#39 - Corporate Culture Development mit Sascha Hüllen
Shownotes
Sascha Hüllen ist ein Kulturentwickler aus Leidenschaft, der in seiner 20 jährigen Laufbahn schon einige Veränderungen auf den Weg gebracht und begleitet hat. Im Podcast sprechen wir über Unternehmenskultur und diskutieren ein paar knackige Thesen zu diesem doch sehr “luftigen” Thema.
Transkript anzeigen
00:00:25: Sascha Hüllen ist Kulturentwickler aus Leidenschaft, der in seiner 20-jährigen Laufbahn schon einige Veränderungen auf den Weg gebracht und begleitet hat. Im Podcast sprechen wir über Unternehmenskultur und diskutieren ein paar knackige Thesen zu diesem doch sehr "luftigen" Thema. Sascha, herzlich willkommen!
00:00:43: Ja, danke, dass ich da sein darf.
00:00:46: Wir sprechen ja heute über Unternehmenskultur. Das ist ja per se schon mal ein etwas sehr diffuser und weicher Begriff. Wie ist denn deine harte Definition von Unternehmenskultur?
00:00:56: Naja, Unternehmenskultur, wie sie gelebt wird, ist meistens erstmal vergangenheitsorientiert, weil sie eigentlich die Erfolge von gelebten Kulturen in der Vergangenheit noch mal versucht, in das Heute und Morgen weiterzutragen. Wenn du mich jetzt nach der gezielten Definition fragst, dann sage ich, Kultur in Unternehmen ist für mich immer ein zum Teil bewusster, zum Teil unbewusster, gemeinsam geschlossener Vertrag, in dem drinsteht, in Anführungszeichen drinsteht, was sind eigentlich die Problemlösungsstrategien? Was sind eigentlich die Verhaltensweisen, die dem bestehenden Anreizsystem am besten Ausdruck geben, nämlich hinsichtlich Belohnung und Bestrafung und auch hinsichtlich des Wertesystems, also Grundannahmen und Werte. Das zusammen ist sozusagen als Definition Unternehmenskultur. Hört sich sehr akademisch an, wie wir alle wissen, kann man an der Unternehmenskultur aber relativ schnell zerschellen, wenn man sie nicht beachtet.
00:01:44: Und vor allem erleben wir sie ja jeden Tag, also selber jeden Tag, auch wenn das einem vielleicht immer gar nicht so bewusst ist. Weil du hast ja eben selber gesagt, ein wichtiger Bestandteil deiner Definition war eben, es ist irgendwie etwas, was da ist, was aber eigentlich gar nicht hundertprozentig möglicherweise klar, transparent dokumentiert ist. Es ist einfach da. Also, es ist sehr, sehr implizit. Kann man das so sagen?
00:02:10: Absolut. Man kann auch eine Metapher aus der Medizin nehmen. Viele, viele Krankheiten werden im Blut nicht dadurch nachgewiesen, dass das Virus im Blut nachgewiesen wird, sondern was das Virus veranstaltet. Die Metapher ist also sozusagen, wir sehen nicht die Kultur per se, sondern wir sehen, wenn ich jetzt als neuer Mitarbeiter ins Unternehmen komme, ich darf mich jetzt nicht auf diesen Parkplatz stellen. Da steht zwar kein Name, aber da steht immer der Geschäftsführer. Also, ich sehe nicht die Kulturregel "Park nicht da, wo der Chef steht", sondern ich merke nur, da steht ein Wagen und alle sagen "Oh, oh, oh!". Also, diese indirekte Wahrnehmung von Kultur ist da sehr ähnlich zu vielen Definitionen auch in der Medizin.
00:02:50: Oder er ist frei, obwohl eigentlich 11:00 ist und er ist immer noch frei, obwohl alle anderen voll sind. Und dann klingelt es irgendwie bei mir, krass okay, da scheint es irgendwie eine unausgesprochene Regel zu geben.
00:03:00: Wir können das auch ein bisschen aktualisieren. Es gibt einen sehr großen, nennen wir mal, sagen wir mal, Schuhhersteller in Essen. Der hat zwar extrem super gute Elektroauto-Charger direkt vor dem Sitz der Geschäftsführung und des ganzen Unternehmens. Es gibt keine Betriebsanweisung dazu, aber jeder weiß nur die Geschäftsleitung darf diese elektronischen Charger für die Autos benutzen und niemand anders.
00:03:25: Okay, gut, das kann man so machen. Also ein unausgesprochenes Regelwerk.
00:03:31: Ja.
00:03:31: Und wenn das jetzt doch so unausgesprochen ist. Also, es ist irgendwie da, aber auch noch nicht da. Es ist ja irgendwie so ein bisschen ein seltsamer Zustand, aber wie gestalte ich dann Kulturentwicklung?
00:03:45: Ja, Kulturentwicklung ist ... Das ist natürlich die 1-Million-Dollar-Frage. Und die ist sehr, sehr groß gestellt. Und das gibt mir eine gute Gelegenheit, mindestens drei Sachen herauszustellen, die ich wirklich so jedem mitgeben möchte, um es handfest zu machen. Verändert nicht die Kultur ist die erste Regel. Sondern verändert etwas, einen Teil der Kultur, wo ihr eine Verhaltensänderung haben wollt. Warum sage ich das so komisch und verquer? Oft geht das Thema Unternehmenskulturentwicklung durch das Haus und jeder denkt, er ist nicht mehr richtig in seinem Verhalten und alles wird in Frage gestellt. Anstatt erstmal zu sagen, wir wollen das, was uns erfolgreich gemacht hat, sichern und weiterführen und deswegen machen wir nur einen besonderen Teil, verändern wir. Ein Beispiel wäre dazu, wir möchten gerne unsere Kundenorientierung, unseren Kundeneingang schneller haben. Das kann man sehr klein als Insellösungen beschreiben und das kann man auch sehr gut gestalten. Das zweite, wo ich sage, da muss man echt drauf aufpassen, ist - ich habe es gerade schon angedeutet, aber ich möchte es noch mal explizit machen. Wenn ich eine Kulturentwicklung habe, schicke ich immer die Botschaft raus, "Ihr seid nicht mehr richtig". Und das muss ganz, ganz klar sein, dass in die Kommunikation, wenn ich an Kultur arbeiten will, gesagt wird, es ist alles richtig, was wir bisher machen, sonst wären wir nicht so erfolgreich. Aber wir müssen uns jetzt in einem bestehenden Teil ändern. Also die Wertschätzung ist ganz wichtig. Sonst ist so ein Generalverdacht da. Und das Dritte ist, das würde ich jedem, der noch mal in Verantwortung ist, dringend empfehlen, sagt, warum ihr das gerade macht. Weil sonst gibt es einen Generalverdacht sozusagen. Es gibt eine Hidden Agenda. Also, wir machen eine neue Kultur. Ich gebe ein Beispiel. Wir sind eine sehr stark prozessorientierte Unternehmung und wir machen auf einmal jetzt Projekte, weil wir verkauft werden sollen. Wahrscheinlich total hirnrissig, dieser Gedanke. Aber wenn ich nicht klar sage, warum ich die Kulturentwicklung mache, was der Grund dafür ist, entstehen solche Phantasmen.
00:05:35: Okay. Also, im Kern sagst du ja, es ist eine Verhaltensänderung.
00:05:40: Ja.
00:05:40: Kann man das? Ja? Bzw. Kultur spiegelt sich in Verhalten wider. Und wenn ich Kultur verändern will, sollte ich anfangen, das Verhalten zu ändern. Und zwar ganz punktuell und konkret. Und dann aber ohne den Fehler zu machen, damit zum Ausdruck zu bringen, das, was wir bisher getan haben, war war blöd / schlecht. Sondern zu sagen, das war okay, aber jetzt brauchen wir ein neues Verhalten, weil ... Und dann folgt der Grund.
00:06:05: Genau, das ist ganz gut formuliert. Ich mache es immer noch mal kürzer, dass ich sage, wir wollen Verhalten A nicht mehr haben, wir wollen Verhalten B haben. Das erreichen wir aber nur, wenn wir unsere Kultur ändern. Das heißt, es geht nicht darum, zu kommunizieren, die Kultur zu ändern, sondern wir müssen explizit sagen, welches Verhalten wir besser mögen oder jetzt haben wollen, anstatt das andere.
00:06:26: Und jetzt ist ja mitunter ein Verhalten ja auch nur eine Reaktion auf gewisse vorhandene Regeln vielleicht, die es gibt oder auch vorhandene Strukturen. Also konkret spiegelt sich das ja wider im Unternehmen auch wie werden eigentlich wo von wem welche Entscheidungen getroffen? Wie ist eigentlich die Organisation designt? In welchen Konstellationen arbeite ich eigentlich zusammen? Und wenn du jetzt so einen harten Systemdenker vielleicht fragst oder jemand, der eher über Ziele und Strukturen kommt, also jemand wie mich, da oute ich mich jetzt gerne mal, dann ist ja die Frage, was mache ich denn zuerst? Fange ich mit der Kultur an oder mache ich erst Ziele und Struktur, damit ich überhaupt eine höhere Chance habe, dass sich ein gewünschtes Verhalten, also andere Interaktionsmuster, dann in einer neuen Struktur ergeben?
00:07:21: Die gute Nachricht ist, beides geht. Und es geht beides deswegen, weil die Frage vorher beantwortet werden muss, um deine Frage zu beantworten, was ist das erfolgreich eingeschätzte Verhalten, das wir in Zukunft zeigen müssen, um im Markt erfolgreich zu sein? Und ich bleibe mal bei dem Beispiel Kundenzuganggeschwindigkeit dazu. Kundenservice soll verbessert werden. Wenn das das Thema ist und ein struktureller, zahlenorientierte Mensch wie du schaut sich das Unternehmen an und sagt, das kann ja gar nicht funktionieren, wenn wir unsere Kunden und Zugänge total dezentralisiert haben, wenn wir gar nicht wissen, wer wo beim Kunden ist. Wir brauchen eine Zentralisierung, dann ist es sicherlich ein guter Grund, darüber nachzudenken, dieses Thema zu zentralisieren. Wenn aber innerhalb der Zentralisierung die Kunden immer noch so behandelt werden wie vielleicht jemand, der nicht so gut aussieht und nicht so reich aussieht und aus einem Auto rauskommt von Mercedes Benz oder BMW und behandelt wird, als hätte er kein Geld, dann nützt natürlich diese Struktur wenn auch nichts. Das heißt, man braucht eigentlich beides. Man kann aber mit egal sowohl mit der Kultur wie auch mit der Struktur anfangen. Mein Praxistipp immer ist, ich fange mit den Strukturen und mit den Zahlenmenschen an, die sind meistens in den verantwortungsvollen Positionen. Die kommen relativ schnell zu den Themen Umstrukturierung, Prozessgestaltung. Und dann hole ich sie ab und sage, was ist denn erstmal dein Beitrag zur Kultur? Wie ist denn deine Führungskultur? Was ist denn dein Beitrag zum Anreizsystem? Und gehen dann in das Kultursystem rein. Das hat sich für die Praxis meistens deswegen besonders bewährt, weil meistens nicht die Kulturmenschen vorne als CEO sitzen, sondern eher die Strukturmenschen.
00:09:01: Jetzt hätte ich vielleicht mal ein bisschen provokante Hypothese und würde sagen, dass das alles gar nicht funktioniert, diese Kulturentwicklung, wenn ich nicht auch bereit bin, in gewissen Strukturen und Abläufen auch zu denken. Also was meine ich mit Strukturen und Abläufe? Vor allem, ja, geht damit ja einher, wo werden eigentlich wie welche Entscheidungen getroffen und wie fließen Informationen? Also gerade wo werden Entscheidungen getroffen und wer trifft die eigentlich? Das ist ja ein ganz, ganz wichtiger Teil dann auch von, sagen wir mal, neuen agilen Strukturen. Da versuche ich ja nichts weiter als Entscheidungen zu dezentralisieren, zu delegieren, damit ich eben dann in eine höhere Schlagzahl, eine höhere Agilität reinkomme. Was wäre deine Antwort auf diese Aussage?
00:09:45: Also, ich finde, da hat sich einfach sehr viel getan. Nicht nur durch das Thema Agilität. Aber ich nehme das Agilität mal konkret auf. Ich übersetze Agilität in, wir wollen im Markt schneller sein. Wir wollen schneller auch unsere Produkte zum Markt bringen. Wir wollen auch näher beim Kunden sein. Um das zu erreichen, da hat so jemand wie Frederic Laloux gesagt, hey, das kriegst du eigentlich nur hin, wenn Selbstführung, Ganzheit und Sinn in den Teams, die jetzt agil da vorne sind, arbeiten. Und das dann jeweils in der Ausprägung, was das jetzt bedeutet, diese drei Begriffe wäre jetzt dann diese agile Kultur, die vorne ist. Jetzt gebe ich da ein ganz, ganz hartes Beispiel. Der zweite Desert Storm, also die Amerikaner, die versucht haben, das zweite Mal noch mal ins Land einzulaufen, haben dort in ihrer Kommandostruktur komplette agile Struktur umgesetzt. Das heißt, die militärischen Führer haben vor Ort alle Entscheidungsgewalt, wie schnell sie was machen, ob sie was machen, auf welche Art und Weise sie gemacht haben. Und damit würde ich mich jetzt trauen - also weil, das ist ja so ein Hardcore Beispiel - zu trauen, die Strukturen, auch Aufbau- und Ablauforganisationen sind wichtig, aber nicht erfolgskritisch. Sondern wie ich die nutze, wie ich damit umgehe, ist das Erfolgskritische. Macht das Sinn, was ich sage?
00:11:07: Ja, wobei? Um das Buch aufzuklauben, ich glaube, du meinst One Mission. Da ist das ja schön beschrieben, ne?
00:11:12: Ja.
00:11:14: Genau. Die haben ja schon zwar grundlegend an ihrer Entscheidungs... Bzw. sie haben nicht verändert, die Ränge innerhalb einer Armee. Also Generäle und Offiziere waren immer noch das Gleiche. Aber was sie ja, glaube ich, sehr stark forciert haben und gemacht haben, jeden Morgen - also in der agilen Welt würde man jetzt sagen, das ist ein Stand Up, ja - jeden Morgen All Hands, alle rein, alle Informationen auf den Tisch, um dort in extremer Transparenz - das ist ja schon eine brutale Veränderung -
00:11:47: Absolut.
00:11:48: ...dann aber auf Augenhöhe auch gemeinsam Entscheidungen zu treffen, damit dann aber auch jeder informiert war und das dann wiederum in seine Teams mitnehmen konnte.
00:11:58: Also, ich würde das noch mal vielleicht... Also, das ist die Welt, wie ich sie sehe, das muss man so nicht sehen, das ist auch nicht die Wahrheit. Aber es hat mir immer sehr geholfen, es so zu sehen. Da, wo es darum geht, vielleicht agil zu arbeiten oder Unternehmenskultur so zu nutzen, dass man wirklich schneller selbstbestimmt vorne mit den Teams arbeitet, gibt es immer diesen Trade-off zwischen das, was eine Zentralisierung braucht, um das Gesamte zu steuern und dem, was es an Freiheit braucht, sozusagen in den agilen Teams, um die Schnelligkeit hinzubringen. Das ist der Trade-off. Und meine Erfahrung ist, dass dieser Trade-off nicht entschieden wird mit der Struktur, nicht mit der Prozess- oder Aufbauorganisation, sondern mit dem Spiel zwischen was heißt denn jetzt wirklich die Freiheit und was muss ich mir an Zentralisierung nehmen? Und dann sind wir relativ schnell bei diesen agilen Führungstypen, zum Beispiel der Servant Leader, der würde am besten passen auf der agilen Führungsebene, also agile Führungskultur. Genau das zu erreichen, zentral noch so viel in der Macht zu haben, damit man den ganzen Laden steuern kann. Aber doch dezentral so viel Freiheit zu geben, damit sie schnell und effektiv sind.
00:12:58: Okay. Jetzt komme ich noch mal mit... Schiebe ich noch mal hinterher. Ich meinte ja eben schon, muss ich da nicht erst irgendwie Struktur und aber auch vielleicht gewisse Informations- und Entscheidungsprozesse mir ankucken, bevor ich in die Kultur gehe? Ich schiebe jetzt sogar noch einen hinterher und sage, ohne dass ich meine Strategie klar definiert habe, ist alles, was ich auf einer Kulturebene eigentlich erreichen will, völlige Zeitverschwendung.
00:13:23: Gib mir mal ein konkretes Beispiel, damit ich mir das noch besser vorstellen kann.
00:13:26: Wenn ich sage Strategie, dann heißt es ja mitunter auch, was will ich denn überhaupt machen? Also, wohin will ich denn? Was sind meine Ziele? Wo habe ich Chancen? Wo habe ich Risiken? Was sind meine Maßnahmen? Konkrete Maßnahmen, die ich dagegen steuere? Was will ich vielleicht auch in Zukunft nicht mehr tun? Also wovon scheide ich mich? Das ist ja auch hoffentlich Teil einer guten Strategie. Und erst wenn ich das klar habe, weiß ich ja überhaupt, welches Verhalten brauche ich denn, um das mit einer möglichst hohen Wahrscheinlichkeit auch zu erreichen?
00:13:57: Ja, da sprichst du aus meiner Warte einen ganz wichtigen Punkt an und ich... Also, ich empfinde das Thema auf der Schnittstelle zwischen Unternehmenskultur und Change Management. Meine Erfahrung ist, dass die Unternehmen, dass die Mitarbeiter im Unternehmen sich fast nie gegenüber das was wird gechanged, also wohin bewegen wir uns? Also zusammengefasst das, was du gerade als Strategie gesagt hast, das wird fast nie in Frage gestellt oder kritisiert oder versucht, da den Widerstand aufzubauen. Sondern es geht um den Umsatz. Wie erreichen wir das, was in der Strategie drinsteht? Und noch wichtiger, wie kann ich mich jetzt als Mitarbeiter in diese Strategieumsetzung einbringen? Das ist eigentlich immer das, wo das Change Management dringend notwendig ist, weil da die Probleme sind. Das heißt, deine Frage kann ich sehr konkret beantworten, es braucht eindeutig die unternehmerische Entscheidung, was wollen wir? Das übersetze ich mit Strategie. Strategie heißt hier auch die Umsetzung. Da ist also auch die Taktik mit dabei. Das ist Unternehmensleitungsaufgabe. Das sehe ich ganz eindeutig. Und das ist die Vorgabe, die dann wiederum, wenn ich die Kultur anpassen muss, auch braucht. Ich weiß nicht, ob da immer das Rad neu erfunden wird. Also die Jungs, die die Strategie machen, denken immer, sie würden das Rad neu erfinden. Es ist aber so, dass die Mitarbeiter ja schon einiges hinter sich haben. Den dritten Geschäftsführer, den vierten Abteilungsleiter und die sagen, ja, die alte Strategie ist wie beim Doktor. Mit Doktor 14 Tage. Ohne zwei Wochen. Ja? So, das muss man... Das ist sozusagen ein ganz guter Erfahrungswert, wie man mit solchen Initiativen umgeht.
00:15:27: Was würdest du sagen, sind so die größten Fehler oder wo sind auch die größten Missverständnisse, was Kultur [angehnt]? Fangen wir vielleicht mit den Missverständnissen an. Was ist denn... Jetzt haben wir viel darüber gesprochen. Was ist eigentlich Kulturentwicklung? Die geronnene Erfahrung und wie verhält sich das zu anderen unternehmerischen Artefakten wie Strukturen, Organisation, Strategie? Aber was sind ein Missverständnis in Bezug auf Kultur und Kulturentwicklung?
00:15:51: Also Kultur oder die Idee von Kultur wird als reparierbar empfunden. Also, ich kann meine Mitarbeiter in die Werkstatt schicken, da wird noch mal ein bisschen Kulturcheck gemacht, da kriegen sie noch mal einen halben Liter Kulturöl und dann ist da vielleicht noch ein gutes Olivenöl dabei. Wunderbar. Also es ist nicht etwas, was man sozusagen als Defizit angehen kann, sondern man kann immer nur Kultur besprechen, Kultur bearbeiten und Kultur entwickeln. Wenn ich sage, wohin, wofür, warum? Also ein Missverständnis ist es, einfach diesen globalen Ansatz zu machen, wie ich am Anfang gesagt habe. Es nicht sehr konzentriert und fokussiert zu machen. Und ein anderes großes Thema, wo ich sage, hey, das haben wir jetzt eigentlich schon die letzten 50 Jahre gut gesehen. Einmal Kulturentwicklung, also das ist ein On-Going Prozess. Das wäre ein Missverständnis, dass das nur einmal geht, ja? Und One-fits-all ist auch ein Missverständnis, ja? Ich möchte schon, dass es eine grundsätzliche Kultur im Unternehmen gibt. Die Vertriebsabteilung sollte vielleicht noch mal eine gewisse andere Ausprägung haben als die Controllingabteilung.
00:16:53: Wenn jetzt jemand zu dir kommt und sagt, du, Sascha, wir wollen unsere Kultur verändern. Was sind denn die ersten drei Fragen, die du stellst?
00:17:01: Woran seid ihr in der letzten Vergangenheit gescheitert, dass das nicht schon mal funktioniert hat? Was ist der eigentliche Grund, der eigentliche Pain, dass ihr das jetzt gerade tut? Und wer werden die Hauptplayer sein? Weil meine Fragestellungen sind... Ich habe eine sehr systemische Sicht. Ich habe eine sehr systemische Brille auf. Also im Endeffekt, ich habe immer... Ich habe so meinen Ansatz, dass sowohl was die Instrumente wie auch was die Analysen angeht und die Vorgehensmodelle, ich habe immer mindestens drei oder vier unterschiedliche Modelle, mit denen ich arbeite, weil ich denke, bei so einer Kulturentwicklung, da muss es ganz individuell sein. Es kann jetzt nicht so sein, dass ich so einen typischen Gemeinkostenansatz wie eine sehr berühmte Fachberatung habe. Das muss jedes Unternehmen sich drauf packen. Sondern ich schaue mir das Unternehmen an, mache eine Analyse und dann habe ich drei oder vier unterschiedliche Methoden, wo ich sage, das passt am besten dazu. Das heißt, diese Individualität ist ganz wichtig und diese systemische Sicht.
00:18:03: Du kommst ja auch als Berater oder auch in solche Vorhaben dazu. Was beobachtest du denn? Was sind denn dort mitunter die größten Fehler, die gemacht wurden? Also, wo gucken Unternehmen nicht genug drauf und starten in Kulturentwicklungsprogramme oder Changeprogramme oder wie auch immer und haben da aber dabei ganz wichtige Dinge übersehen?
00:18:28: Also ein ganz großer Stolperstein ist, dass man spricht über eine Person hat das und das gemacht oder das und das Verhalten wurde gezeigt oder das und das ist in der Vergangenheit passiert. Ich würde behaupten, jeder in diesem System des Unternehmens, das ich da berate, würde genauso an der Stelle sich verhalten wie der Mensch, der da gerade steht, wenn er auch in denselben Pantoffeln stehen würde, weil das Anreizsystem das Entscheidende ist. Das heißt, meine große Empfehlung wäre erst mal, was sind die eigentlichen Anreizsysteme und unterhaltet euch darüber und nicht über was in der Vergangenheit gewesen? Wer ist schuld, was hätte besser laufen können, sondern das Anreizsystem. Das ist dann fachlich neutraler und auch wesentlich schneller zu beeinflussen. Also soll ich mal erzählen, wie ich so ein Anreizsystem... Also das sind ganz klassische, einfache Fragen. Also da ist jetzt nichts Großartiges dabei. Da gibt es gute Techniken, das rauszufinden. Also, das sind so Fragen wie - ist eigentlich so ein Storytelling Ansatz - was muss ich hier tun, um ein Held zu werden? Was muss ich tun, um bestraft zu werden? Wie wird hier belohnt? Wie wird hier bestraft? Wer wird bestraft, belohnt und wer nicht? Und was passiert eigentlich, wenn ich gar nichts tue? So, und diese Fragestellungen geben meistens schon eine ganz gute, ganz gute Ausgabe, was die Anreizsysteme sind.
00:19:44: Das heißt Anreizsysteme nicht nur im Sinne einer streng technischen, monetären Anreizsystemen oder im Sinne einer Beförderung, sondern auch im Sinne von Aufmerksamkeit, Wertschätzung. Wer kriegt hier eigentlich Zeit mit dem Chef? Also dieses ganze sozialemotionale Package?
00:20:01: Also ganz genau, und das würde man ja nicht glauben. Aber 'wie viel Zeit kriege ich mit dem Chef' ist so ein heißes Ding. Ist immer, ist so viel unterwegs. Aber ich nehme die Frage auch noch mal. Also ich sehe das vollkommen richtig. Also genauso wie du es sagst. Ich sehe es auch noch mal breiter. Also, was mir sehr auffällt, ist - und da wird viel verschenkt unnötigerweise - ist, wie ist die Geschäftsleitung organisiert in dieser Veränderung. Ich gehe mal davon aus, Unternehmenskultur ist nicht nur die einzige Veränderung, sondern vielleicht auch eine neue Strategie, so wie du es beschrieben hast. Die treffen sich immer noch genauso mit dem einen Meeting in der Woche, mit einer To-do-Liste und einem 90-minütigen Meeting. Und zum Beispiel die Erfahrung, die wir gemacht haben, diese Geschäftsleitung, deren Aufgabe zu teilen, das heißt also, einmal muss eine Geschäftsleitung Entscheidungen treffen, dann müssen sie sich gegenseitig informieren. Dann müssen sie vielleicht für die Zukunft irgendwelche Strategien entwickeln. Allein diese drei unterschiedlichen Funktionen zu trennen, mit unterschiedlichen Formaten auszuprägen, hat zu weit über 50 % weniger Bereichskonflikte. Also quasi präventiv dazu beigetragen, dass diese Bereichskonflikte weniger sind. Weil das, was die Geschäftsleitung alles machen muss, diskutieren, Politik sozusagen dann durch das Format getrennt wurde. Und schon alleine das ist eine sehr kulturprägende Maßnahme. Wenn ich das vielleicht noch dazu tragen darf. Was mir auch immer wieder auffällt, ist, wenn jemand sehr viel Geld in die Hand nimmt und ein anderes Unternehmen aufkauft oder sozusagen eine Fusion passiert, wie lange die Synergien in so einem Post-Merger nicht erreicht werden, weil sie nicht miteinander ihre Kultur anpassen. Sei es durch Übernahme einer Kultur komplett oder neue Kultur. Was da an Synergien verschwendet wird und Ressourcen, das finde ich auch noch ein wichtiges Thema, dass man da mal kulturentwicklungstechnisch, proaktiv und relativ früh in der Phase draufschaut.
00:21:55: Auch wenn du vielleicht auf die Antwort auf diese Frage ein bisschen biased bist, aber hast du den Eindruck, Unternehmen investieren ausreichend Energie, Zeit, Ressourcen in ihre Kulturentwicklung?
00:22:08: Ich habe jetzt... das ist die schwierigste Erfahrung, die ich jetzt als Mensch, der sich mit Thema Kultur und Change Management so intensiv beschäftigt hat. Also Menschen möchten eine Prozessbegleitung zum Thema Kultur oder Change erst dann haben, wenn sie ein oder mehrmals wirklich so mit ihren Projekten gescheitert sind, dass es wirklich bitterlich klar ist, dass es halt nicht daran liegt, dass sie den besten Projektmanager haben oder dass sie die besten Ressourcen reingesteckt haben oder was auch immer, sondern dass sie wirklich massiv sozusagen Projekte an die Wand gefahren haben und dann gesagt haben, okay, dann muss es noch was anderes geben und sich dann erst in die Bereitschaft begeben, auch mit diesem anderen Themen zum Beispiel Unternehmenskultur zu beschäftigen. Das ist leider meine Quintessenz.
00:22:52: Das heißt, es wird immer nur... Ich frag mich, mit welchen Themen das nicht so ist. Es wird immer erst dann gemacht, wenn es ja schon deutlich zu spät ist. Also so ein bisschen ich kümmere mich erst um eine gute Ernährung, wenn der Arzt mir echt nach dem zweiten Herzinfarkt gesagt hat, hey, das geht so nicht weiter, du musst was ändern. Ja. So? Oder kann man das so sagen?
00:23:14: Ja, ich bin ja, ähm, ich hoffe, dass das in den letzten 20 Minuten rüberkommt, eigentlich ein ganz netter Mensch. In diesem Thema bin ich inzwischen gar nicht mehr nett. Also, da ist es auch die Aufgabe sehr klar zu spiegeln als Berater von meiner Seite aus und auch klar, sozusagen konstruktiv Möglichkeiten aufzuzeigen. Aber die drei Fantasmen, die mir immer wieder begegnen, ist, also ich bin hier der Chef und wenn ich das mache, wenn ich das selber an mich ranziehe, dann löse ich das Problem. Das ist also Herkulesüberforderung sozusagen par excellence. Zweitens. Ich war bisher in allen anderen Projekten fachlich extrem erfolgreich. Warum soll ich jetzt nicht auch Kulturentwicklung machen? Also fachliche Überforderung. Und das Dritte ist, ja, da müssen wir jetzt die Leute im operativen Geschäft nicht mit beschäftigen, die sollen ja den Umsatz machen. Wir machen das mal hier in dem kleineren Bereich, da, wo nicht die Leute sind, die nicht so wichtig sind für unsere Umsätze. Das sind die drei Fantasmen, die mir immer wieder begegnen. Und die sind auch erstmal immer abzuarbeiten. Da steckt viel Ängste drin, da stecken viel Erfahrungen aus der Vergangenheit drin. Aber das sind Sachen, die halt definitiv dazu führen, dass man nicht erfolgreich ist.
00:24:14: Also wenn jetzt Kulturentwicklung nicht nur was sein soll, was dann passiert, wenn es wirklich so fünf vor zwölf ist, sondern etwas sein soll, womit ich mich eigentlich ständig beschäftige. Und jetzt ist es aber was, was irgendwie so gar nicht da ist oder was da ist, aber irgendwie nicht aussprechbar ist. Das ist ja anders bei einem Prozess, der ist da, den kann ich beschreiben. Da gibt es vielleicht noch ein technisches System dazu. Wie gehe ich dann als Unternehmen deiner Meinung nach idealerweise damit um? Also, sollte es jemand geben, der so ein bisschen gesamtheitlichen Blick darauf hat, der sich auch um eine ständige Kulturentwicklung kümmert? Wo ist der angesiedelt? Oder ist das tatsächlich was, wo man sagen kann, das delegieren wir mal in vollem Vertrauen in die Organisation. Die Kultur ist ja ohnehin da, dann wird sich das schon selbstregulierend lösen. Wie gehe ich damit um als Unternehmen?
00:25:05: Also wo gelten die alten Regeln? Was ich nicht zählen kann, kann ich nicht steuern. Was ich nicht benennen kann, kann ich nicht beeinflussen. Also, was ich damit meine, ist folgendes. Ich glaube mal so eine Erstanalyse, was sind wir eigentlich für eine Kultur und was ist eine solche Kultur, basierend tatsächlich auf den Vorgaben der Strategie? Das kann man ziemlich gut mit ausgewählten Teilen des Unternehmens mit dem Gamification-Ansatz machen. Ich persönlich habe extrem gute Erfahrungen gemacht mit dem sogenannten Kulturprofil-Indikator. Und was ist da jetzt der Vorteil daran? Die geben halt vier archetypische Kulturtypen vor. Also ein Beispiel wäre so eine Projektkultur oder eine Ideenkultur, Familienkultur und Strukturkultur. Und darauf runtergesetzt sind sozusagen diese einzelnen Kulturdimensionen. Ich gebe mal ein Beispiel, sowas wie machen wir Führung, wie gehen wir mit Konflikten um? Und das sind dann diesen Idealkulturen zugeordnet. Und wenn man da so eine IST- und SOLL-Kultur mitentwickelt hat, kann man das sehr gut - übrigens auch sehr schön digital dann sozusagen - in diesem Spannungsfeld, wo sind wir gerade, IST-Kultur und Spannungskultur immer wieder basierend auf gerade Strategie digital abbilden und ganz normal in deinen Meetings jedes Mal als ein Thema reintun. Das heißt, Team A, B, C, D, F hat in seinen Regelmeetings immer wieder das Kulturthema drin. Sie können immer diese Diskrepanz zwischen IST- und SOLL-Kultur sehen und, da das ganze digital festgenommen wird, kann man noch mal an einer zentraler Stelle zum Beispiel im PMU schauen, hey, wo sind wir denn da in der Entwicklung.
00:26:34: Du hast mir ja eben eine Steilvorlage gegeben. Was man nicht messen kann, da ist man auch nicht bereit, drin zu investieren. Was ist denn deine Hypothese, wenn sich ein Unternehmen aktiv um Kulturentwicklung kümmert, was springt dabei raus?
00:26:52: Also, ich habe jetzt diesen Prozess, den ich gerade beschrieben habe. Mit diesem Ansatz auch vorne mit dem Gamification, also dass auch unterschiedlichste Teile des Unternehmens dort in die IST- und SOLL-Kultur-Analyse mit eingeflossen sind. Also die drei größten Sachen, die mir wahnsinnig viel Freude als Berater machen - da geht bei mir die Sonne auf - ist erstmal, Menschen haben Bock. Sie haben Lust, Motivation, inspiriert. Sie werden gefragt und sie können beeinflussen, ohne dass sie jetzt sozusagen, dass die Welt neu erfinden. Also einfach Energie ist wahnsinnig da. Zweitens habe ich wirklich Hidden Knowledge. Das ist mein zweites großes Thema. Das heißt, wenn ich motiviert bin, wenn ich involviert bin, kommen Ideen, die es schon gibt, sehr schnell auf den Tisch oder neue Ideen werden viel schneller entwickelt. Das ist ein wahnsinniger Hebel, den ich da jedes Mal wieder sehe. Und das dritte ist, wenn es so als Prozess, wie ich es gerade beschrieben ist, da könnte man noch mal eine andere Art von Prozess machen, aber grundsätzlich auch Beteiligungsprozesse hat, ist es ein wahnsinnig starker Faktor. Weniger an Konflikten, weniger an Bereichszusammenarbeitsproblemen, weniger an Mein oder Dein, sondern es ist natürlich nicht das Paradies, davon spreche ich nicht, aber da kann man schon ein sehr deutliches Vorher / Nachher erleben. Und das macht einfach Spaß, das zu erleben.
00:28:11: So zum Abschluss vielleicht. Wie gehe ich jetzt ganz konkret vor? Also wenn ich jetzt sage, naja, das hört sich alles irgendwie ganz sinnvoll an, was der Sascha und der Diehl da erzählt haben. Was mach ich denn jetzt?
00:28:25: Also ich mache das bei meinen Kunden so immer. Lass uns doch einfach nicht gleich mal die große Welt erobern, sondern lass uns mal einen kleinen Ballon machen. Was heißt das? Gib mir mal zwei von deinen Mitarbeitern und ich komme mit noch einem Kollegen von mir. Wir machen Interviewpartner, Patenschaften und dann gehen wir mal mit diesen Fragen, die ich eben gestellt habe, zu ein paar Playern im Unternehmen. Also das war ja das wie wird belohnt, wie wird bestraft usw. Und ich habe dann eine ganz gute Methode. Das ist von dem Peter Scott Morgan, das sind die sogenannten heimlichen Spielregeln und was da rauskommt, sind im Endeffekt, nach dieser zirkulären Interviewmethode, sind das so zwischen zehn und 16 grundsätzliche Kulturregeln, die jetzt im Slang, also Storytelling-Ansatz im Slang sehr dem Stallgeruch des Unternehmens entspricht. Ich gebe jetzt ein konkretes Beispiel. Es gab bei der T-Systems ein Unternehmungssteil, der hat sich um die Großrechner und die wissenschaftlichen Einrichtungen in Deutschland gekümmert und hat dort sozusagen die ganze IT-Sache von denen betreut. Und eine der Regeln waren, wir arbeiten supergut zusammen, aber nur wenn es richtige Krise gibt. Und jeder, der in diesen Satz gelesen hat, als wir uns den Workshop angeschaut haben, gesagt, dass genau sind wir. Wir gucken uns mit dem Arsch nicht an, wenn ich das auf Deutsch sagen kann. Aber wenn beim Kunden mal richtig Problem ist, dann arbeiten wir wirklich zusammen. Zweite Regel kommt dir wahrscheinlich bekannt vor. Früher war der Geschäftsführer in München, jetzt ist er in Köln. Wir in München sind ja nichts mehr wert. Also solche Regeln, die jetzt für uns ganz banal klingen, sind, wenn sie genauso formuliert sind, wie sie im Unternehmen empfunden werden, sehr blutdruckgebend. Und daran kann man sehr gut Change-Hypothesen, Kulturhypothesen und Empfehlungen ableiten. Und da wird man sehr schnell sehr konstruktiv und kommt aus der Analysephase sehr schnell mit dem Kunden in die Umsetzungsphase. War das so deutlich, wie ich das meine?
00:30:16: Und dann Umsetzungsphase. Gut, jetzt habe ich, jetzt habe ich analysiert.
00:30:19: Genau. Wir haben jetzt, sagen wir 10, 12, 16 dieser Regeln und dann wir als Berater haben zwar auch dann unsere, sage ich mal, Change Hypothesen, was da für Probleme dahinter stehen, aber in den Workshops sagen dann die Mitarbeiter, okay, wie können wir denn jetzt das Zusammenarbeitsthema, also wir arbeiten und kriseln zusammen. Was steckt eigentlich dahinter? Und dann schauen, was sind da wiederum die Anreizsysteme? Und dann machen die eigentlich selber sehr konstruktive Vorschläge, wie man es ändern kann. Das heißt, das ist ja auch der Sinn einer Prozessberatung. Nicht wir sagen macht es dann so, dann seid ihr erfolgreich, sondern wir bringen die Mitarbeiter im Unternehmen dazu, zu sagen, hey, wir müssten es am besten so machen, dann machen wir es besser. Und das ist ja auch der Sinn einer Prozessberatung und das würde dann genau da passieren.
00:31:01: Und im Idealfall, wo verankere ich denn so ein Thema dauerhaft? Also Unternehmen tendieren ja dazu, für alles, was ich irgendwie mache, was ich irgendwie als eine Kompetenz ansehe oder auch dauerhaft eine Aufmerksamkeit drauf haben will, ernenne ich eine Rolle dafür. Wer ist dieser Mensch? Macht es überhaupt Sinn, sowas zu tun? Wo sitzt er und wie würdest du im Idealfall so eine - ich bleibe jetzt mal bei einer Rolle, vielleicht ist es aber auch gar keine - gestalten?
00:31:29: Ich würde sagen, dass die Rollenfrage an sich anhand der Phasen anschauen muss, wo das Unternehmensentwicklungsprojekt steht. Also am Anfang braucht es noch mal den Strukturierer, den externen Berater. Der spiegelt, den Prozess steuert, mit einer Analyse kommt und dann was macht. Da würde ich sagen, da sollte die Treiberfunktion, die hauptsächliche Rolle beim Berater sein, beim externen und dann mit der Geschäftsleitung zusammen das Produkt aufsetzen. In der Phase, wo das dann umgesetzt wird, sollte es entweder im PMO ganz bewusst nicht jetzt inhaltlich selber ein Kulturexperte, sondern ein Treiber sein für dem, was man sich als Sollkultur vorgenommen hat. Und ein Nachschauer, ein, ich sage mal, ein Berti Vogts, ein rechter Verteidiger, der wie ein kleiner Wiesel ihm in die Nase beißt. Habt ihr schon die Maßnahmen, die ihr euch durchüberlegt habt, umgemacht? Habt ihr schon Erfahrungen? Wie seid ihr weitergekommen? Das wäre die PMO Rolle, die sehr stark in der Umsetzungsphase zu sehen [ist]. Und in der dritten Phase, das heißt, wenn alles etabliert ist, wenn man immer ongoing noch mal drauf schaut, wie sieht es denn aus? Da würde ich jemand tatsächlich aus der Abteilung sagen, hey, ich glaube, wir sind nicht mehr in deiner Autobahn, in dem wir uns schnell kulturell bewegen, sondern wir sind jetzt schon wieder beim Pivot. Wir brauchen wieder einen Neuaufsatz, einen neuen Ansatz dabei. Das wären die drei Phasen und da würde ich die Rollen jeweils so besetzen.
00:32:48: Sehr schön. Dann würde ich mich ja ein kurzes Schleifchen wagen. Mal gucken, ob mir das gelingt bei dem doch etwas schwammigen Thema. Aber ich meine, das haben wir ein bisschen geklärt. Also, was ist Unternehmenskultur deiner Meinung nach eigentlich? Du hast, glaube ich, auch zwischendurch mal gesagt, das ist eigentlich die geronnene Erfahrung, spiegelt sich wider in Verhalten. Also wie Leute sich verhalten. Das heißt, es ist da aber auch irgendwie nur schlecht greifbar / beschreibbar, aber sie ist trotzdem da. Das heißt per se, dass eine Kulturentwicklung eigentlich eine Verhaltensänderung ist. Und das mache ich am besten, indem ich überhaupt mal klar habe, welches gewünschte Verhalten will ich denn vielleicht haben? Im Idealfall vielleicht sogar abgeleitet aus meinen Zielen, aus meiner Strategie. Zweitens aber auch dann damit eine klare Botschaft in die Organisation zu geben der Wertschätzung. Also das, was wir bisher getan haben. Wir sind nicht völlig bescheuert. Das war für die damalige Zeit, für unsere damaligen Ziele war das gut. Aber jetzt brauchen wir eine neue Verhaltensänderung. Damit also drittens dann sehr transparent eigentlich mit den Gründen umgehen, warum ich denn überhaupt eine solche Verhaltens- oder auch Kulturveränderung haben will. Wir haben gesprochen über was brauche ich denn zuerst? Dann muss ich zuerst Kultur verändern, gehe dann in die Struktur oder verändere ich erst Strukturen und arbeite an Zielen und gehe dann in die Kultur? Da war deine klare Botschaft, macht das irgendwie Hand in Hand. Also, ich erleb' das / höre das oft. Naja, wenn wir dieses neue agile Arbeiten wollen, dann müssen wir doch erst mal eine Kulturentwicklung machen. Wo ich aber eher auch sage, nee, also ihr müsst auch anfangen, mal neue Entscheidungsmuster zu leben, auch neue Interaktionsmuster zu etablieren, damit eine neue gewünschte Kultur, ein neues, gewünschtes Verhalten überhaupt die Chance hat, entstehen zu können. Weil viele Verhaltensweisen mitunter waren ja vielleicht in der Vergangenheit gar nicht unbedingt gewünscht. So, und wenn ich anfange, dann geht es eigentlich darum, zu sagen, gut, ich ich gehe erst mal vielleicht in so eine Soll-Ist-Analyse. Also wie verhalten wir uns heute? Wie würden wir uns denn eigentlich gerne verhalten wollen?
00:35:01: Was müssen wir bewahren aus der Vergangenheit? Das ist ein ganz wichtiger Satz dabei.
00:35:04: Sehr wichtig. Guter Punkt. Also auch wieder eine Form der Wertschätzung, zu sagen, nicht alles war total bescheuert. Also in den allerwenigsten Unternehmen war ja in der Vergangenheit alles total bescheuert. Weil sonst gäb's es lange nicht mehr. Das geht nur leider in solchen Veränderungsprozessen oft unter. Und auch finde ich viel im Kontext Digitalisierung. Da tut man immer so, als wären die Generationen davor total minderbemittelt gewesen. Ich sage, nein, die haben einfach das immer so weit getrieben und jetzt haben vielleicht Technologien einen anderen Status. Jetzt können wir da noch mal neu drüber nachdenken. Genau. Aber mit einer Soll-Ist-Analyse anzufangen. Dann zweitens in so einer Initialisierungsphase, das stark getrieben auch möglicherweise durch externe Hilfe, durch einen Berater, dann sozusagen in der Implementierung- / Umsetzungsphase auch das nach innen zu übergeben, dass es jemand aus innen heraus mit steuert. Und dann im Idealfall im laufenden Betrieb so eine Art... Du hast ihn Berti Vogts genannt. Ich habe den leider nie spielen sehen, aber ja, jemanden, der immer wieder...
00:36:07: ... den Dackel in der Wade spüren, das reicht.
00:36:09: Ja. (lacht) Den Terrier, den Terrier an der Wade. Ja, genau. Jemand, der immer da dran bleibt. Immer so eine Art, ja, der Kontrolleuchte. Der immer auch einfach sagt, hey, hier haben wir gerade irgendwie... Hier weicht das Verhalten, das wir zeigen, ganz klar von dem ab, was wir eigentlich haben wollten. Warum denn eigentlich? So ein bisschen als ein...
00:36:29: Und das, was wir uns vorgenommen haben, das zu erreichen, haben wir nicht getan. Das ist auch noch mal gerne... Lippenbekenntnisse.
00:36:34: Sehr, gut. Sehr gut. Habe ich irgendwas vergessen, Sascha?
00:36:38: Nee, nee, nee. Es gibt vielleicht noch so einen Hammer, den man am Schluss rausholen kann. Der (unverständlich) immer frustriert ist. Also eine erfolgreiche Kulturentwicklung, ist dann, wenn der sie angestoßen hat, weggeht und die Kultur trotzdem bleibt, wie sie neu ist. Das ist eine erfolgreiche. Das heißt andersrum, wenn du mein Geschäftsführer bist und du gehst jetzt quasi in eine andere Geschäftsführungsaufgabe, dann ist es meistens so, dass alles, was an Kultur bisher von dir entwickelt worden ist, aus dem Fenster rausgeschmissen wird. Außer es wurde so strukturiert gemacht, dass es sozusagen in die Unternehmung übergegangen ist und nicht an dir, an Personen angehangen wird. Das ist auch der Vorteil, wenn man das sozusagen systemisch macht.
00:37:16: Sehr gut, schöner könnte ich ein Schlusswort nicht formulieren. Sascha, schönen Dank, dass du hier warst.
00:37:21: Ich danke Dir sehr herzlich für die Einladung und ich freue mich jedes Mal, deinen Podcast zu sehen und deine Inputs zu sehen. Ich finde, du machst einen tollen Job. Danke dafür. Danke schön.
Neuer Kommentar