#31 - Agilität und Fußball mit Carsten Rausch

Shownotes

Carsten Rausch ist Business Coach für agiles Arbeiten bei einem der Top 5 Pharma Konzerne. Im Podcast sprechen wir darüber, wie Du agiles Arbeiten mit Metaphern aus der Fußballwelt erklären kannst.

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00:00:09: Wir haben auch im Fußball viel weniger starre Hierarchien, viel weniger Klarheit, viel mehr VUCA. Und das muss man abbilden, indem man sich nicht nur um eine Position kümmert, sondern auch Rollen verteilt innerhalb der Mannschaft.

00:00:23: Carsten Rausch ist Business Coach für agiles Arbeiten bei einem der Top fünf Pharmakonzerne. Im Podcast sprechen wir darüber, wie du agiles Arbeiten mit Metaphern aus der Fußballwelt erklären kannst. Carsten, herzlich willkommen zurück!

00:00:37: Hallo, Andreas.

00:00:39: Letztes Mal haben wir uns ja so ein bisschen auf die Fährte begeben, Fußball und Agilität. Wie kann man eigentlich das eine mit dem anderen vergleichen? Also, ich selber bin begeisterter Fußballer, zumindest Zuschauer. Ich habe ja einen Sohn, der sehr ambitioniert spielt. Deine Erfahrung, dein Link zum Fußball? Wie ist der?

00:00:55: Ich habe tatsächlich früher Tischtennis gespielt. Also, das war so meine Sportart. Ist auch so recht intensiv, natürlich auch ein bisschen Fußball. Und jetzt über meinen Sohn auch, der ist acht, über den Kinderfußball reingekommen, angefangen mit einem Kindertrainer-Zertifikat, dann jetzt mit der C-Lizenz. Und ja, einfach die Kids ein bisschen trainieren, dass sie Spaß haben.

00:01:18: Sehr gut. Das heißt, wir arbeiten uns heute mal ab an verschiedenen Überlegungen, was wir aus der Welt des Fußballs zumindest so metaphorisch vielleicht für das Arbeiten in agilen Strukturen und Rollen verwenden können. Und beides ist ja - also, Business, sowohl Arbeitsumgebung als auch Fußball - ist ja sehr komplex. Also Fußball, wir spielen das mit einem Körperteil, den Füßen, wo der liebe Gott uns, glaube ich, erstmal die Hände geschenkt hat, damit wir da irgendwas mit tun können. Es ist hochdynamisch, ja, gerade im Leistungsbereich. Es geht sehr schnell. Spieler müssen schnell entscheiden, müssen körperlich sehr fit sein. Und ich glaube, deswegen kann man diese Metapher ganz gut auch verwenden. Und wir schauen jetzt einfach, welche Gemeinsamkeiten uns aus der Fußballwelt und den agilen Arbeitsweisen auch, welche funktionieren und welche vielleicht nicht so gut funktionieren. Wann hast du denn das letzte Mal eine Fußballmetapher in deinem Business Coaching / in deinem Kontext verwendet?

00:02:17: Das war tatsächlich so vor zwei Wochen. Da war ich in Marokko und habe das afrikanische Leitungsteam gecoacht bei deren Reise. Und da ging es darum, die haben sich eine Organisationsform gewählt, die so ein bisschen in Chapter / Networks ist - also ein bisschen das Spotify Modell - und es Diskussionen gab, wer macht denn jetzt was und "Aber ist das nicht wichtiger oder das wichtiger?" oder dann eben "Ja, wenn wir das machen, dann bringt mir selber das ja nichts." und dann habe ich die Metapher gewählt von Thierry Henry. Der hat mal in einem Interview erzählt, dass er als sehr, sehr erfolgreicher Stürmer von Arsenal zu Barcelona gewechselt ist und da auf Pep Guardiola getroffen ist, der ihm seine Spielform dargestellt hat. Und dann war Thierry Henry nicht begeistert, weil er meinte, "Aber dann renne ich ja 80 % der Zeit ins Leere." Und daraufhin meinte Pep Guardiola, "Ja, aber du reißt damit den Raum auf, in den Andrés Iniesta vom Mittelfeld aus vorstoßen kann, um das Tor zu schießen." Und so ein bisschen dieses, ja, wir haben alle unser Incentive System und klar muss ich als Chapter irgendwelche Dinge erreichen, aber wenn ich meinem Network nicht helfe, die Tore zu schießen und den Customer Value zu bringen, dann bringt uns das allen nichts. Und das war die letzte Metapher, die ich so verwendet habe, tatsächlich.

00:03:30: Das ist ja auch, glaube ich, die Situation, wo wir uns dann alle vorm Fernseher drüber aufregen und sagen, der hätte doch jetzt einfach mal rüberlegen können. Stattdessen sucht er selber den Abschluss. Versucht man dann mit zu entschuldigen, ja, ist halt ein Stürmer, muss er doch. Heißt, er hat sein eigenes Anreiz und Incentive System. Also ist lustig, dass wir uns vor dem Fernseher schnell mal darüber aufregen, aber vielleicht dann auf die Arbeit gehen und irgendwie komplett das Gegenteil machen. Nämlich uns nicht in den Dienst der Mannschaft zu stellen, sondern irgendwie unsere eigenen Ziele verfolgen. Also nach dem Motto, Hauptsache ich habe gescored, auch wenn wir fünf zu zwei verlieren, ich habe zwei Buden gemacht, das ist doch die Hauptsache.

00:04:04: Ja, weil in der Firma ja der Assist nicht gezählt wird.

00:04:08: Ja, ganz genau. (lacht) Es gibt keine Assist Tabelle. Ja, und mittlerweile zählen wir im Fußball ja auch den Pass vor dem Assist, ja. Also vielleicht brauchen wir einfach andere Metriken im Business und nicht nur die Assists, ja. Sehr gut. Oder bzw. die Tore. Im Business kann man sagen, werden eigentlich nur Tore gezählt. Im Fußball sind wir mittlerweile deutlich schlauer und weiter und zählen den Pass vor dem Assist, den Assist oder auch - es gibt da so eine interessante Metrik - wie viel Spieler des Gegners ich mit meinem Pass überspielt habe.

00:04:39: Genau.

00:04:40: Also, erste Erkenntnis. Wir sollten uns aus dem Fußball bessere Metriken für die Steuerung und Führung unseres Business abgucken. Das ist doch schon mal eine sehr schöne Erkenntnis. Wenn wir jetzt mal so auf Strukturen und Rollen gehen, das hat ja nun Julian Nagelsmann auch vor der EM mit Bravour gemacht, den Leuten relativ klar zu erklären, auch was ihre Rolle ist und was sie für eine Aufgabe innerhalb der Mannschaft haben. Ich würde da mal einsteigen mit so einem einfachen Übersetzungsspiel. Wir leihen uns mal ein paar Metaphern aus der Scrum Welt. Wer ist denn der Product Owner beim Fußball?

00:05:20: Also für mich ist es der Trainer. Das ist die Person, die das Stakeholdermanagement macht, die das Backlog füllt. Die ja auch quasi so die Anleitung gibt und die natürlich am Ende, also der oder die Trainerin am Ende exponiert ist, wenn es nicht so klappt.

00:05:42: Die Mannschaft dann entsprechend. Also nicht die Mannschaft, den billigen Claim vom DFB wollen wir uns nicht leihen, sondern ich meine die elf Leute und der Kader.

00:05:51: Das ist ja im Englischen auch wunderschön schon als Squad beschrieben. Von daher würde ich da einfach bei der Squad bleiben.

00:05:58: Wer ist der Scrum Master?

00:06:00: Ja, der ist vielleicht nicht so eindeutig im Fußball. Ich glaube, es gibt da in verschiedenen Situationen verschiedene Leute, die diese Scrum Master Eigenschaften haben. Das sind die Co-Trainer beim Training oder auch wenn eine Mannschaft aufs Spielfeld läuft vor dem Spiel, dann siehst du ja die Athletiktrainer, die Co-Trainer, die mit den Mannschaftsteilen noch mal entsprechende Übungen machen. Es ist aber, glaube ich auch, da sind auch andere noch, die um die Mannschaft herum sind. Sei es Teambetreuer, vielleicht sogar Köche / Köchinnen. Also Leute, die nah an der Mannschaft dran sind und helfen, da die Mannschaft in eine Richtung zu leiten, je nach Kontext.

00:06:40: Also die sich gar nicht unmittelbar direkt Einflussnahme auf das Spiel haben, wie jetzt der Product Owner bzw. Trainer, sondern die der Mannschaft eigentlich je nach Kontext helfen, einfach noch besser zu performen.

00:06:52: Genau.

00:06:53: Was ist mit... Wer sind denn die Kunden?

00:06:55: Kunden sind Sponsorenmitglieder, die Zuschauer, die Fans... ja, genau. Für die muss es gut werden.

00:07:07: Was machen wir mit dem Management? Die sitzen ja im Fußball leider Gottes sprichwörtlich nur auf der Tribüne. (lacht)

00:07:14: Eben, eben. Manchmal eben auch nicht.

00:07:16: Stimmt. Manche sitzen auf der Bank mit rum. Ja, genau.

00:07:19: Der Hoeneß hat ja ewig auf der Bank auch mitgesessen. Immer nah dran. Das sind Stakeholder und das ist ja auch okay. Sind vielleicht interne Stakeholder auch eher. Und das ist auch gut, wenn sie mal näher dran sind oder mal weiter weg sind. Perspektivwechsel, ja.

00:07:36: Ja, wenn wir es schon von Rollen und Strukturen haben, ich meine, wir sind ja beide in dieser Zeit groß geworden, da gab es noch den Libero und den Vorstopper.

00:07:43: Genau.

00:07:44: Also, es gab klassische Positionen. Oder man könnte auch sagen Stellenbeschreibungen. Und wenn man sich so ein Spiel aus den 70ern mal anguckt, hat man auch das Gefühl gehabt, die stehen echt auf der Stelle.

00:07:55: Ja, genau.

00:07:56: Andere Übertragungsrate damals, die hatten noch kein DSL und 5G und was weiß ich vielleicht. (lacht) Und im modernen Fußball hat sich das ja weggewandelt von "Ich habe eine Stelle" hin zu "Ich habe eine Rolle auf dem Feld", also sehr deutlich, deutlich dynamischer. Wie siehst du das?

00:08:15: Ja, absolut hundertprozentig Agreement. Ich meine, es versteht ja dann auch keiner mehr, was eine hängende Neun oder eine falsche Neun oder eine hängende Zehn oder eine flexible Acht ist. So am Ende ist es ein Mittelfeldspieler oder Spielerin, die selber in der Lage sein müssen, in dem Moment Entscheidungen zu treffen, was sie jetzt tun, wo sie hinlaufen. Ich finde es auch gut, dass der Nagelsmann sich das abgeschaut hat vom Basketball, von den Basketballtrainern, Rollen vorher zu definieren und den Spielern das auch klar zu kommunizieren, was von ihnen erwartet wird. Es ist natürlich auch klar, dass ein Innenverteidiger nicht irgendwie bei der EM die Rolle Stürmer bekommen wird oder die Position Stürmer bekommen wird. Aber die Rolle in der Mannschaft wird trotzdem eine wichtige sein. Und der hat es ja mal ausprobiert, den Havertz auf linker Verteidiger zu stellen, also die Position zu verändern, weil er wusste, die Rolle, die der Havertz spielt in der Mannschaft ist wichtig, den muss ich da irgendwie mit integrieren. Das hat auch nicht so super funktioniert, fand die Idee aber mal gut, das einfach mal auszuprobieren. Von daher glaube ich auch, dass das ein Übertrag ist. Wir haben auch im Fußball viel weniger starre Hierarchien, viel weniger Klarheit, viel mehr VUCA. Und das muss man abbilden, indem man sich nicht nur um eine Position kümmert, sondern auch Rollen verteilt innerhalb der Mannschaft.

00:09:38: Man sieht ja auch heute, also, ich meine aus der... Wenn in der Übertragung am Anfang die Aufstellung eingeblendet wird. Also, es ist ja wirklich nur der Versuch, mal ein Bild davon zu geben, wo sich Spieler in etwa aufhalten. Also, das wird eher in der vertikalen Orientierung, also von hinten nach vorne noch am ehesten vielleicht auffallen. Aber wenn man sieht, wie weit sich ein Kroos zurückfallen lässt im Spielaufbau, der spielt ja eigentlich IV, Innenverteidiger, in dem Moment. Wenn man sieht, wie Leute, die auf den Außen liegen, die Linie rauf und runter marschieren. Wenn man sieht, wie Leute auf den außen eher zentral oder eher offensiv orientiert sind, Seitenwechsel. Die sind ja ständig in Bewegung.

00:10:22: Ja. Und da gehört aber eine gewisse Intelligenz und auch Reife irgendwie so dazu. Das heißt, jetzt mal übertragen auf den Kinderfußballer würde ich nicht versuchen, schon so früh in Rollen zu denken oder den Kindern irgendwelche Rollen zu geben. Das wäre fatal meines Erachtens. Und das sieht man auch bei manchen Vereinen, dass schon in der F-Jugend irgendwie ein Kind immer nur im Tor steht. Und es ist ganz wichtig, das zu wechseln, zu verändern. Während eines Turniers durchaus auch den Torhüter oder die Torhüterin immer mal wieder auszuwechseln, zu tauschen. Ich sage das, denn es ist ganz interessant. In Deutschland wollen alle Kinder irgendwie Torhüter sein. Ständig. Das ist in anderen Ländern nicht der Fall. Ich hab mich da mit anderen unterhalten. Und den Kindern zu erklären, aber auch der Manuel Neuer hat bis zur B-Jugend Stürmer gespielt oder im Mittelfeld oder so. Der kann einfach mit dem Ball auch umgehen und deswegen ist er so ein guter Torhüter, weil er diese Breite hat in der Erfahrung. Deswegen muss man beim Kinderfußball mit diesen Rollen und Positionen noch sehr vorsichtig sein.

00:11:26: Ja, ich merke das bei Meinem. Der ist ja jetzt zwölf, hat auf dem Außen angefangen, ist dann aber irgendwann in die Mitte gewandert. Also, so zentraler Sechser, Achter, ja. Eher aber defensiv orientiert natürlich als Sechser, aber auch als Achter. Also, er denkt eher defensiv. Und jetzt musste er mal fast eine halbe Saison, weil viele Verletzungen waren, in die Innenverteidigung rücken. Und der Trainer hat ihm immer erklärt und gesagt, "Hey, was dir das irgendwie für dein Spiel bringt..." Hat er nicht so gesehen, weil er auch noch als deutlich Jüngerer in einem älteren Jahrgang dann auf einmal mit Jungs zu tun hatte, die schon Oberarme hatten wie er Beine. Aber ja, also du brauchst ja auch einfach heute in der Unternehmenswelt, könnte man dann sagen, - wir reden immer über lernende Organisationen und weiß der Teufel was - du brauchst ja eine gewisse Flexibilität der Leute. Dass sie auch bereit sind, unterschiedlichste Rollen anzunehmen, ohne dass sie das mit einer Stelle verwechseln, also einer Position. Dass du eine gewisse Flexibilität auch im gesamten Mannschaftsgefüge oder in einem Unternehmen wieder hast. Weil das gibt ja dann wiederum einem Trainer auch mehr Gestaltungsmöglichkeiten.

00:12:41: Ja, und das ist immer wieder ein super spannendes Thema. Weil jetzt kommen wir in die Problematik von Silos in großen Unternehmen. Also bei uns ist es ein bisschen so, dass wir so - über Gigs kann man das steuern... Also, es gibt so ein Portal, da bieten andere Einheiten Gigs an, also sowas wie drei Monate, 40 % deiner Arbeitszeit, Unterstützung beim Launch von unserem neuen Produkt in dem und dem Land beispielsweise. Und da kann man sich dann eben auch drauf bewerben. Und das wird eigentlich auch gut gefördert von den Führungskräften, um genau das zu erreichen. Aber es ist natürlich auch ein bisschen eine Krücke, um das System zu verbessern.

00:13:20: Jetzt sind wir ja eigentlich auf den Podcast gekommen, weil du in unserer ersten Aufnahme, als wir über die Transformation im Allgemeinen und die Rolle von Product Owner gesprochen haben, meintest, Fußball macht Spaß, egal ob auf dem Bolzplatz oder der Champions League. Und was du ja damit, glaube ich, auch so ein bisschen meintest, - das kannst du mir gleich gerne noch widersprechen, wenn ich das falsch verstanden habe - dass ja im Kern, ein guter Fußballer eigentlich die Basics so ein bisschen auf dem Bolzplatz lernt. Und dass Unternehmen wiederum teilweise auf Champions League Niveau starten wollen, dabei aber vergessen, dass es um Basics geht. Also und die lerne ich wo? Auf dem Bolzplatz. Also, ein bisschen übertragen die Metapher, hey, ja, wenn dein Kind noch nie einen Ball hatte, versuchen ihn nicht direkt im NLZ anzumelden, sondern das erste Mal mit dem Ball auf dem Bolzplatz gehen und ein bisschen üben. Aber was sind denn die Basics, die wir Erwachsenen auf dem sprichwörtlich agilen Bolzplatz dann lernen sollten? Oder was lerne ich auf dem Bolzplatz als Fußballer, was mir später hilft und was sind daraus abgeleitet dann so die Basics, die ich als Arbeitnehmer / Mitarbeiter brauche, um überhaupt im agilen Kontext gut mitwirken zu können?

00:14:34: Auf dem Bolzplatz kann ich erstmal ausprobieren. Das ist ja auch Agilität. Ist ja nichts anderes als erstmal ausprobieren, gucken, was ist gut, was ist schlecht, was verändere ich jetzt? Wie adaptiere ich mich jetzt? Und das ist natürlich, wenn ich irgendwie gleich ein riesen perfektionistisches Rahmenwerk kreiere und jetzt einfach Leute einteile, die noch nie irgendwie im Fußball gearbeitet haben, aber jetzt sagen, so, jetzt kommst du in die Champions League Mannschaft, das ist ja offensichtlich, dass das nicht funktionieren kann. Du hast es, glaube ich, auch gesagt mit der Anzahl Ballberührung, die man hat. Also es ist ja auch wichtig, viel, viel zu probieren.

00:15:11: Es hat ja einen Grund, warum wir Fußballkonzepte verändern in der Ausbildung, schon der sehr frühen Ausbildung, - und da bist du ja unmittelbar drin - weil man eben gelernt hat, hey, offensichtlich entstehen gute Fußballer nur, wenn die A) dabei bleiben. Also, Frage / Challenge, wie können wir sie dabei halten? B) aber auch, wenn wir dafür sorgen, dass Kinder viel im Spiel eingebunden sind, viele Ballkontakte haben und auch dieses Denken, dieses zu frühe Denken in Positionen. Ich glaube, mittlerweile gibt es ja, also, es gibt viele Vereine, die bilden bis zu einem gewissen Alter gar keine Torhüter mehr aus, weil sie sagen, hey, ein guter Tormann, diese Sachen, die kannst du irgendwann lernen. Du musst das Spiel verstehen und musst daran mitwirken können.

00:16:00: Also, das Thema, was immer unterschätzt wird meines Erachtens, ist das Thema Basisbewegungen im Fußball. Wenn ich auf der Fußballseite mal einmal bleibe. Wenn ich mir anschaue, wie so ein Musiala dribbelt, dann ist es das, was der auch in England in der Fußballschule beigebracht bekommen hat. Basisbewegungen also. Der kann sich einfach den Ball hunderte Male problemlos zwischen beiden Füßen hin- und herspielen. Der kann auch auf beiden Füßen stehen, der schießt nicht immer nur mit einem Fuß. Also, seine Stabilität, Körperstabilität ist eine ganz andere. Und das vernachlässigen wir ganz häufig. Aber ich kann dir jetzt schon sagen, wenn du mir die fünf besten Spieler in einer E-Jugend zeigst, ich lasse die zwei, drei Übungen machen, dann kann ich dir schon sagen, ja, das wird was oder das wird nichts, weil die die Basisbewegung drauf haben oder nicht. Und genauso ist es auch im agilen Arbeiten. Es gibt einfach ein paar Basisdinge, die müssen funktionieren und die muss man auch gelernt haben. Das muss man auch können. Und wenn das nicht funktioniert, dann, dann...

00:17:01: Was zählst du dazu alles?

00:17:04: Das 'Wie mache ich eine Priorisierung?' 'Wie gehe ich mit einem Backlog um?‘ ‘Wie verhalte ich mich in meinen Meetings?‘ ‘Wie bereite ich meine Meetings vor?‘ Vor allen Dingen die agilen Meetings entsprechend. Also, das sind so Basisskills oder Basiskenntnisse.

00:17:25: Ich habe gerade einen Blog vorbereitet zu berufliche Handlungskompetenz und neue berufliche Handlungskompetenz, die man natürlich stark durch agiles Arbeiten irgendwie braucht. Und klar brauche ich methodische Kompetenzen. Aber wenn man das vielleicht mit dem Fußball vergleichen will, ist es eher so wie spielt meine Mannschaft, wie sind die Laufwege? Also, es ist ja, ne? Aber ich brauche ja auch sehr viel - und das meinen wir, glaube ich, vor allem mit Bolzplatz - so diese ganz grundlegenden persönlichen Kompetenzen, vielleicht auch gewisse soziale Kompetenzen, um es mal wieder in das Arbeitsfeld zu überführen. Und ich glaube, allein schon diese Idee, so auf einer sozialen Ebene zu sagen, ja, beim agilen Arbeiten auch gerade als Führungskraft geht es ja auch um die Befähigung von anderen. Also, ich habe wirklich Freude daran, wenn andere besser werden. Das dockt ja auch so ein bisschen an deiner ersten Metapher an, von der du erzählt hast, von Thierry Henry. Zu sagen, ich mache was, was dir selber nichts bringt, aber es hilft dem Team, es hilft der Mannschaft, macht in dem Moment andere besser, lässt andere glänzen. Und das sind ja aber auch persönliche Kompetenzen, wo ich wo ich sage, es braucht so eine gewisse, ja, ich weiß nicht, ob man das Resilienz nennen kann, aber ich darf keine Angst vor einer permanenten Veränderung haben. Ich muss gut mit Unsicherheit umgehen können. Ich glaube aber auch, dass eine gewisse Fehlertoleranz und auch der Umgang, Intuition, Emotion, dass das nochmal in einer neuen Arbeitswelt eine ganz, ganz andere Rolle spielt. Kommen wir mal kurz jetzt... Jetzt haben wir ja gesagt, naja, wir brauchen irgendwie Leute, die diese Bolzplatz Skills, sage ich mal, haben. Und jetzt bist du ja Fußballtrainer. Also, mal die Brücke ins Training. Wie baust du ein Training auf oder was machst du in dem Training?

00:19:13: Also, mein Training hat tatsächlich eine klare Reihenfolge. Wir starten, dass die Kinder erstmal ein bisschen spielen, dann mit Aufwärmspiel. Ziel ist, dass jedes Kind einmal eine Maximalgeschwindigkeit erreicht. Dann kommen tatsächlich die Basisbewegungen. Also, wir haben immer einen Block drin, wo wir neue Basisbewegungen üben mit den Kindern. Und dann geht es in die erste Übungsform rein. In der ersten Übungsform provoziere ich in meinem Training ein Verhalten, das ich später im Spiel sehen möchte. Und das mache ich dann in der Spielform anschließend, um das dann laufen zu lassen. Die Übungsform coache ich, da bin ich da. Da versuche ich wirklich, mit den Kindern das zu erarbeiten, sie mir auch zur Seite zu nehmen und zu coachen. Und wenn es dann in die Spielform geht, versuche ich mich sehr zurückzuhalten und einfach zu beobachten, vielleicht mal den einen oder anderen noch mal zur Seite zu nehmen und dann ganz am Ende machen wir noch mal freies Spiel. Das ist so das ganz klassische Aufbauen. Und dann habe ich halt ein paar Prinzipien, nach denen ich jedes Training überprüfe. Also Prinzipien sind, wir trainieren nur, was im Spiel auch vorkommt. Das ist ein Beispiel.

00:20:26: Wie wäre da deine... Was kann man jetzt aus so einem Prinzip fürs Business mitnehmen? Wir trainieren nur echte Situationen, die im Spiel auch vorkommen?

00:20:37: Also, um es einmal konkret zu machen. Ganz häufig sieht man ja, wie Trainer Hütchenreihe aufbauen, also ein Hütchen hinter dem anderen und den Kindern sagen, dribbelt da mal durch. Das ist natürlich völlig unrealistisch, weil die Gegenspieler werden sich nicht in Hütchenreihe aufstellen. Und dann dribbelst du durch die durch. Also, um irgendwie eine Ballführungsübung zu machen, ist das okay, aber als Dribbelübung ist es natürlich unsinnig. Deswegen lieber Dreiecke verteilen, verschiedenfarbige Dreiecke auf dem Spielfeld und dann zu sagen, so, da musst du jetzt durch, da musst du jetzt flexibel sein. Und übrigens, wenn schon ein anderer Spieler von dir in dem Dreieck drin steht, darfst du da nicht mehr rein. Also ich muss auch wahrnehmen, also ganz andere Dinge zu coachen. Das ist sozusagen jetzt mal ein Beispiel aus dem Fußballtraining. Konkret im Business, wir sehen es ja immer wieder, dass wir stundenlange Diskussionen haben, weil alles immer perfektioniert sein muss und weil wir versuchen, Dinge zu perfektionieren, zu definieren, von denen wir gar nicht wissen, ob sie überhaupt so eintreffen jemals. Also dieses extreme Planen. Ich habe grundsätzlich nichts gegen Planen, aber wenn man es so extrem macht und dann nicht einfach mal auch ausprobiert und einfach mal macht und dann eben sagt, so, wie ist denn die Situation tatsächlich? Was kann denn jetzt passieren? Was wird dann auf uns zukommen? Auch mal Worst Case Szenarien einfach mal kurz durchspielen.

00:21:58: Das wäre ja so, wie wenn ich auch im Fußballtraining versuchen würde, alle möglichen Spielsituationen vorwegzunehmen, was ja unmöglich ist, weswegen ich wieder so bei den lass uns die Basics trainieren, ja? Lass uns Handlungsgeschwindigkeit üben und lass uns nicht Dinge üben, die nachher so in der Realität bzw. im Spiel auch überhaupt nicht vorkommen.

00:22:23: Ja. Ein anderes Thema, was ich noch noch habe, ist so Hütchenfarben haben eine Bedeutung. Das hört sich erstmal blöd an, aber wenn ich jedes Mal beim Training, bei jeder Trainingsübung immer blau als Starthütchen nehme, gelb als da wo der Spielverlauf ist und rot, wo die Aktion stattfindet, dann muss ich den Kindern immer weniger erklären später. Die wissen einfach, ahja, die laufen automatisch zu ihrem Startpunkt und die wissen auch, ahja, da ist rot, da muss ich jetzt was machen und das übertrage ich auch gerne in meinen Alltag als agiler Coach. Dass ich versuche, diese Routinen oder diese äußeren Zeichen auch zu setzen und dass es immer so gleich aussieht, dass die Leader, die Manager, mit denen ich zu tun habe, dass die auch wissen, jetzt kommt wieder das oder ah, jetzt immer an dem Moment, das ist jetzt hier retro, ja, da muss ich mich so verhalten.

00:23:21: Ist ja eigentlich eine klare Bedeutungsgebung, wie jetzt hast du eben schon Retro gesagt, wo ja auch agile Rahmenwerke oft ansetzen und sagen, wir wollen jetzt - zumindest wenn es um unser Meeting geht - wir wollen jetzt nicht überlegen, was machen wir in einem Meeting? Meetings haben eine ganz klare Bedeutung und sind ja auch, wenn man mal in so ein Scrum Rahmenwerk guckt, ja auch eindeutig definiert, sogar auch zeitlich determiniert. Zumindest als Empfehlung. Und sagen, hey, wenn eine Planung länger als sechs Stunden dauert, dann stimmt wahrscheinlich was nicht. Gelbes Hütchen hat eine Bedeutung. Und das hast du mir auch im Vorfeld erzählt. Du hast doch ein lustiges Beispiel mit dem sprachlich, ja, das ist ja auch nichts anderes als Dinge brauchen eine Bedeutung, also eine klare Bedeutung und nicht eine ‘Wir überlegen uns jedes Mal was anderes‘. Mit dem Thema Seitenwechsel?

00:24:13: Das war so eine Erfahrung. Wir hatten einfach in Trainings das tatsächlich auch mal gemacht, so mit dem Thema, mit dem Thema Seitenwechsel. Und dann hat der Trainerkollege das dann im Spiel ausprobieren wollen und hat dann einfach reingerufen, "Seitenwechsel!" und meinte damit den Kindern, passt doch auf die andere Seite rüber, da steht einer frei. Und was aber passiert ist, dass alle Kinder aufgehört haben zu spielen und die Richtung getauscht haben, Also quasi in der Halbzeit einen Seitenwechsel gemacht haben.

00:24:43: Ich finde das herrlich. (lacht)

00:24:45: Ja, aber das ist genau... Du machst ja immer diese Sonnenübung und das ist genau das. Also, verstehen wir dasselbe?

00:24:55: Meistens eben nicht.

00:24:56: Genau! Und neulich kam ein Kind irgendwie zu mir und sagte, "Was meinst du eigentlich damit, wenn du sagst "Kopf hoch!"?" Für mich ist doch klar, was ich meine, wenn ich sage "Kopf hoch!", aber ich fand es erstens total cool, wenn die Kinder kommen und das irgendwie auch so schon anmerken, also, "Ich verstehe dich nicht, was willst du von mir?" Aber es zeigt natürlich auch noch mal, wie wir mit unserer oder wie ich jetzt in dem Fall mit meiner Sprache klare Ideen habe, was ich damit meine, das aber gar nicht so ankommt beim Empfänger.

00:25:26: Und also da sind ja Kinder herzhaft, also herzerfrischend naiv. Das ist ja auch ein - wie du sagst auch gerade - das ist nicht nur cool, das ist Mut, wenn Leute mal sagen, kannst du mir mal erklären, was du mit diesem Wort meinst? Und ich mache mir immer den Spaß, zu sagen, gib mir eine Gruppe mit zehn Leuten, lass sie eine Viertelstunde reden und dann fängst du einfach nur an, Fragen zu stellen. Was meinst du mit? Bist du den ganzen Tag beschäftigt. Weil diese gemeinsame Vorstellungswelt, was bedeuten denn rote Hütchen für uns? Gelbe Hütchen? Was meinen wir damit, wenn einer sagt "Kopf hoch!"? Der will mich aufmuntern? Oder meint er, ich soll echt den Kopf heben? Ja, und dann schlagen wir uns in der Geschäftswelt und der Arbeitswelt noch mit ganz anderen Begrifflichkeiten rum, wo jeder mit seiner lustigen eigenen Vorstellungswelt nach Hause geht und denkt, alle anderen denken doch genauso wie er. Rotes Hütchen ist doch relativ klar für uns, oder?

00:26:17: Ja, und wenn ich meine Situation einfrieren möchte, weil ich sagen möchte, guckt euch jetzt mal an, wie ihr euch gerade verteilt habt, habe ich am Anfang mal 'Stopp' gerufen und 'Stopp' hat auch schon wieder so eine... Das ist so, wie wenn Eltern ihre Kinder zur Ordnung rufen. Und das hat genau diesen Effekt auch im Gesicht der Kinder gehabt. Und ich war dann erstmal so, okay... Und dann haben wir uns besprochen und haben gesagt, naja, dann lass uns doch 'Eis' rufen. Also weil wir die Situation ja einfrieren wollen und das macht man dann drei, vier, fünf Mal und dann wissen die Kinder, was man meint und dann bleiben sie auch stehen, wenn man Eis ruft. Und dann kann man mit ihnen sagen, guck mal, wie wäre es denn, wenn du dich nicht versteckst da, sondern da die Linie hochläufst? Linie hochlaufen ist auch schon wieder so ein Begriff... (lacht)

00:26:59: Wie soll ich denn die hochlaufen? Was meinst du? Es geht doch geradeaus. (lacht).

00:27:03: Welche Linie? (lacht)

00:27:06: Ja, hochlaufen? Oder welche Linie? Ja. Ich finde das so ein schönes Beispiel, weil gerade das Beispiel mit dem Stopprufen auch die Emotionen, die das dann auslöst vielleicht bei einem Kind. Weil es Stopp in einem ganz anderen Kontext [kennt]. Eis ist vielleicht ein deutlich positiveres Bild und meine Lieblingsbeispiele sind ja auch immer dann zu sagen, naja, ihr wundert euch, dass die Leute nicht miteinander reden, aber ihr redet den ganzen Tag von Abteilungen, ihr benutzt kriegerische Begriffe wie die Deadline und ihr wollt Schnittstellen. Da haben sich Leute offensichtlich verletzt. Also diese sich mal bewusst zu machen, worüber du eigentlich redest und was das bei einem anderen auslöst.

00:27:50: Absolut. Führungskraft, Vorgesetzter, genau.

00:27:53: Genau, genau. Jetzt hast du ein sehr schönes Wort, das hast du auch vorhin schon mal genannt... Provokationsregeln. Das finde ich ja so schön, weil Regeln ja erstmal irgendwie... Es gibt hier eine Regel, ich weiß gar nicht, ist das neutral? Ich glaube, das bewertet jeder so ein bisschen für sich anders. Wie geht er mit dem Wort Regel um. Aber was ist eine Provokationsregel?

00:28:17: Eine Provokationsregel im Fußball ist, wenn ich eine bestimmte Situation provozieren möchte, also haben möchte, dass ich bestimmte Stellschrauben habe, mit denen ich das erreichen kann. Also wenn ich zum Beispiel möchte, dass die Kinder mehr den Fokus aufs Tor legen, dann kann ich mein Spielfeld statt in einem Viereck in einem Sechseck bauen. Dann habe ich schon mal keine Ecken mehr, in die irgendjemand reingedrängt werden kann. Also das heißt, ich kann meinen Raum definieren, ich kann das Spielfeld größer machen, kleiner, enger, breiter. Je nachdem, was ich brauche. Ich kann die Prozesse verändern, indem ich zum Beispiel sage, jeder muss einmal den Ball berührt haben. Oder indem ich irgendwelche Hütchenreihen einbaue und sage, da darf nicht drüber gespielt werden. Ich kann auch grundsätzlich die Verhaltensweise, die Anzahl der Spieler kann ich verändern, ich kann sagen drei oder vier oder fünf, je nachdem. Und so kann ich eigentlich Verhaltensweisen, Prozesse und Raum verändern durch meine Provokationsregeln. Und letzten Endes ist es ja auch nichts anderes als das, was wir ständig im Business machen. Bei einem Standup definieren wir den Raum, indem wir sagen, es sind 15 Minuten und wir stehen. Das sind klare Provokationsregeln, um ein Meeting kurz zu halten. Und ich sehe das ganz häufig und das finde ich auch gut, dass Leute sagen, ein Strategiemeeting machen wir mal woanders. Da gehen wir mal raus aus unserer Umgebung, irgendwo, wo es dann offener ist oder heller oder keine Ahnung. Das sind ja auch Provokationsregeln oder Provokationen, die man ganz gezielt macht.

00:30:01: Ich würde sogar sagen, jede Regel, die in einem Scrum Guide drin steht, ist im Sinne Provokationsregel. Also, ein Sprint ist zeitlich ja auch nichts weiter als eine Timebox. Die Anzahl der Leute in einem Team ist eine Provokationsregel, um sich nicht zu weit zu verlieren. Selbst die klare Benennung einer Rolle. Es gibt nur einen Product Owner in einem Team. Könnte man auch deuten als eine eine Provokationsregel. Also, ich mag das, weil es gibt auch einen sehr bekannten Talk vom Thomas Tuchel 'Ausbruch aus den Routinen'. Darin schildert er ja auch, wie er als Neuling nach der Übernahme der Profimannschaft bei Mainz 05 genau mit diesen Provokationsregeln eine gewollte Spielrichtung, also er hat, glaube ich zum Beispiel die Ecken abgeschnitten, um sein Team dazu zu provozieren, diesen Zug, diese Diagonale in die Tiefe zu suchen, hat er auf diamantförmigen Spielfeldern trainiert und nicht auf rechteckigen.

00:31:05: Genau das machen wir im Kinderfußball auch so, weil sonst bist du ständig in der Ecke irgendwie drin. Also je nachdem, was du halt üben willst.

00:31:14: Vielleicht sollte man Spielfelder beim Fußball einfach rund machen, dann haben wir das Problem gar nicht. (lacht) Ja, aber auch eine neue Spielform im Kindergrundlagenbereich, FUNiño, ist ja auch nichts anderes als eine positive Form der Provokation. Was will ich provozieren? Mehr Ballkontakte, mehr Bewegung, mehr Freude am Fußball. Dass die Kinder stärker eingebunden sind dadurch, dass ich Mannschaften auf drei Spieler, drei, vier, fünf Spieler reduziere.

00:31:43: Drei gegen drei im Kleinen.

00:31:45: Spielfeste organisiere, Tabellen rausnehme. Es ist ja alles Provokationsregeln.

00:31:51: Tabellen rausnehmen ist nicht wegen der Kinder, sondern wegen der Eltern. Also, die Kinder wissen ganz genau, wie es steht.

00:31:56: Aber auch eine Provokationsregel für Eltern.

00:31:58: Es ist für Eltern. Genau. (lacht) Für Eltern ist es auch provokant.

00:32:05: Wir verweichlichen unsere Kinder. (lacht)

00:32:07: Total. Ja, total.

00:32:08: Keine Tabellen mehr.

00:32:10: Ja, also ehrlich gesagt, die Kinder sind dann auch tatsächlich genervt, wenn es mal irgendwie nicht so erfolgreich war. Aber zehn Minuten später laufen die schon wieder freudestrahlend über den Platz und kicken weiter. Und dieses, ja, also muss man mal überlegen, was ist für die Eltern gut und was für die Kinder gut. Aber was ich noch mal sagen wollte zu den Provokationsregeln ist, dass, was ich da gerne immer wieder auch im Business anbringe, sind diese Thematiken Room to Maneuver, Freedom to Operate, Guard Rails... Bedeutet alles das Gleiche. Nämlich dass ein Leadership in der Verantwortung ist, diese Provokationsregeln oder diese Themen auch zu definieren, klar zu definieren.

00:32:51: Ja, oder andersrum, dass ich... Deswegen finde ich dieses Wort ja so schön. Regeln haben ja mitunter vielleicht in einem Business ist es ja oft möglicherweise eine sehr bürokratische Auslegung, die immer als eine Eingrenzung und natürlich ist auch eine Provokationsregel ist ja aber eine eine bewusste Eingrenzung, mit der ich aber ein gewünschtes Verhalten in die richtige Richtung lenken will. Und ich glaube, über gute Provokationsregeln nachzudenken ist keine einfache Aufgabe, aber ist vielleicht eine sehr, sehr wichtige. Ein weiteres Wort, was ja auch gerade im agilen Kontext - mal gucken, ob uns da die Brücke zum Thema Fußball oder wie sie uns gelingt - gerade im agilen Arbeiten reden wir dann immer alle von Empowerment und man muss die Leute befähigen, irgendwas zu tun. Hast du da eine Analogie? Wie passt das für dich mit Fußball zusammen?

00:33:47: Also zunächst mal möchte ich vorweg sagen, dass mir das Wort nicht unbedingt gut gefällt, weil Empowerment ja schon wieder bedeutet, dass mir jemand die Power gibt quasi. Also da hat jemand die Power, mir die Power zu geben, so ein bisschen, das würde ich nochmal immer hinterfragen und durchdenken. Aber wenn wir es mal nehmen, so wie es gemeint ist, hatte ich eben schon mal darauf hingewiesen in einer neuen Spielsituation mit hängender Neun oder hängender Acht / flexibler Acht, müssen die Spielerinnen und Spieler viel mehr selber entscheiden. Und das muss ich trainieren, das muss ich schon den Kindern beibringen. Und deswegen werden in diesem FUNiño Modell drei Sachen trainiert. Wahrnehmen, entscheiden und umsetzen. Ich muss wahrnehmen, wo gerade vielleicht ein Tor frei ist. Und wir kennen das ja auch bei Kindern. Wenn wir mit denen über die Straße gehen, dann sagen wir mal links, rechts, links gucken, weil Kinder ein anderes Wahrnehmungsfeld haben, rein visuell als Erwachsene. Und das muss ich denen anfangen beizubringen. Wenn ich auch Kopf hoch sage, dann möchte ich wahrnehmen, dass sie mehr wahrnehmen. Dann kommt das Entscheiden. Ja, ich habe es jetzt wahrgenommen, jetzt muss ich es irgendwie auch in meinem Kopf hinkriegen, dass ich sage, okay, was mache ich jetzt mit der Wahrnehmung? Wie reagiere ich darauf? Und das Umsetzen ist dann eben, dann kommt's in die Skills. Bin ich in der Lage, den Ball zu führen, dahin, wo ich ihn hinhaben will? Und diese drei Sachen, die üben wir eigentlich. Und letzten Endes ist Empowerment ja nichts anderes. Ich überlasse es meinen Mitarbeitenden, eine Wahrnehmung und Entscheidung und das Umsetzen selber zu machen. Und an keiner Stelle gehe ich hin und erzähle ihnen, wie es besser geht. Also ich kann es Ihnen erzählen, aus meiner Erfahrung heraus, aber möglichst ja, bin ich nicht direkt.

00:35:44: Hier schließt sich auch so ein bisschen der Kreis zu diese... Man kann den Kindern und möglicherweise auch generell im Fußball, aber mir blieb höherer Leistungsfußball verwehrt, deswegen ist es nur eine Mutmaßung. Die Abläufe an sich sind ja eben komplex. Deswegen kann ich auch immer nur wieder Dinge üben, um Kinder überhaupt oder auch dann vielleicht Mitarbeiter - um das auf die Arbeitswelt zu übertragen - um eben in diesen sehr komplexen und einer sehr dynamischen Situation gute Entscheidungen zu treffen. Also klar, es braucht ein paar Basic Skills wie, ich brauche einen guten ersten Kontakt. Ich muss natürlich auch mal mich richtig auf dem Platz bewegen. Ich muss natürlich Pass spielen können, Ball annehmen können. Ja, brauche ich alles. Aber das heißt noch lange nicht, dass ich in dem Moment dann eine gute Entscheidung treffe. Und ich glaube, wenn ich es richtig verstanden habe, darum geht es ja dann auch, die Kinder im Fußballtraining darauf vorzubereiten. Und das wäre dann auch eine passende Metapher für die Arbeitswelt.

00:36:43: Genau.

00:36:44: Sehr schön.

00:36:44: Und vielleicht ist es sogar in der Arbeitswelt ein Resozialisieren in die Kindheit, was wir da im Moment machen, wenn wir agil sind. Weil das haben sie teilweise durch das Schulsystem, durch das Universitätssystem oder Ausbildungssystem und dann durch das Sozialisieren in einer großen Firma oder in einer Firma wieder verlernt, selber wahrzunehmen, selber zu entscheiden und selber umzusetzen.

00:37:05: Carsten, ich weiß nicht, ob du das absichtlich machst, aber jedes Mal, wenn ich glaube, wir sind am Ende, kommst du wieder mit was Neuem, wo ich wieder sagen müsste, das wäre doch mal ein Thema für eine eigene Folge, oder? Aber für heute würde ich mal gucken, ob wir eine Schleife dran kriegen. Agilität und Fußball, wie passt denn das zusammen? Also, es ist beides ja irgendwie eine relativ komplexe Angelegenheit. Deswegen war die grundlegende Annahme oder Hypothese, das kann man gut miteinander vergleichen. Erste Einsicht, vielleicht brauchen wir einfach ein paar neue KPI, weil im Fußball haben wir die und sagen, wer ist denn eigentlich Assist? Wer hat denn die Bude gemacht? Wie war auch der Pass vor dem Pass? Wir haben Laufwege. Ich glaube, die Trainer haben mittlerweile mehr Statistiken und Daten. Hat der Nagelsmann nicht auch den Mittelstädt da noch damit überrascht, dass er der viertbeste Linksverteidiger der Welt ist? Rein statistisch. Das wusste er gar nicht. Der wusste gar nichts von seinem Glück. (lacht) Also neue KPI, um irgendwie auch Business zu steuern. Damit die Leute nicht immer nur sagen, ich will die Bude machen. Zweitens, dass wir mehr lernen und aus der Fußballwelt vielleicht lernen können, zu sagen, wir lenken mehr in Rollen statt in langweiligen Positionen wie Fußball in den, keine Ahnung, 80ern, stellenweise auch den 90er, immer noch war. Und das vielleicht auch einfordern, indem wir dann Leuten wie Thierry Henry auch mal sagen, schau, du hast zwei Stürmer, aber deine Rolle ist auch mal ins Leere zu laufen, damit überhaupt hier Laufwege auch für andere entstehen und wir als Team, als Organisation unsere Ziele erreichen.

00:38:50: Dann gut fand ich, zu sagen, wenn ich über agiles Arbeiten nachdenke, dann denkt man über den Bolzplatz nach und lass uns mal mit den Basics anfangen und nicht direkt versuchen, auf Champions League Niveau zu starten, sondern wir wollen das erstmal ausprobieren. Es braucht ein paar grundlegende Skills, da brauche ich jetzt noch keine... Da brauche ich einen Ball und Bolzplatz für und die Bereitschaft, auch mal zu machen und sich vielleicht auch mal schmutzig und dreckig zu machen. Gut. Die Provokationsregeln. Also, wie kann ich vielleicht als Führungskraft bzw. du als Fußballtrainer formulierst, eine gewisse Anzahl von guten Provokationsregeln, weil du damit wiederum dein Team Kinder nicht nur befähigen möchtest dann, wenn es darauf ankommt, gute Entscheidungen zu treffen, sondern auch um ein - du bist ja als Trainer dann der Product Owner, du bist ja für den Leistungserfolg in Anführungszeichen verantwortlich, auch gute Ergebnisse haben zu wollen. Genau. Und abschließend ist es vielleicht noch, das hat mal jemand gesagt, hat mal Ottmar Hitzfeld gesagt auf die Frage, wie will er jetzt eigentlich die Bayern - das war, glaube ich, nach dem Sieg der Champions League 2001 - eigentlich wieder motivieren? Da war seine Antwort, die Freude am Spiel entdecken. Und das gilt vielleicht nicht nur für den Fußball, sondern auch für die Arbeitswelt. Die Freude am Spiel. Statt dass wir irgendwie den ganzen Tag mit hängendem Kopf auf der Arbeit rumrennen und sagen, es ist wie so eine milde Krankheit, hoffentlich ist bald Freitag und dann ist alles vorüber.

00:40:25: Sehr gut, das gefällt mir.

00:40:26: Sehr schön. Hast du dem noch was zuzufügen?

00:40:28: Ich habe dem nichts mehr hinzuzufügen.

00:40:30: Sehr gut. Aber wir haben eine neue Folge schon wieder.

00:40:34: lacht)

00:40:34: Erstmal für heute vielen Dank, Carsten.

00:40:36: Dankeschön.

00:40:37: Hat viel Spaß gemacht. Agilität und Fußball. Bis zum nächsten Mal.

00:40:41: Ciao, Andreas.

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