teams miteinander die Probleme lösen.

00:00:14: Fabian Haustein ist verantwortlich für Digitalisierung und eCommerce des Hamburger Luxusmodehauses Unger. Im Podcast sprechen wir über digitale Transformation. Und warum die nicht von alleine gelingt. Fabian, herzlich willkommen!

00:00:30: Ich danke, dass ich hier sein darf. Ich freue mich.

00:00:34: Ich bin ja letztens bei dir auf LinkedIn an einem Post hängen geblieben, wo ich nur in großen Lettern sah, Digitale Transformation läuft nicht nebenbei. Kannst du uns ganz kurz erklären? Ich meine, darüber sprechen wir heute vor allem, aber so mal in einem Satz. Was meintest du damit? Um schon mal den Hörern so einen kleinen Sneak Preview geben, worum es heute geht?

00:00:56: Ja, ich versuche es mal ganz kurz. Ich muss dazu sagen, vielleicht vorab, "ganz kurz" ist manchmal nicht so meine Stärke deswegen, wenn es dann doch ein bisschen länger wird...

00:01:06: ... Fange ich dich ein.

00:01:07: Genau. Fang mich ein. Seht es mir nach. Genau. Warum ist es kein Selbstzweck? Warum läuft es nicht nebenbei? Habe ich, glaube ich, ein bisschen aus dem Affekt gesagt, aber tendenziell ja. Es ist halt nicht einfach irgendwie, dass du einfach ein digitales Tool nutzt oder einführst, sondern es ist viel vielschichtiger und es fängt halt viel tiefer an. Es fängt mit Teams an, mit Organisationen und auch Mindset und Arbeiten. Und deswegen, ja, es ist eine Sache, die viel, viel Vorarbeit bedarf und dadurch einfach nicht nebenbei läuft. So, und es ist nicht damit getan, einfach ein cooles Tool einzuführen und dann bist du digital. Nein, du musst viel, viel tiefer, viel, viel weiter unten anfangen. Das war so Kern meiner Aussage, glaube ich. Und in dem Kontext fiel sie auch, weil es mal wieder darum ging, dass Digitalisierung ja so einfach ist.

00:02:00: Ja, so einfach ist es leider nicht. Aber da kommen wir ja heute noch drauf. Ja, genau, jetzt bist du ja bei einem Modehaus. Also ursprünglich mal stationärer Handel. Was ist da genau deine Rolle?

00:02:14: Also, ich glaube auf meiner Visitenkarte, oder ich weiß, auf meiner Visitenkarte steht sowas wie Chief Digital Officer. Das ist jetzt wieder sehr, sehr großtrabend, aber, ja, eigentlich bin ich für Digitalisierung schon da. Aber das gliedert sich so ein bisschen auf. Also, es geht einmal darum, mit den Teams digital zu arbeiten und das, was hier an einem richtig coolen digitalen Mindset schon vorhanden ist, einfach nochmal vielleicht eine gewisse Struktur zu geben und mit den Teams an Formaten zu arbeiten, aber auch um Prozesse zu digitalisieren und überhaupt einfach mal zu hinterfragen und dann auch umzubauen und dann digital zu machen. Aber natürlich geht es auch um das ganze Thema Tools. Und dazu kommt bei mir noch dadurch, dass wir noch keine sehr große Organisationsgröße haben, sind so die Themen IT also so richtig, richtig traditionelle IT und das ganze Thema eCommerce spielt da halt auch mit rein.

00:03:11: Wenn Leute wie du in ein, sage ich mal, traditionell organisiertes Unternehmen kommen. Das ist ja typischerweise sehr funktional orientiert und organisiert. Dann kommen Leute wie du rein, die über Digitalisierung reden, über vernetzte Wertschöpfungsschritte und ganz andere Business- und Geschäftsmodelle. Das erfordert ja typischerweise eine sehr horizontale Sicht. Also sprich, du gehst eigentlich über einmal über alle Unternehmensbereiche einmal drüber. Deswegen die Frage, wie habt ihr das denn organisiert? Um dieses, sage ich mal, Spannungsverhältnis [zwischen] auf der einen Seite habe ich Abteilungen mit möglicherweise Abteilungsleitern funktional organisiert und du mit einer digitalen End-to-end Brille eher horizontal. Wie habt ihr das in die Organisation getragen?

00:04:01: Ja, wir sind so ein bisschen stufig vorgegangen oder wir sind auch immer noch dabei. Also, ich glaube, so die ersten Wochen und Monate waren wirklich so, dass ich als Stabsstelle - kann man glaube ich, wenn man es irgendwie einordnen will. Ich glaube, das trifft es ganz gut. Ich bin halt mit dem Unternehmensgründer, mit dem Florian Braun eingestiegen und habe mit dem halt in so einer Eins-zu-eins-Situation eher so als Stabsstelle zum CEO fungiert und habe dort dann mit dem Team gesprochen. Bin sehr beratend dort unterwegs gewesen und in Teilen bin ich es immer noch, um halt einfach dann auch allen den Raum und die Möglichkeit zu geben. Weil ich bin ja quasi als Person, aber auch in der Rolle neu und ist etwas, was noch nicht da gewesen ist bei Unger. Und von daher ist es nach wie vor total wichtig, da mehrschichtig und vielschichtig vorzugehen. Also das heißt, alles was wir jetzt aktuell tun, ist eher so, dass ich noch sehr frei durchs Unternehmen schwebe. Paar (?) meine Rolle. Und ja, ich glaube Stabsstelle trifft es ganz gut. Aber ergänzt dazu - und es ist halt dann einfach auch eine Kombination - du hast halt gewisse Durchgriffsmöglichkeiten, du kannst auch sehr vieles anstoßen und auch sage ich mal, Themen müssen auch manchmal exekutiert werden. Das kommt halt mit meiner Rolle auch mit. Und die Freiheit habe ich auch, genieße ich dann auch letzten Endes. Und das ist eine Sache, die sich bei uns iterativ entwickelt hat. Das heißt, es sind jetzt bestimmte Bereiche dazugekommen wie die IT, die liegt zum Beispiel in meinem Verantwortungsbereich. Da sind wir von dem Stabsstellen-System halt einfach weg. Aber da geht es halt einfach darum, für mich jetzt auch einfach noch weiter, sich im Unternehmen und mit den einzelnen Teams und Teamleitern zu vernetzen. Ich glaube, das trifft es ganz gut. Es ist halt so ein iterativer Aufbau von erstmal nur eine Beratertätigkeit, dann Übernahme von einzelnen Rollen oder Verantwortlichkeiten und aber dann auch immer noch, dass du bei anderen Bereichen immer nochmal dabei bist.

00:06:07: Das ist ja doch durchaus ein etwas anderes Organisationsbild. Auf der einen Seite - Du hast es ja eben ja auch schön gesagt - mit den Teamleitern sich vernetzen. Also es ist ja eigentlich eine Begegnung auf Augenhöhe. Da kommt jemand wie du, der sagt, come on, wir wollen hier den nächsten Schritt gehen, Digitale Transformation nach vorne bringen, Geschäftsmodelle digital weiterentwickeln. Und du kannst es nicht alleine, weil du brauchst natürlich immer die Fachexperten mit jeweils ihrer funktionalen Expertise. Wie hast du das erlebt? Dieses, man könnte ja sagen, ja, es ist eigentlich fast schon eine Pattsituation. Also, Pattsituation jetzt so in dem Sinne, es gibt nicht dieses traditionelle "Oben-Unten", sondern wir begegnen uns jetzt auf Augenhöhe in einem kreativen Raum und wollen das jetzt lösen. Zusammen. Wie hast du das erlebt? Was bringt es auch für Anforderungen für dich persönlich an eine Führungsrolle mit?

00:07:02: Erstmal musst du ganz viel würdigen, ehrlich gesagt. Also, du musst erstmal verstehen, was da für Themen sind und musst dir erst mal, ja, für dich auch in den Kontext setzen. Und da ist ja viel passiert. Und viel ist auch richtig gemacht, also, wird ja immer richtig gemacht. Und das ist per se nicht schlecht und es passiert immer eigentlich sehr viel Gutes. Es kommt halt dann so ein bisschen auf das Ganze in den Kontext bringen, also in dem Kontext zum Digitalen hin. Und was ist denn überhaupt zu digitalisieren? Und da kommst du halt nicht drum rum, erst mal dir alles anzuhören, dich zu verstehen, zu würdigen, das gut zu finden und dann auch zu übersetzen. Und du musst halt extrem viel lernen. Also, ganz schnell ganz viel lernen, um zu verstehen, was denn auch die Anforderung ist. Und dann ist der nächste Schritt eigentlich, miteinander auf Augenhöhe zu sprechen. Du hast es eben gesagt. Und dann geht es auch ganz viel um begeistern. Also, wie begeistere ich für das Thema? Und dann kommst du in so eine Phase, dass man halt auch denjenigen mitnehmen kann. Und das finde ich halt, ist glaube ich so immer die Vorgehensweise dahinter.

00:08:14: Ich finde es interessant, dass du eben sagst, "Die Würdigung des Alten". Das war das Allererste, was dir eingefallen ist. Weil oft passiert es ja, dass man in seiner digitalen Begeisterungsfähigkeit in Unternehmen kommt und sagt Juchheißa, wir machen alles anders. Also, kannst du da noch was zu sagen? Wie wichtig hast du das erlebt? Hast du das eher aus einer Intuition heraus gemacht? Oder, weil du irgendwann vielleicht wirklich gemerkt hast, okay, ne, das ist irgendwie der bessere Weg, so finden wir besser zueinander?

00:08:45: Ich glaube, intuitiv und weil ich mir immer erst mal Dinge angucke und versuche, zuzuhören. Also wenn du wo neu reinkommst oder du bist der Neue, dann bin ich immer eher der, der erstmal versucht, zu beobachten, zum Beobachtermodus geht und mir auch Dinge erklären lässt. Und vielleicht muss man auch zu dem Hintergrund zu mir sagen, ich habe davor fast zweieinhalb Jahre für für BabyOne gearbeitet. Ja, es ist der Marktführer für Babys Fachartikel und ich arbeite jetzt für ein Unternehmen, was sich mit Damenmode im Luxury Fashion Retail, ich sag mal das Buzzword einfach, auseinandersetzt. Das heißt, ich musste erst mal überhaupt... Also, es ist ein Themen-Clash und da war es für mich wichtig, erstmal zuzuhören und das zu verstehen. Und da habe ich dann schon relativ schnell gemerkt, hey, hier passieren so viele tolle Dinge schon und hier sind auch schon so viele Sachen angeschoben worden und hier wird schon so viel gemacht, auch was Digitalität angeht und überhaupt Prozesse und Teams und wie arbeiten wir miteinander. Und da war das sehr intuitiv, dass man halt in dieses Wording eingestiegen ist des Alten, weil ich einfach gemerkt habe, hey, das ist, das ist eine richtig gute Grundlage, die dort schon ist. Und ja, das kam so ehrlich gesagt, hatte aber Ursachen, einfach in der Art, wie ich arbeite und wie ich bin, weil ich gucke mir Dinge erstmal einen Moment an, versucht die zu verstehen, versuch das System zu verstehen. Und dann treffe ich für mich meine Ableitung und ,ja, dann purzeln da Dinge raus. Und das hat halt dann ganz viel damit zu tun.

00:10:30: Zumal es ja auch vom vom Businessmodell in der Zielgruppe wahrscheinlich kein Geschäftsmodell ist, wo du irgendwann 100 % digital bist, sondern das ist ja immer eine gute Verzahnung zwischen Offline Handel, Offline Touchpoints und dann aber auch eine gute, ergänzende Digital Experience. Oder wie schätzt du das ein? Oder wie geht ihr damit um?

00:10:49: Absolut richtig. Also, gerade hier ist es total wichtig, Omnichannel zu machen. Ich weiß, das Wort ist total abgeritten, aber das ist total wichtig hier. Genau das offline, der Kundenservice, digitale Produkte, das muss vernetzt und verknüpft sein.

00:11:05: Habe ich es eben richtig verstanden. Du hast also auch nicht nur - aber das liegt ja relativ nahe, wenn die IT auch bei dir ist - Du hast nicht nur so diese ganzen Customer-Facing Touchpoints und die Digitalisierung auf deiner Agenda, sondern auch alles, was nach innen geht. Also, wie arbeiten wir hier eigentlich zusammen? Kann man das so sagen? Dass das auch dazu gehört?

00:11:29: Genau, das läuft damit darauf hinaus dann letzten Endes, genau.

00:11:33: Okay, ja. Wie erlebst du das? Also wie eng hängen denn eigentlich - Du hast es ja, glaube ich, eingangs auch mal gesagt - es geht halt nicht einfach um die Einführung von einem beliebigen Tool, egal ob das jetzt auf der Kundenseite oder nach innen in die eigene Organisation gerichtet ist. Sondern es geht ja schon stark darum, auch sich grundlegend mal zu fragen, wie interagieren wir eigentlich überhaupt miteinander? Also, wie stark erlebst du den Zusammenhang zwischen, ja, wir haben jetzt hier digitale Tools auf der einen Seite und dann aber auch diesem Aspekt Organisations- und Kulturentwicklung auf der anderen Seite?

00:12:09: Total stark, weil oftmals ist die Motivation zu sagen, ich brauche hier was Digitales, weil man irgendwas hat, was nicht funktioniert oder weil man denkt, das muss besser funktionieren. Und wenn man sich das anguckt, dann ist es oft ein Prozess. Vor dem Prozess hängt halt immer der Mensch und / oder auch der Austausch zwischen den Teams. An so einer Prozesskette sind halt immer ganz viele Stakeholder beteiligt. Und daher ist so ganz am Anfang immer die Frage, okay, was ist denn die Ursache des Ganzen? Und oft ist die Ursache darin begründet, dass entweder es meist ein Thema ist, was abteilungsübergreifend zu suchen ist, zum Beispiel der eCommerce will was verkaufen, kann es aber nicht, weil es im Einkauf nicht zur Verfügung steht. So, und dann zeigt der eine auf den anderen und man kommt ganz schnell hin, wenn man ein bisschen tiefer fragt, dass es eigentlich in der Ursache darin verhaftet ist, dass man ein gewisses Austauschformat einfach nicht hat. Und dann gehst du da rein und versuchst es erstmal damit zu lösen, dass du irgendwie Austausch förderst oder erstmal Kommunikation förderst. Und dann bist du halt eigentlich gar nicht mehr bei Digitalisierung im ersten Schritt, sondern bei Formaten und Organisationsentwicklung und "Wie arbeiten wir zusammen?". Und wenn du das gelöst hast - und das ist auch ein bisschen Grundlage meiner These, - dann kannst du darauf dann einen Prozess aufbauen und darauf baust du dann einen digitalen Prozess auf, der bestenfalls so gut funktioniert, dass die Teams nicht mehr sich austauschen müssen oder nur unterstützt austauschen müssen. Aber der Prozess an sich dann digital funktioniert. Ich weiß, es klingt jetzt ein bisschen abstrakt, aber du gehst eigentlich vom Kleinen ins Große und umgekehrt. Also das heißt, du fragst dich eigentlich runter und dann genau, bist du dann bei Teamentwicklung, Organisationsentwicklung. Irgendwie kommst du da immer so schrittweise hin. Nie im Großen, im ersten Schritt, sondern immer erst punktuell. Aber ja, das fügt sich dann zu einem Gesamtbild.

00:14:14: Bei dem Beispiel, das du eben genannt hast, also Einkauf, also eCommerce will Produkte verkaufen, Einkauf hat sie aber nicht da. Da könnte man ja in einer traditionellen Organisation, im klassischen Denken auf die Idee kommen, da brauchen wir einen Projektmanager, also einen, der das hier auch managt, damit hier die zwei reden. Also, wie oft bist du selber so in der Situation? Weil natürlich, wenn du so denkst und arbeitest, hast du natürlich wahnsinnige Geschwindigkeit, weil alles andere, also Systeme schaffen, Prozesse etablieren, dass sowas dann überhaupt auch mal autark ohne die stattfindet, ist natürlich deutlich langwieriger. Also, wie sehr erlebst du dich da selber? Bist du da sehr konsequent? Ich sag mal eher so auf der [Schiene], "Leute wir digitalisieren, ich coache euch, wir bauen hier an einem Gesamtprozess." ohne in diese Falle zu tapsen, ich werde hier irgendwie zum Projektmanager.

00:15:06: In die Falle tappt man früher oder später immer mal wieder. Aber wenn du halt sehr, sehr transparent damit umgehst. Also, wie mache ich das? Ich versuche immer schon relativ frühzeitig zu sagen, was meine Rolle ist und was meine Erwartungshaltung ist, und dann klappt das eigentlich immer ganz gut. Also, ich sage das schon relativ frühzeitig, "Passt mal auf, wir sprechen jetzt darüber, ich helfe euch die ersten zwei Runden, aber dann bin ich raus. Spätestens in der dritten Runde übertragen wir das Ganze dann wieder auf euch und dann verschwinde ich. Und dann dürft ihr mich nochmal fragen, wenn ihr irgendwie adjustieren wollt, ein Problem habt oder so." Das funktioniert eigentlich ganz gut. Das habe ich am Anfang echt... Den Fehler habe ich sehr oft gemacht und dann bist du nämlich genau gefangen. Dann liegt nämlich alles bei dir. Du bist der Problemlöser, aber das willst du ja eigentlich gar nicht. Du willst ja, dass die Teams miteinander die Probleme lösen. Da muss man am Anfang sehr viel lernen. Nämlich im Sinne von, es liegt bei mir, also Lernen durch Schmerzen. Aber dann, wenn du am Anfang sehr schnell die Erwartungshaltung klar machst und auch sagst, was ist meine Rolle und was ist sie nicht, dann funktioniert das eigentlich ganz gut. Aber es funktioniert auch nur dann, wenn du mit den Menschen halt dementsprechend sprichst und sie auch da abholst, wo sie stehen. Weil viele haben von so einer Arbeitsweise noch gar nichts gehört. Und da musst du halt immer mal auch ein bisschen erklären. Mit dem einen weniger, dem anderen mehr. Und dann ist eigentlich der vierte Punkt. Das hat auch ein bisschen was mit dem Mindset am Ende des Tages zu tun. Viele finden das gut, aber es gibt auch genug Leute, die das ganz cool finden, wenn da immer jemand ist, der einem das vorturnt.

00:16:47: Du bist ja dann in so einer Rolle ein wahrer Tausendsassa. Du bist ja nicht nur auf einer fachlichen Ebene derjenige, der Digital, IT, Digitalisierung gut versteht, sondern du bist ja da auch in einer ja fast schon einer coachenden und befähigenden Rolle. Das ist übrigens ein Spannungsverhältnis, wo ich schon oft gesehen und beobachtet habe, dass sich Leute in solchen Führungsrollen darin zerreiben. Ja, weil sie überhaupt nicht... Also sie kriegen die fachlichen Themen nicht voran, weil sie so sehr mit diesen, ich sag mal, mit diesen kulturellen, organisatorischen Themen beschäftigt sind, dass sie keine Meter machen und am Ende des Jahres da stehen, nur beschäftigt waren, aber eigentlich gar nichts erreichen konnten, weil sie nur auf dieser anderen Ebene gearbeitet haben. Kriegst du denn da auch Unterstützung von, keine Ahnung, von eurem Personal, People Culture, wie auch immer ihr das nennt?

00:17:41: Ja. Also, erstmal ist unsere Organisation nicht so groß. Das kommt mir natürlich sehr zugute.

00:17:46: 100, 150 Mitarbeiter ungefähr, ne?

00:17:48: Genau, genau. Und nicht mit allen 150 arbeite ich. Also, es sind vielleicht 20, 30 so. Und immer in wechselnden Rollen. Und dann gibt es natürlich auch Teamleads und die sind dann befähigter als die einzelnen Teammitglieder und so. Also, die Zusammensetzung macht es dann auch so ein bisschen. Aber ja, es gibt Unterstützung und auf der anderen Seite ist es ja auch ein bisschen so, dass es halt über Themenfokus geht. Also, ich habe den Fokus von, sage ich mal, vier Themen, mehr kannst du... mehr traut man sich da nicht zu, weil sonst verzettelst du dich. Und wenn du an diesen vier Themen arbeitest und dann das darauf anwendest, dann funktioniert das schon. Wenn du jetzt das auf 20 Themen anwendest, ja dann, dann gehst du unter. Das funktioniert nicht ohne Unterstützung. Und da ist Fokus ein ganz wichtiger Punkt. Da gehört sehr viel Disziplin auch dazu und auch immer wieder Abstimmung. Also, Selbstabstimmung, dass du halt immer in deinem Fokus wieder bleibst und dann funktioniert das. So kriegst du Themen auf die Straße. Ansonsten hast du ganz viel Thermik erzeugt, aber kein Fortschritt. Und das hilft nichts. Also, so ein bisschen wie so ein Schaukelpferd. Dann sitzt du da und ruckelst und es geht nicht nach vorne. Und zu all diesem Selbstverantwortlichkeitsthema kommt halt trotzdem immer dieses Thema Fokus zu. Und da muss dann auch manchmal einfach eine Ansage her. Das hilft halt nichts, aber das ist auch okay. Das ist dann auch in dem Kontext gewünscht. Also, eine gewisse Art von diktatorischer Akt - ich weiß gar nicht, ob man das so sagen kann - ist da nötig, ja.

00:19:21: Bei uns sagen wir, klassische Verfügungs- und Entscheidungsmacht. Oder, mir hat da jemand gesagt, glaube ich, so schön...

00:19:27: Aber sehr punktuell! (lacht)

00:19:28: Ja. (lacht ) ...wer Macht hat, kann auch was machen.

00:19:33: Richtig. Aber ich bin auch ganz dankbar. Also, der Florian Braun macht das auch mit und wir machen das zusammen auch ganz gut. Also, wir ergänzen uns da sehr gut und das ist schön, dass wir das so gut machen. Das ist schon gut.

00:19:47: Ja, Stichwort Verfügungsmacht oder auch mal ein Machtwort. Ich finde es übrigens gar nicht schlimm. Also, ich habe schon viele Organisationen erlebt, wo... Oder andersrum, ich glaube, es würde uns aber heute zu weit weg führen, dass viele Unternehmen, vielleicht kommend aus einer Situation, wo wirklich nur das Machtwort da war, jetzt auf diesen anderen, auf die dieses andere Extrem fallen, zu sagen ja, es es muss nur noch alles partizipatorisch gelöst werden, also nur noch alles demokratisch. Und das ist natürlich... Also weder das eine noch das andere. Das heißt, man braucht irgendwo eine gute Balance.

00:20:28: Genau. Also, es ist ja wie die Lehre. Also, die Lehre, eine Lehrmeinung ist nie eine Blaupause. Also, du musst es ja immer auf den Use Case adjustieren. Und es funktioniert in einem Unternehmen so und im anderen so und ich glaube, es liegt auch immer an den Menschen, die das machen. Und ich glaube, es ist wichtig, einfach da einen guten Blick für den Mensch oder die Menschen zu haben, zu verstehen und zu fühlen, was funktioniert in der Situation und was braucht es auch? Was brauchen diejenigen dann? Nicht jeder braucht das Gleiche und das ist auch super anstrengend. Aber es bringt auch irgendwie Spaß, den richtigen Mix herauszufinden.

00:21:02: Wie wichtig würdest du insgesamt diese Einbindung auch, das hört sich ja bei dir nach einer sehr starken Einbindung auch des Eigentümers an, der gleichzeitig wahrscheinlich auch Geschäftsführer ist. Wie wichtig schätzt du das ein auf einer Skala 1 bis 10?

00:21:17: Ich würde schon sieben sagen. Es ist total wichtig, weil er steht für das Unternehmen, hat die Vision und die ist echt cool. Und man muss dazu sagen, das Unternehmen gibt es auch schon seit 1880. Ich glaube, PR würde mich jetzt... Aber ungefähr. Also sehr, sehr alt. Ein Heritage House, sagen wir immer. Und das ist total wichtig, dass es mit eingebunden ist, dass es abgestimmt fungiert, dass es in dem Willen geht. Also, ich finde es immer wichtig, dass derjenige dann auch dahintersteht sonst funktioniert das, finde ich, auch nicht.

00:21:51: Sonst ist es eben genau an diesen Punkten... Und ich meine, du kommst ja in so eine Digi... Also erstens ist digitale Transformation so vielschichtig, dass du auch irgendwo ganz oben in einer Unternehmensspitze, sag ich mal, angesiedelt sein musst, damit du überhaupt diese auch ganzheitliche Betrachtung ein Stück weit auch überhaupt einnehmen kannst. Und zweitens gibt es immer Entscheidungssituationen, da kommst du mit der funktionalen Sichtweise und den Abteilungen einfach nicht weiter, weil das ist völlig normal, dass sich durch Digitalisierung da auch mal Situationen ergeben, wo du sagst,das kann ich jetzt nicht dem System überlassen, das ist einfach ein Entscheidungspatt. Und da brauchst du abgeleitet aus einer klaren Strategie auch mal eine Entscheidung und die muss dann halt gefällt werden, sonst drehe ich mich Monate oder sogar Jahre im Kreis und komm keinen Meter nach vorne.

00:22:47: Absolut. Und gerade auch... Also, der CEO und das ist der Florian Braun, muss immer der Erste in der Digitalisierung sein und von dem muss es ausgehen. Und ich helfe da mit. So. Und so sehe ich das auch und ich unterstütze das. Ich habe meine Expertise in der Richtung und wir sind da auf der Höhe da auch im Austausch. Aber wenn die Digitalisierung und der Gedanke und das Wollen nicht von ihm kommen würde, dann wäre meine Rolle nicht meine Rolle, so ne. Und von daher sehe ich das genauso.

00:23:18: Jetzt hast du zwei, dreimal das Wort Digitalisierung benutzt. Hast du für dich eine Definition, wie du Digitalisierung und digitale Transformation, wie du das unterscheidest?

00:23:30: Also Digitalisierung ist für mich quasi Prozesse und Abläufe und digitale Transformation ist das Ganze. So und ich glaube und da gilt halt, dass Mensch, Organisation, Technik, das gehört da alles rein für mich in die Digitale Transformation. Und Digitalisierung an sich sind die Prozesse und die Technologie dahinter. Ich glaube, so kann man es vielleicht abgrenzen. Ich suche immer nach der perfekten Definition, aber das ist für mich gerade so die in mir so resümiert und sagt ja, okay, das passt für mich.

00:24:01: Das finde ich auch. Definiere ich ähnlich. Also, Digitalisierung eine sehr starke prozessuale, technische Betrachtung und auch sehr stark, Digitalisierung, finde ich immer im heutigen Geschäftsmodell verhaftet. Also, ich tue Dinge primär mit dem Ziel, effizienter, kundenfreundlicher zu werden und die Dinge irgendwie ein bisschen schneller, ein bisschen besser zu machen, als sie heute sind.

00:24:27: Ich finde auch, dass man das Augenmerk - entschuldigung - vielleicht auch mehr auf die digitale Transformation als auf die Digitalisierung setzen sollte. Weil es wird immer viel von Digitalisierung gesprochen. Ja, okay, ist ein kurzes Wort, aber ich glaube, digitale Transformation ist davor. Und dadurch entsteht dann auch Digitalisierung. Und das ist eine Sache, die ist halt vielschichtig und die muss alle mitnehmen und dann ist das Ganze auch irgendwie erfolgreich.

00:24:55: Ich mag dieses Bild von der Raupe und dem Schmetterling sehr gerne. Mit der Digitalisierung, da bleibst du nach wie vor die Raupe. Du bist vielleicht ein bisschen schneller, ja, vielleicht auch viel schneller, manchmal auch nur fetter, je nachdem, wenn du schlecht digitalisierst, oder technische Schulden aufbaust. Genau. Aber ein Schmetterling wird da nicht aus dir. Der wird nur dann aus deinem Unternehmen... Also, dieses Bild des Schmetterlings, das sind ja auch mal neue Aussichten. Ich bin ja viel beweglicher, ich kann auch auch mal auf ganz andere Wiesen fliegen. Das setzt halt voraus, dass ich mich überhaupt auch mal frage, wie wollen wir eigentlich zusammenarbeiten? Wie wollen wir als Organisation funktionieren? Wie gelingt es denn überhaupt, dass wir auch schneller, agiler werden, vielleicht sogar auch ein Stück innovativer? Das ist ja erst recht, wenn du dir anguckst, unter welchem Margendruck manche Geschäftsmodelle stehen, da braucht es vielleicht auch mal den einen oder anderen innovativen Ruck.

00:25:54: Absolut. Kann ich so bestätigen. Und deswegen mag ich dieses Bild auch.

00:26:00: Dann haben wir ja eine Definition gefunden.

00:26:00: Ich denke auch. Ich finde dieses Bild mit der Raupe und dem Schmetterling echt gut. Ich glaube, das würde ich mitnehmen und öfters mal benutzen.

00:26:07: Sehr schön. Dann zum Abschluss, was würdest du einem Unternehmen in eurer Größe, also wie gehe ich vor? Wenn ich Eigentümer Geschäftsführer bin oder vielleicht sogar in einer ähnlichen Rolle wie du? Wie gehe ich vor, wenn ich mir dieses Thema Digitale Transformation, Digitalisierung mal überhaupt vorknöpfen will und das angehen möchte?

00:26:28: Im Allgemeinen, oder?

00:26:31: Gerne im Allgemeinen.

00:26:33: Okay. Ich glaube, zum einen würde ich auf mein Geschäftsmodell gucken. Und was ist meine Vision für die Zukunft dahinter? Und in welchem Kontext gilt das für mich in Richtung zur digitalen Transformation? Ich glaube, das ist erstmal die erste Frage, die ich mir stellen würde. Und wie würde ich denn vorgehen, wenn ich mir sie beantwortet hätte? Ich würde erstmal ins Unternehmen gucken. Also, was habe ich schon für eine Befähigung in meinem Unternehmen, für diese Richtung, für diesen Weg, den ich gehen will? Und wenn mir da was fehlt, dann würde ich mir einfach Hilfe von außen holen. Und ich glaube, ich würde immer nach jemandem suchen, der sowohl Technologie versteht, weil die brauchen wir dafür, aber der auch quasi Menschen und Systeme versteht. So, und wenn ich so jemanden gefunden habe, mit dem würde ich dann arbeiten und dort erstmal an der digitalen Vision arbeiten und dann versuchen, die Stück für Stück in mein Unternehmen zu bringen. Und da würde ich halt immer mit meinem Unternehmenssystem, also, wie arbeite ich und wie will ich in der Zukunft arbeiten, anfangen. Dann würde ich mir die Prozesse angucken und dann am Ende würde ich mir dann überlegen, okay, was brauche ich dann für coole neue fancy Tools?

00:27:57: Also, immer erst der Mensch und die Organisation vor der Technik. Kann man das so zusammenfassen?

00:28:04: Ja, weil das komplexeste ist eigentlich die Organisation, weil die Technik ist ein Abbild meiner Organisation am Ende. So, ich glaube, da kann man auch ein Bild bemühen. Also, so Warenwirtschaftssystem ist immer so die Kür der IT, glaube ich, so ein Warenwirtschaftssystem einführen oder ausbauen. Und in der Vergangenheit wurde das halt immer so gemacht, dass man die Systeme über die Organisation gestülpt hat. Und das ist meistens gescheitert, weil du dann irgendwann ganz viel Geld ausgegeben hast und alles auf dich gecustomised hast. Und wenn du halt sagst, okay, ich weiß jetzt, wie wir funktionieren und dann suche ich mir danach ein System aus, ohne das umzubauen. Das macht es einfacher und dann lege ich auch Geschwindigkeit zu. Und deswegen würde ich immer erst mal gucken, was ist denn da? Wie funktioniert denn das?

00:28:50: Da brauche ich ja schon eine gute, auch hier eine gute Balance aus "Wie arbeiten wir heute?" und "Wie funktioniert ein digitales System?". Und dann auch hier eine gute Symbiose suchen. Ich glaube, es funktioniert weder aus der Haltung, aber so ist unser Ablauf und wir dengeln das in irgendein System (customisen) und wir wissen nicht was wir tun. In zwei Jahren kann das Ding keiner mehr warten, geschweige denn, dass wir updaten können. Und genauso wenig funktioniert es von der Seite, ja, hier ist der Standard, richtet euch danach. Also, da brauchst ja auch je nach Unternehmensgröße eine extrem gute Balance, ein bisschen Denkarbeit, wie man jetzt die Organisation, Abläufe und digitale Systeme optimalerweise miteinander verzahnt.

00:29:34: Genau. Am Ende ist es immer eine Kombination und immer die Frage was braucht wie viel von welchem? Aber ich glaube, ich würde immer erst mit der Organisation, den Menschen anfangen, weil das ist immer das Schwerste.

00:29:47: Sehr schön. Haben wir irgendwas vergessen, was dir noch auf dem Herzen liegt, von dem du sagst, nach der halben Stunde sollten unsere Hörer das Folgende mitgenommen haben?

00:29:58: Ich glaube, mir ist einfach nur mal wichtig zu sagen, dass es glaube ich in solchen Prozessen total wichtig ist, dass Technologie und Geschäft sich versteht. Das ist für mich immer so eine Superpower, weil wenn IT und Marketing eine Sprache sprechen und da jemand übersetzt, dann entstehen auch große Dinge und das kann man jetzt auf alles andere übertragen irgendwie. Ich glaube, das wäre mir wichtig, wenn das mehr in den Vordergrund rückt, dann wird auch vieles viel schneller vorangehen.

00:30:30: Da wäre viel erreicht, wenn sich digitale oder auch IT-Kompetenz auf der einen Seite und - ich nenne es immer dieses neue Wissen, digital und IT - und auf der anderen Seite dieses alte Wissen, das muss sich irgendwie auf Augenhöhe treffen, sonst funktioniert das nicht. Das war doch ein schönes Schlusswort.

00:30:48: Das sehe ich auch so, das war cool.

00:30:51: Fabian. Vielen Dank. Bis zum nächsten Mal.

00:30:55: Vielen, vielen Dank. Danke, dass ich hier sein durfte.

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