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00:00:24: Ronald Rauhe ist ehemaliger Kanute, mehrfacher Weltmeister und Olympiasieger. Im Podcast sprechen wir über das Leistungsprinzip und warum wir Gefahr laufen, auch unternehmerisch im Mittelmaß zu versinken. Ronald, herzlich willkommen!

00:00:37: Hallo, grüß dich!

00:00:38: Ich habe dich ja mit der Kristina Vogel in einer sehr erfrischenden, wie ich fand, Abschlussfeier der Olympischen Spiele gesehen und ihr habt euch stark über das Thema Leistungsbereitschaft, Mittelmäßigkeit ausgelassen. Ich fand das so toll und bin sehr froh, dass du auch direkt zugestimmt hast, dass du heute mal in den Podcast kommst und wir vielleicht so ein bisschen über das Thema Mittelmäßigkeit, Leistungsbereitschaft überhaupt sprechen. Was glaubst du denn, warum - also ich starte einfach mit einer These. Wir geben uns mit zu viel Mittelmäßigkeit zufrieden. Was glaubst du, woran liegt das?

00:01:13: Ja, ich glaube, das ist auch zwingend in unserer Früherziehung. Wichtig ist, daran zu arbeiten. Und ich glaube, das ist das, was wir nicht nur im Sport bemerken, sondern in allen Bereichen des Lebens gerade, dass wir einfach den Kindern schon früh in der Schule mitgeben, dass Leistung sich nicht mehr lohnt. Da reden wir über Bundesjugendspiele, da reden wir aber auch über andere Fächer, wo wir quasi allen das gleiche Zeugnis ausstellen, obwohl die Leistungen unterschiedlich sind. Und dann fragt sich natürlich ein Kind, warum soll ich schneller rennen als vielleicht der andere Junge, wenn ich hinterher doch das Gleiche bekomme? Und wenn wir das natürlich fördern, schon im Kindesalter und das dann über die Jahre hinweg, dann brauchen wir uns nicht wundern, dass am Ende auch dieses Gefühl von Leistungsstreben, dieses Gefühl überhaupt auch danach zu streben, etwas besser zu machen als der andere. Wenn wir das nicht mehr fördern und auch nicht mehr in die Erziehung mit einpflegen, dann brauchen wir uns nicht wundern, dass wir am Ende genau das in der Gesellschaft wiederfinden.

00:02:14: Jetzt bist du ja jemand, der als Spitzensportler, mehrfacher Olympiasieger, Weltmeister - also ich glaube, mit dir über Leistungsbereitschaft zu sprechen, ist schon ein anderes Level. Wie definierst du das denn für dich? Also, Jürgen Klopp hat mal gesagt, "Alles zu geben heißt nicht, alles zu bekommen." Das finde ich eigentlich ganz schön. Weil es geht ja nicht - und das würde ich gerne kurz mit dir klären - bei einer Leistungsbereitschaft darum, immer die absolute Spitzenleistung zu erbringen, sondern vielleicht aber einfach alles in die Waagschale zu werfen und zu sagen, ich bin auch mal bereit, über so einen gewissen Punkt, der vielleicht ein bisschen weh tut, mal hinauszugehen, um mich wirklich anzustrengen. Oder wie definierst du Leistungsbereitschaft?

00:02:57: Ja, Leistungsbereitschaft darf man auf jeden Fall nicht über das Ziel, also über ein bestimmtes Ziel definieren. Weil jeder hat natürlich ganz eigene Ziele und auch das Ziel, wo ich Leistungen daran festmache, kann ja auch ein ganz banales sein. Aber ich glaube, dass es in jedem Lebensbereich, in jeder Situation muss man bereit sein, wenn man was erreichen möchte, dass man auch diese Extrameile geht oder auch mal einen Weg geht, der vielleicht nicht angenehm ist. Das ist ja eigentlich das, worum es meistens geht oder worauf es denn dann ankommt. Dass man halt nicht mitschwimmt, da, wo es einfach ist. Dass man auch mal vielleicht dahin geht, wo es mal unangenehm ist, wo man die Komfortzone verlassen will, weil genau da entwickelt man sich. Und genau da entsteht dann auch die Leistungsbereitschaft, die mir am Ende vielleicht einen Vorteil bringt oder den Schub bringt, den ich haben will, um dann letztendlich mein Ziel zu erreichen. Und welches Ziel das dann letztendlich ist, das muss jeder für sich selber definieren. Aber letztendlich geht es immer darum, sich selber an irgendeinem Punkt herauszufordern und zu sagen, diesen Weg gehe ich jetzt und dieser ist nicht angenehm, aber ich möchte ihn gehen, weil ich mein Ziel erreichen will.

00:04:03: Wie hast du das für dich gemacht in deiner langen Karriere?

00:04:07: Ja, genau das habe ich für mich eigentlich auch gelernt. Dass genau diese Phasen immer die wichtigsten waren. Nämlich da, wo es gar keinen Spaß macht. Natürlich. Sport sollte in erster Linie immer auch Spaß machen. Aber gerade wenn man Ziele erreichen will, die vielleicht höher gesteckt sind, dann muss man einfach davon ausgehen, dass es genau diese Phasen sind, die einen am meisten nach vorne bringen. Und ich habe für mich gelernt, wie gesagt, umso mehr ich meine Komfortzone verlasse, umso schneller habe ich mich auch entwickelt. Und genauso wichtig ist es aber auch auf diesem Weg zu dem Ziel, sich immer wieder Meilensteine zu stecken und da auch mit Niederlagen, ja, zu kämpfen bzw. auch Niederlagen einzustecken. Weil diese sind extrem wichtig, um diesen Weg dann auch zu gehen. Und ich habe im Laufe meiner Karriere für mich eigentlich herausgefunden, dass es eigentlich nie Niederlagen gab für mich, sondern jeder Rückschritt, jede Situation, wo ich vielleicht ein Ziel nicht erreicht habe, jeder Test, wo ich nicht so gut war wie ich wollte, war für mich keine Niederlage, sondern eigentlich eine Chance, die ich gesehen habe, um etwas wieder zu verbessern und eine, sage ich mal, eine Stellschraube zu erkennen, ob ich auf dem richtigen Weg bin oder nicht. Und das ist, glaube ich, der Punkt, den man lernen muss, um Leistung zu entwickeln.

00:05:26: Naja, das sind, ja, aber natürlich genau die Phasen, die auch extrem anstrengend sind. Wenn immer alles läuft, ist es easy, dann ist man so im Flow. Keine Ahnung. Man kriegt unmittelbar das Feedback in Form von - jetzt, wenn ich im sportlichen Wettkampf bin, dann habe ich ja einen unmittelbaren Vergleich. Dann bin ich besser als die anderen oder nicht. Das ist vielleicht in einem unternehmerischen Kontext nicht immer direkt so gut sichtbar, sondern spiegelt sich vielleicht dann irgendwann in Zahlen wider. Aber worauf ich hinaus will, dass ja gerade diese Phasen, in denen es nicht läuft, in denen ich mal vielleicht aber auch total verwirrt bin, weil ich gerade überhaupt nicht weiß, woran liegt das denn jetzt? Also, man sieht so diesen Punkt nicht, wo man sagen kann, da kann ich jetzt ansetzen. Also, so geht es mir zumindest immer. Ich komme mit Rückschlägen gut klar, wenn ich für mich rausgenommen habe, woran hat es jetzt [gelegen]? Was glaube ich zumindest, woran hat es gelegen und was ist der Punkt, auf dem ich aufsetzen kann, damit mir das nicht noch mal passiert oder ich auch den Schritt nach vorne komme? Was hast du da für Erfahrungen gemacht? Also, wie geht man genau mit diesen Phasen - jetzt könnte man, ja, sagen, an der Stelle entsteht Leistungsbereitschaft und aber auch das Potenzial, viel zu erreichen. Wenn ich genau in diesen Phasen eben nicht die Flinte ins Korn werfe, sondern dann sage, okay, wie geht es jetzt weiter? Wie hast du das für dich gemacht?

00:06:42: Ich glaube, ein ganz wichtiger Punkt, so wie du es ja auch schon beschrieben hast, ist die Fähigkeit, dann selbst zu reflektieren und ehrlich zu reflektieren. Weil wenn man da nicht ansetzt, dann komme ich gar nicht zu dem Punkt, woran hat es gelegen? Und das macht oft den Unterschied, inwiefern Menschen bereit sind, sich selber zu kritisieren und sich selber so zu hinterfragen, was natürlich nicht angenehm ist. Um dann genau diese Fehler auch herauszufiltern und daran zu arbeiten. Und natürlich ist es so - auch im Sport - auch bei mir ist es so, dass man nicht immer dieses Ziel vor Augen hat. Und manchmal ist es verschleiert und man manchmal auch ein Motivationsloch hat und man weiß gar nicht, woher das kommt. Und das ist ein Thema, worüber ich auch gerne mal in meinen Keynotes spreche. Ich habe da eine ganz komische Eigenart entwickelt. Ich begebe mich dann in solche Situationen, wenn ich gar nicht mehr weiß, ja, wie ich mich auch selber finde, bewege ich mich bewusst in Situationen, die ich eigentlich nicht kontrollieren kann. Also, ein Thema, worüber ich ganz gerne rede, ist - ich habe das mal gehabt nach der Absage von Tokio auch in Richtung der Olympischen Spiele 2021. Aufgrund von Corona wurden ja quasi dann die Spiele erst mal abgesagt. Im ersten Moment und erst später dann verschoben. Und ich hatte natürlich schon drei Jahre dafür trainiert in dem Moment. Und es sollten meine letzten Spiele werden. Also da habe ich viel, viel in die Waagschale geworfen und meine Familie hat viel, viel dafür geopfert. Und da hat es mir erst mal zu diesem Zeitpunkt die Beine weggerissen. Und da wusste ich gar nicht, was ich mit mir anfangen soll.

00:08:14: Ich wusste weder, woran es liegt, wo ich ansetzen soll, wie ich jetzt ein weiteres Ziel verfolgen soll. Und da habe ich folgendes gemacht, weil ich einfach mich norden musste. Ich habe - keine Ahnung, wie ich darauf gekommen bin - aber ich habe von einen auf den anderen Tag entschieden, ich gehe jetzt in den Wald. Und bin dann wirklich mit zwei Mülltüten, einem Taschenmesser und bisschen Streichhölzer in den Wald gegangen und bin also quasi mit dem Auto in ein weit entferntes Waldstück gefahren, habe das Auto abgestellt und bin einfach reingelaufen, ohne einen Plan zu haben und hatte letztendlich vier Tage dort überlebt. Aber das hat mir wieder gezeigt und das hat mich sehr geerdet, dass es für jedes Problem eigentlich irgendwie eine Lösung gibt. Man muss sich damit beschäftigen, muss sich da auseinandersetzen und das hat mich sehr geerdet. Aber worauf ich hinaus will ... Ich habe die Erfahrung gemacht, dass gerade wenn man an solchen Punkten steht, dass wenn man sich bewusst in eine Situation [begibt], die man vielleicht nicht kontrollieren kann, ganz viel wieder aufploppt und man ganz viel rausnimmt, was eigentlich möglich ist und wo vielleicht Lösungen liegen, die man gar nicht sieht. Und das ist für mich immer so der Weg gewesen. Das habe ich in meiner Karriere in bestimmten Situationen immer mal wieder gemacht. Nicht im Wald, aber in einer Situation, die ich nicht kontrollieren konnte, die ich augenscheinlich - wo ich nicht wusste, mit umzugehen. Aber die haben mir immer weitergeholfen, mich wieder einzunorden und vor allen Dingen auch mich selbst kritisch dann auch wieder hinterfragen zu können. Und das war mein Weg, den ich gewählt habe.

00:09:37: Jetzt hast du, ja, eingangs gesagt - du bist, ja, direkt über Kinder eingestiegen. Da kommen wir vielleicht im weiteren Verlauf noch mal drauf zu sprechen. Aber wie ist denn deine Wahrnehmung so auf einer allgemeinen gesellschaftlichen Ebene? Oder wenn du Keynotes hältst. Du bist ja auch vielleicht viel mit Unternehmen oder Unternehmern in Kontakt. Also, gibt es so einen Hang, einfach zu sagen, naja, es geht doch irgendwie. Und eben dieses Mittelmaß wird einfach akzeptiert. Das ist ja wie so ein schleichendes, keine Ahnung, ich will jetzt nicht sagen, eine Krankheit, aber das macht ja was mit einem selber vielleicht. Oder auch vielleicht mit einem ganzen System, mit einem ganzen Unternehmen, mit der Gesellschaft an sich. Wenn man sagt, ja, es ist doch irgendwie okay und es geht doch irgendwie ganz gut. Also, wie erlebst du das so allgemein? Jetzt mal über Kindererziehung hinaus?

00:10:28: Ja, ich glaube, dass es einfach auch manchmal, wie soll ich sagen ... Vielleicht muss ich doch mal auf die Kindererziehung eingehen. Ich glaube, gerade wenn man da Eltern sieht, dass das manchmal der einfachere Weg ist. Der einfachere Weg ist, den Kindern eine Glocke drüber zu halten und nicht zu sagen, "Ihr seid in dem und dem nicht gut." oder "Ihr habt da und da keine guten Leistungen gebracht." Und unabhängig vom Sport. Und in meinen Augen ist das unehrlich. In meinen Augen ist es einfach nicht ehrlich, jedem das gleiche Zeugnis auszustellen. Und ich glaube auch, dass Kinder, aber auch Menschen jedes Alters einfach auch ein Feedback brauchen, um sich selber zu entwickeln. Das heisst, wenn ich gar nicht erkenne, wo meine Stärken, meine Schwächen liegen und das hat natürlich auch mit Niederlagen dann zu tun, um zu erkennen, wo ich vielleicht nicht so gut bin. Aber wiederum zeigt mir das vielleicht, wo ich Felder habe, in denen ich doch besser bin als andere. Und wenn ich diese Ehrlichkeit nicht mehr habe, egal ob im Kindes- und Schüleralter oder auch im Erwachsenenalter, dann habe ich es natürlich schwer, auch, mich selber zu finden und mich selber einzuordnen und meine Stärken zu finden. Und ich glaube, um mal deine Frage zu beantworten, ich glaube, dass wir in der Kindererziehung oder auch im Erwachsenenbereich, dass wir - ja so mein Gefühl jedenfalls - immer weniger bereit sind, den Menschen ehrlich auch eine Meinung zu sagen. Weil wir immer so dieses einfache Mitschwimmen, wie du schon sagst, ja bevorzugen. Und natürlich ist es dann einfacher, weil ich nicht anecke. Aber letztendlich bringt es uns nicht weiter. Und ja, wie gesagt, es ist - finde ich - unfair und nicht fair gegenüber dem, mit dem ich mich unterhalte.

00:12:10: Das kann, ja, wenn man so einen - ich bin jetzt mal sehr global - also einen Querschnitt durch die deutsche Wirtschaft macht oder vielleicht einmal speziell sowas wie die Autoindustrie rausgreift. Ich meine, das war über Jahrzehnte DAS deutsche Steckenpferd überhaupt. Also Ingenieurskunst, Autos aus Deutschland. Wenn man sich das heute mal anguckt, das ist ja ein Trauerspiel. Also, aus China kommen billige Elektroautos. Jetzt fangen wir schon wieder an mit Zöllen irgendwie, um irgendwie was zu machen. Ja? Weil vielleicht einfach über Jahre und Jahrzehnte so diese Arroganz, dieses Gefühl, wir werden es schon irgendwie machen und, ja, sich eben nicht dieses 'ordentlich mal selber die Karten zu legen' und zu sagen, hey Leute, wo stehen wir jetzt mal wirklich Hand aufs Herz. Weil dieses Festhalten an den Dingen, die heute da sind, oder den Erfolgen der Vergangenheit ist ja vielleicht auch was, was dann genau diese Entwicklung blockiert und eben nicht Leistungsbereitschaft fördert. Und das hat natürlich - es fängt auf der Ebene an, dass man sich natürlich wie man mit sich selber umgeht. Aber was ich auch viel in Unternehmen sehe, das ist so eine ... Es hat mal einer ein Buch - der CEO von Redhead, das ist ein Open-Source-Unternehmen, 7.500 Mitarbeiter, der hat das mal so schön gesagt, "Letting the sparks fly." Also, hier müssen ab und zu die Funken fliegen, weil nur dann weiß ich, hier wird gerade um die beste Lösung auch wirklich gerungen. Ja? Hier gehen Leute in einen Konflikt, der aber absolut positiv ist, weil sie sich vielleicht mal ordentlich die Karten legen und ordentliches Feedback geben und sagen, hier, das geht so nicht weiter. Also, hast du da eine Meinung zu?

00:13:54: Genau. Also ich sehe es genauso, wie du jetzt gerade beschrieben hast. Und das sehen wir ja nicht nur, also finde ich, nicht nur in der Wirtschaft, das sehen wir auch in der Politik. Also, irgendwie hat man das Gefühl, dass diese Funken, wie du so schön geschrieben hast, gar nicht mehr so sprühen sollen. Und ich bin da ganz deiner Meinung. Natürlich ist es immer wichtig, für Entwicklung auch Reibung zu erzeugen, denn nur mit Reibung entstehen auch neue Wege, entstehen neue Ideen, wird man kreativ. Wenn alles immer plan läuft und man natürlich auch gar nicht Reibung provoziert, was glaube ich manchmal auch notwendig ist, dann haben wir das Problem, dass wir auf der Stelle stehen. Das sieht man, um jetzt wieder in meinem Fall auf den Sport zu kommen, ist genau das das Problem, was wir da auch sehen, was wir in der Wirtschaft sehen, was wir im Sport sehen. Da war es der Fall, dass wir einfach aus dem alten Ostsystem noch partizipiert haben, das quasi das System der DDR uns lange getragen hat. Die waren wirklich sehr weit, auch wissenschaftlich sehr, sehr weit. Und wir haben uns immer zurückgelehnt, haben das genossen, haben gesagt, das läuft doch und wir sind doch gut und doch weit vorne. Aber wir haben es einfach vermissen lassen, uns währenddessen systematisch Gedanken zu machen, wie wir an dem Konstrukt weiterarbeiten können, wie wir wissenschaftlich vorankommen können, wie wir aber auch strukturell in der Politik überhaupt vorankommen, in der Sportpolitik.

00:15:15: Und das ist genau das gleiche Thema, von dem du gesprochen hast. Wir haben uns eigentlich zurückgelehnt, haben das genossen und haben keine Funken mehr erzeugt. Und jetzt ist es halt so, dass wir an der Stelle sind, dass wir ganz, ganz viele Funken brauchen, um überhaupt wieder auf den Damm zu kommen. Und dann ist es halt zu spät. Und genau das frage ich mich manchmal auch, wenn ich jetzt die VW-Geschichte noch mal aufnehme, die du gerade hervorgebracht hast, dass das immer so einen riesen Knall gibt? Ich denke mir, wenn man das vorantreibt, Stück für Stück immer wieder auch die Funken sprühen lässt und immer wieder auch kreativ miteinander wird. Dass es so einen Riesenknall gar nicht geben muss. Na klar, es ist manchmal auch wichtig, dass es irgendwo so einen Knall gibt. Aber muss der immer so extrem sein? Oder kann ich nicht, oder will ich nicht sogar diese kleinen Knaller haben? (lacht) Was ist die Mehrzahl von Knall? Diese kleinen Funken sprühen haben immer, damit ich genau das vermeiden kann. Und das fehlt mir. Und ja, das sehen wir, wie gesagt, in allen Bereichen meiner Meinung nach.

00:16:15: Es muss ja nicht direkt ein Flächenbrand sein, ja? Vielleicht reicht ein oder andere [???]. (beide lachen) Ich fand das so erfrischend an der Abschlussdiskussion zu den Olympischen Spielen. Ich glaube, die Christina Vogel hat das dann gesagt. Naja, dieses "Ja, wollen wir es oder wollen wir es nicht? Jetzt lass uns mal dieses Rumeiern aufhören." Das kann ich mir als Profisportler mit Sicherheit auch nicht erlauben. Ich weiß nicht, sollte ich heute trainieren gehen oder nicht und verschiebe ich es noch noch mal. Will ich das? Ja. Dann muss ich auch bereit sein irgendwie, dem auch Taten folgen zu lassen. Also ein bisschen all-in zu gehen, weil sie sagt, ja, dann auch treffenderweise. Naja und wenn wir es nicht wollen, dann lasst uns doch dieses Rumschwadronieren aufhören, dann lassen wir es. Ja? Also wollen wir - ihr habt das ja in der Diskussion auch sehr stark auf den Sport bezogen - wollen wir Spitzenleistungen erbringen? Ja, das wollen wir. Okay, dann lass uns aufhören, darüber zu reden, sondern die Voraussetzungen zu schaffen, damit es überhaupt gelingen kann.

00:17:12: Korrekt, ja.

00:17:13: Das ist, ja, so dieses 'Wer A sagt, muss auch B sagen', hat meine Oma immer gesagt. Ihr geht ja auch so ein bisschen in die Richtung, dann zu sagen, ja, wir geben uns jetzt einfach nicht zufrieden mit dem Palavern und Politik und ich weiß gar nicht - das war auch, glaube ich, war das sogar nicht ein Kollege von dir? Also auch Rudern oder ein Kanute, der auch immer sagt, "Die Politiker, die lassen sich immer nur sehen, wenn hier irgendwie so gerade mal Halligalli ist." Aber in der Zeit, wo ich trainiere, so sinngemäß und wir irgendwie gucken müssen, wie man über die Runden kommen, da lässt sich keiner blicken.

00:17:50: Ja, also genau. Das ging ja eigentlich um zwei Themen, als Kristina diese Aussagen getroffen hat. Es ging einmal um die Olympiabewerbung, natürlich, wo es einfach darum ging, da muss man jetzt auch mal Rückgrat der Bundesregierung haben und sagen, okay, wir wollen das. Und natürlich damit einhergehend auch, was den Leistungssport, die Medaillen betrifft. Weil das schwingt immer ganz eng beieinander im Sport. Und so eine Olympiabewerbung hat natürlich ganz viele Mechanismen, die es wieder einfacher macht, auch bestimmte Projekte zu starten, die auch Geld wieder in den Sport bringt, die auch Wertschätzung in den Sport bringt. Und das ist eigentlich das eigentliche Problem. Und auch da sind wir wieder beim Thema, was man, glaube ich, nicht nur im Sport sieht, sondern auch im unternehmerischen Bereich ist das Thema Wertschätzung. Ich glaube, wenn ich Wertschätzung meinen Mitarbeitern gegenüber zeige, genauso wie den Athleten dann - und ich rede jetzt nicht immer nur über finanzielle Geschichten, sondern es geht einfach wirklich um emotionale Wertschätzung. Auch um Sichtbarkeit. Und wenn ich das schaffe, dann habe ich auch eine ganz andere Art von Leistungsbereitschaft wieder geschaffen. Und das ist das große Problem, worüber wir die ganze Zeit reden, dass man genau das anpacken muss.

00:19:03: Und wenn ich von einer Regierung immer Medaillen sehen möchte, dann muss ich auch was dafür tun und kann mich nicht zurücklehnen und sagen, ja dann macht mal! Und das ist genau das, was wir bemängeln. Es gibt ganz, ganz viele Vorschläge. Es gibt ganz, ganz viele Dinge, die auch in der Mache sind, sage ich mal, aber es fehlt immer noch das Rückgrat der Bundesrepublik. Und das ist das, was uns, sage ich mal, uns Athleten so stört. Uns Menschen, die wir uns dafür einsetzen, dass einfach, ja - es wird immer jetzt, die Woche nach den Olympischen Spielen, kurz mal Flagge gezeigt und da wird sich dann hingestellt mit breiter Brust, aber dann ist es auch wieder vergessen. Aber dass da vier Jahre dazwischen sind, die mit Arbeit und Schweiß verbunden sind, manchmal auch finanzielle Mittel nötig sind, Planungssicherheit vonnöten ist. Wie im Unternehmen auch. Das wird immer vergessen. Und das ist das, was uns ärgert und deswegen sagen wir einfach, da muss man einfach ran und machen und nicht nur immer sich hinstellen und darüber debattieren.

00:19:58: Ich würde gerne jetzt mal den Hinweis auf Richtung Wertschätzung zum Anlass nehmen. Wir haben ja - jetzt kann man ja - Leistungsbereitschaft und Höchstleistungen - du bist ja auch, ich weiß gar nicht, ob man das so sagen kann - wahrscheinlich reißt du mir gleich den Kopf ab, aber jetzt ist ja das Kanufahren an sich, zumindest wenn du alleine fährst, eine Einzelsportart. Und jetzt bist du ja aber auch, glaube ich, im Doppel, bist du ja bisher auch gefahren oder sogar -

00:20:22: Genau, ich war in verschiedenen Disziplinen unterwegs. Also, ich habe Einer, Zweier und Vierer gemacht. Vierer ist das größte Boot sozusagen. Genau.

00:20:28: Ja. So und da wird es ja schnell, wie entsteht eigentlich Leistungsbereitschaft in einem Team? Weil wenn ich selber für mich alleine bin, dann ist es vielleicht noch mal was anderes. Ich muss diese inneren Dialoge führen, den inneren Schweinehund. Ich brauche vielleicht Leute um mich herum, die mich unterstützen. Aber wie gelingt das, diese Leistungsbereitschaft in einer Gruppe von Menschen aufrechtzuerhalten? Und du hast ja mit Wertschätzung schon irgendwie einen Aspekt eingeworfen, der vielleicht irgendwie wichtig ist. Und das muss ja nicht immer nur ein Team im engeren Sinne sein. Also wenn ihr zu viert in einem Boot sitzt, dann - es gibt ja ein unglaubliches Drumherum noch, wo ihr wahrscheinlich darauf angewiesen seid, dass diese Dinge auch funktionieren, damit ihr überhaupt diese Leistung erbringen könnt. Also wie schaffe ich das, dass sozusagen eine Leistungsbereitschaft auf einer systemischen Ebene entsteht und gefördert wird?

00:21:16: Also erst mal genau so wie du angesprochen hast, die vier Menschen, die man da sieht, das ist zwar das größte Rad, was sich dreht im System, aber da sind natürlich noch ganz viele andere Mechanismen, die im Hintergrund laufen, damit wir, ja, uns quasi auch als Athleten dann zeigen können. Und letztendlich läuft, glaube ich, die Leistungsbereitschaft im Team läuft hauptsächlich doch über das Ziel. Also wenn alle das gleiche Ziel haben und das klar definiert ist - das ist das Wichtige - dann ist, glaube ich, auch die Bereitschaft da, dafür zu kämpfen, dafür einzustehen. Aber, und das muss man auch sagen, das funktioniert nur, wenn man auch füreinander einsteht. Und da ist ein ganz schönes Beispiel gewesen auf dem Weg nach Tokio - wie ich schon erklärt habe - sind wir im Vierer unterwegs gewesen und das war eine ganz spezielle Vorbereitung auf die Spiele durch die Corona-Absage und alles, was dann unter Corona-Bedingungen passiert ist, das kann man sich gar nicht vorstellen, wie wir da trainiert haben. Das heißt, unsere Teampartner und unser ganzes Team an Trainern und Betreuern war quasi wie eine Ersatzfamilie. Und da hat man zum ersten Mal auch so richtig gemerkt, wie viel Wert das eigentlich ist, solche Menschen um sich herum zu haben. Sonst hat man das mal für so selbstverständlich gehalten.

00:22:29: Aber in so einer Phase, wo es dann auch wirklich, wirklich schwer wurde, wo es wirklich unfassbar eigentlich war, hat man ganz klar gemerkt, wie man zueinander steht. Und ich glaube, wenn man da ein ganz klares Bekenntnis auch zeigt, sich füreinander einsteht, auch für die Probleme des anderen einsteht, ihn nicht damit nicht alleine lässt, sondern man auch Probleme des anderen als seine Probleme versteht, dann wächst man extrem zusammen. Und die Erfahrung durfte ich auf dem Weg nach Tokio machen, dass wir, ja, wir hatten auch eine Phase, wo wir überhaupt gar nicht funktioniert haben, weil jeder hatte irgendwie in der Coronazeit seine eigenen Probleme. Das heißt, der eine konnte seine Freundin nicht sehen, weil die in Ungarn gelebt hat. Ich konnte meine Familie nicht sehen. Also jeder hatte irgendwie ganz eigene Probleme in der Zeit. Aber wir haben es dann irgendwie geschafft, immer gemeinsam für diese Probleme Lösungen zu suchen. Und ich glaube, das ist der Punkt, dass man einfach füreinander einsteht und vor allen Dingen auch für die Probleme des anderen einsteht. Und wenn das geschafft ist, so ein Team zu formen, dann ist wiederum, wie gesagt, die Zielstellung einfach ganz, ganz wichtig und klar definiert. Und dann ist es auch zielführend. Und dann wird es auch ein Team, was erfolgreich ist.

00:23:40: Es gibt ja in der modernen Arbeitswelt zunehmend Arbeitsmodelle um Formate wie zum Beispiel Scrum. Da gibt es dann einen Scrum Master, einen Coach, der dann auch mit dafür verantwortlich ist, dass ich die Menschen - also ich nutze jetzt mal dein Bild weiter - zu sagen, da sitzen irgendwie klar die vier Leute im Boot. Das ist das größte, größte Rad, was sich da dreht. Aber gibt es denn auch in eurer Konstellation dann jemanden, der sagt, die sind jetzt alle gerade so mit sich selber beschäftigt, aber ich führe. Ich halte die mal in dem Prozess, dass hier auch ein konstruktiver Austausch dann überhaupt stattfindet, die Funken auch mal wieder fliegen. Ja? Das ist ja auch ... Bereinigen dann. Also, wie funktioniert das in so einem konkreten Kontext jetzt, Leistungssport?

00:24:28: Ich glaube, tatsächlich lebt so ein Team immer von jemandem, der gute Führungsqualitäten hat. Und wie du schon sagst, ist es auch wichtig, dass immer mal wieder in so einem Prozess auch die Funken fliegen und dass man auch bewusst nicht alles bereinigt. Und in dem Fall, tatsächlich, war das so ein bisschen mein Job, weil ich halt auch zwölf Jahre älter war als der nächstjüngste in meinem Boot. Also ich war so ein bisschen der der Papa der Kompanie dort. Und für mich, ich habe das immer so verstanden, wenn man gut führt, auch so eine Mannschaft gut führt, weil letztendlich sind wir alle auf einer Ebene, das ist das Wichtige. Also niemand stellt sich heraus als derjenige, der die Führungskompetenzen dort hat, sondern letztendlich ist es wichtig, immer jemand zu haben, der für sich die Rolle annimmt, sie aber nicht an sich reißt. Und ich habe das immer so verstanden, am besten habe ich diesen Job ausgeführt, die Jungs zu führen in einer Art und Weise, wenn sie es gar nicht gemerkt haben, dass sie geführt wird werden. Das heißt, ich muss auch wissen, wann ich mich vielleicht zurücknehme und wann ich dem laufen lasse oder wann ich mich auch vor die anderen stelle, um quasi, ja, auch mir die Akzeptanz zu holen, in dem Moment vielleicht, mich aus dem Fenster lehnen zu dürfen. Also ich glaube, es ist ganz, ganz wichtig, dass man in diesem Team, wie auch immer das aussieht, immer jemanden hat, der Führungsqualitäten hat, diese aber nicht für sein Ego braucht, sondern sich dementsprechend dem Team trotzdem unterordnen kann und ja so quasi aus der Mitte heraus eine Führung erzeugt und nicht von oben herab.

00:26:02: Ja, ich glaube, das zeichnet ja gute Führung aus. Du kannst jemandem einen Titel auf die Visitenkarte printen, aber am Ende ist es ja auch, sage ich mal, eine Entscheidung des Geführten, ob ich mir nur was sagen lasse oder ob ich mich auch führen lasse oder ob ich mich bereit bin, auf Führung auch einzulassen. Das ist ja noch mal ein himmelweiter Unterschied. Was glaubst du denn, wie schaffe ich es - vielleicht auf einer persönlichen Ebene - wie schaffe ich es, dass wieder mehr Leistungsbereitschaft entsteht? Wenn man vielleicht für sich selber sagt, hey, ich glaube, ich bin selber so ein bisschen bequem geworden. Ich glaube, ich bin in einem Team tätig, wo alle irgendwie mit diesem, ich nenne es mal, so latenten faulen Kompromiss irgendwie rumeiern und leben, weil es ja doch irgendwie geht. Wie glaubst du, wie schaffe ich es, dass es - und vielleicht dann auch wieder der Überschlag zu deinem Einstiegsthema - wie gelingt uns das auch in der Erziehung bei Kindern, dass wir auf eine auf eine gute Art und Weise Leistungsbereitschaft und aber auch den Spaß an Leistung fördern?

00:27:12: Also ein paar ganz wichtige Stichpunkte, die du gerade gesagt hast oder Schlagwörter. Spaß ist, glaube ich, ein wichtiger Faktor. Man muss sich identifizieren können mit dem, was ich da mache. Und ich glaube, wenn man das ins Unternehmerische bringt, genauso wie im Sportlichen, ist es ganz wichtig, wie ich schon gesagt habe, ein gemeinsames Ziel zu formulieren. Das heißt, wenn ich jemandem das Ziel vorgebe, dann laufe ich immer Gefahr, dass er damit sich nicht identifizieren kann, dementsprechend keine Motivation hat und auch keine Leistungsbereitschaft. Das heißt, wenn ich wirklich als Team funktionieren will, dann muss ich auch als Team ein Ziel formulieren, ein gemeinsames Ziel formulieren. Und dann ist eigentlich automatisch gegeben, dass jeder dieses Ziel ja auch erreichen will. Ob das Erwachsene sind, ob das Kinder sind. Jeder will Ziele erreichen, jeder will irgendwo der Schnellste sein. Das ist ja das, was mich stört in der Kindererziehung. Ich versuche gerade zu erklären, dass es nicht so ist. Und daher glaube ich, dass das einfach der wichtigste Punkt ist. Als Team gemeinsam ein Ziel zu formulieren. Selbst persönlich - mir geht es jetzt auch so. Als ich Profisportler war, habe ich jeden Tag Sport gemacht. Jetzt muss ich mich natürlich auch motivieren. Und das schaffe ich wirklich nur, wenn ich ein Ziel habe. Ich kann nicht mir die Schuhe anziehen, sagen, ich gehe mal joggen oder ich gehe mal Kraftraum. Geht nicht. Also, das schaffe ich nicht. Ich schaffe das wirklich nur, wenn ich für mich eine Zielstellung habe. Und ich glaube, das ist einfach das A und O, bei allem, was wir erreichen wollen, dass man sich ein klares Ziel setzt. Beziehungsweise im Team auch gemeinsam ein Ziel setzt, wo dann jeder auch Bock drauf hat, sich da reinzuhängen. Und dann geht man auch die Extrameile.

00:28:42: Was ist denn dein aktuelles Ziel? Magst du es teilen?

00:28:46: lacht) Mein aktuelles Ziel ist, wieder gesund zu werden. Ich habe jetzt verschiedene Sachen hinter mir, von Bandscheibenvorfall bis Schulter-OP. Und da ist mein Ziel, jetzt einfach erst mal wieder gesund zu werden. Aber dann spiele ich Kanupolo Bundesliga als mein neues Ziel. Nach meiner Karriere. Das ist eine Sportart, in der ich aufgewachsen bin und bin jetzt zurück zu meinen Wurzeln und habe da einfach mit dem Team gemeinsam das Ziel, da wieder sportlich gut zu sein. Aber ich könnte nicht einfach so ziellos in den Kraftraum gehen oder mir Schuhe anziehen und sagen, das mache ich für mich. Das kann ich nicht. (lacht) Das ist schwierig.

00:29:23: Ich muss gerade so schmunzeln, weil mein kleiner Großer, der ist mittlerweile - der ist ja richtig fit. Der geht, keine Ahnung, ich bin leistungsorientiert, Fußball, zig mal die Woche Training ... Der ist mittlerweile so fit, dass ich mir irgendwie, ich weiß auch nicht, woher es kam, aber Stichwort Fitness ... Mein eigenes Ziel, wie gesagt, Sixpack muss wieder her. Das ist jetzt so entstanden und es ist witzig, dass du das jetzt gerade ansprichst. Ich gehe zwar jeden Morgen laufen, aber seitdem ich mir selber dieses Ziel gesteckt habe, gehe ich noch mal anders laufen. Also, da ist es dann auch - doch auf einmal wird noch mal ein, zwei Kilometer hintendran gehangen. Auf einmal bin ich nicht nur zweimal die Woche im Gym, sondern öfter. Also, es macht dann ganz viel mit einem.

00:30:10: Klar, auf einmal guckst du auf die Uhr, wie schnell der letzte Kilometer war, was du vorher -

00:30:14: Das lieber nicht, das lieber nicht! (beide lachen)

00:30:19: Das sind alles Effekte, die daraus entstehen. Und was mich halt so stört - wenn man jetzt mal zurück geht zu den Kindern - das ist ja von Natur aus gegeben. Also wenn wir jetzt sagen, wir schmeißen den Ball in die Mitte und wir spielen aber ohne Tore und es gibt keinen Gewinner. Schwöre ich bei Stein und Bein, dass jeder von denen am Ende trotzdem weiß, wie es steht. Und das ist doch der Punkt. Ist es doch einfach von Natur aus gegeben, dass man den Wettkampf auch will und dass es auch Spaß macht. Und das muss doch das Signal sein. Leistung ist halt nichts Negatives. Und das ist das, was mich so ärgert, dass man das so propagiert, dass Leistung was Negatives ist und was uns ja in eine negative Spirale zieht. Das ist doch überhaupt gar nicht so, das ist doch was, was Spaß machen kann. Das ist doch was, was uns groß machen kann, was uns ja auch verschiedene Werte mitgibt, was uns auch Lehren mitgibt. Und das ist halt das, was ich absolut nicht verstehen kann, dass man das in welcher Beziehung auch immer, ob Schule, ob Unternehmen oder wo auch immer, Work Life Balance, wo über all diese Leistungen versucht wird wegzudrücken. Das ist das was, was ich einfach gar nicht verstehen kann.

00:31:26: Wie würdest du denn mal ein Beispiel - es wird ja oft diskutiert und jetzt haben wir beide Kinder - Stichwort ehemals Bundesjugendspiele - mittlerweile haben sie einen anderen Namen bekommen. Ich weiß aber auch nicht mehr. Sportfeste werden jetzt gefeiert an der Schule. Aber das ist so ein Punkt, wo ich manchmal auch hin und hergerissen bin, den ich auf der einen Seite gut nachvollziehen kann, gibt man Kindern quasi ein Opt-out. Ja? Also den Kindern, die sagen - weil ich bin voll bei dir - die Kinder, zumindest viele, die wollen sich auch messen, die wollen vergleichen, die haben, was ich so faszinierend finde bei mir, bei meinem Sohn - Fußball, dass oft Eltern außen rum - also, ich glaube, das verändert sich jetzt irgendwann in der Pubertät - die deutlich mehr noch mal so sind als die Kinder, die dann in einem Wettkampf sind und danach deutlich leichter vom Platz gehen können und mit dem anderen Handshake machen können. So nach dem Motto, ja, ist jetzt gelungen. Also, wir waren jetzt in einem Wettkampf und jetzt ist auch gut. Vorbei. Also, es hat noch nicht diese teilweise negative Konnotation, dass man dann auch den Wettkampf, den sportlichen Wettkampf mit einer Art Kampf verwechselt. Ja? Aber wie würdest du jetzt damit umgehen? Ganz konkret bei Kindern? Also, gebe ich Kindern ein Opt-out? Mache ich Sommer- oder Sportfeste für alle? Alle müssen daran teilnehmen. Auch die, die vielleicht wirklich offensichtlich 0,000 Talent für einen 100-Meter-Lauf haben?

00:32:53: Auf jeden Fall müssen alle teilnehmen. Also ich finde auch, ich finde das immer banal. Warum reden wir denn dann nur über den Sport? Es sitzen doch alle im Matheunterricht. Die sitzen doch alle im Deutschunterricht, im Englischunterricht. Und es gibt auch die Kinder, die sicherlich an Mathe Wettkämpfen teilnehmen und da Medaillen gewinnen, aber auf dem Sportplatz dementsprechend nicht so gut. Und das, was du sagst, darauf kommt es doch an, dass man lernt, miteinander sich zu vergleichen. Und egal ob man jetzt der Bessere war oder der Schlechtere, dass man sich trotzdem auf der menschlichen Ebene schätzt und respektiert. Das ist doch was, was wir den Kindern zeigen müssen, dass es keinen Unterschied macht, ob ich ein besserer Mensch bin, wenn ich da jetzt gut oder schlecht bin, sondern das ist mein Weg, den ich für mich finde. Und ich lerne doch daraus, dem anderen respektvoll gegenüberzutreten, auch wenn er vielleicht da etwas schlechter ist. Und der andere da etwas besser, aber letztendlich wir trotzdem füreinander da sind und eine Art und Weise. Und das ist was, was - finde ich halt - der Sport aber ganz wunderbar transportieren kann, wie du schon sagst, mit dem Handshake danach. Das ist halt ... Der Sport ist da noch ein bisschen körperlicher und Körperlichkeit erzeugt da ja auch mehr Emotion. Und das heißt, da kriege ich diese Werte natürlich noch viel besser gespielt als in einem Unterrichtsraum zum Beispiel.

00:34:07: Und das ist das, warum ich den Sport als so wichtig empfinde, als so wichtiges Instrument, solche Werte zu vermitteln. Nicht nur damit sie das später im Sport anbringen können, sondern in dem Leben soll ich es anwenden. Und darum geht es doch, dass sie das Werkzeug bekommen, ihr Leben so zu gestalten, wie sie es, ja, vielleicht sollten und könnten dann und auch in die Gesellschaft sich einzubringen. Und wenn ich jetzt quasi diese Leute oder Kinder, die vielleicht im Sport gar kein Talent haben, gar nicht mehr in die Situation bringe, da vielleicht sich auch selber zu finden vielleicht. Vielleicht hat er aber Sportarten oder vielleicht gibt es auch Disziplinen, wo er gut ist, aber selbst wenn nicht. Wenn nicht, dann erkenne ich aber, dass Sport vielleicht nicht mein Ding ist. Aber vielleicht ist etwas anderes auf einmal das Ding, wo er sich herausziehen kann. Also, ich muss doch Dinge auch versuchen, Wege zu gehen, um vielleicht Stärken und Schwächen für mich selber zu erkennen. Und vielleicht zieht er daraus viel mehr Kraft, weil er sagt, das ist mein Ding, auch wenn ich bestimmte Dinge erkannt habe, das ist nicht meins, gehe ich lieber in die Richtung XY, weil das ist mein Weg und ich werde trotzdem respektiert und das macht mich trotzdem stark. So, das ist doch der Punkt.

00:35:20: Ja, ich würde noch mal [auf] ein paar andere Aspekte eingehen, die wir so zwischendurch - weil die für mich leitende Frage ist ja immer noch, wie schaffen wir es auch wieder ein bisschen mehr Leistungsbereitschaft oder Leistungsbereitschaft im Allgemeinen erst mal als per se etwas Gutes, aber auch vielleicht sogar auf eine gewisse Art und Weise zu fördern? Wie stehst du denn zu dem ... Jetzt hast du eben gesagt, Leistungsbereitschaft, vor allem wenn sie im Team ist, braucht immer auch mal Ziele, die man dann auch gemeinsam für sich reflektiert. Und wo alle sagen, ja, da bin ich dabei. Und jetzt können ja Ziele schon mal sehr groß sein. Also, wie wichtig ist es auch, sich immer wieder selber so Feedbackschleifen einzubauen? Es müssen ja, wenn ich jetzt morgens aufstehe und sage, ich will Marathon laufen, oder den Mount Everest besteigen, dann ist es ein riesiges Ziel. Ist das immer ausreichend oder braucht es zwischendurch noch so, ja, sage ich mal, kleinere Schritte, Ziele auf Sichtweite? Wie hast du das erlebt, als jemand, der sich drei Jahre auf eine Olympiateilnahme vorbereitet? Ist ja ein sehr entfernt liegendes Ziel.

00:36:24: Vier Jahre sind es, ja, dann letztendlich. In Tokio waren es sogar fünf mit der Verlängerung. Aber ich glaube, ich habe es vorhin schon mal erwähnt, ist genau der Punkt, der ist unabdinglich. Also, du brauchst Meilensteine, du brauchst Punkte um, wie du schon sagst, selber auch in die Feedbackschleife zu gehen, um dich selber zu testen. Bist du auf dem richtigen Weg? Oder auch woran muss ich noch arbeiten? Und wenn man nur dieses ganz weit entfernte große Ziel hätte, würde mir das auch viel zu groß vorkommen. Das würde dich erschlagen. Und daher sind diese Meilensteine, diese Steps auch extrem wichtig, auch für den Fokus. Weil es kann durchaus sein, dass ich einen Meilenstein erreiche nur mit, keine Ahnung, mit einem Baustein, den ich habe. Und dann habe ich aber wieder einen anderen Baustein, den ich sozusagen bearbeiten muss und mich da voll drauf fokussieren muss. Und erst am Ende setzen sich diese Bausteine zusammen, um dieses große Ziel erreichen zu können. Das heißt, auch da ist es wichtig, sich Etappenziele einzubauen und, ja, diese Meilensteine brauche ich einfach, um mich selbst zu reflektieren und mir auch selber ein Feedback geben zu können. Weil das hatte ich ja auch angesprochen, das ist das A und O, ist die Selbstkritik. Und woraus soll ich die Selbstkritik ziehen, wenn ich mich selber nicht an irgendeinem Punkt testen kann oder challengen kann?

00:37:38: Kannst du uns mal ein Beispiel geben? Also wenn du dich vier Jahre auf Olympia vorbereitest, wenn das das große Ziel ist, was sind dann für dich Zwischenetappenziele? Sind es dann Zeiten, oder?

00:37:49: Ja, also genau, wir haben ja ganz viele Tests. Also wir sind schon ziemlich wissenschaftlich begleitet, das muss man dazu sagen im Leistungssport, das kann man von außen manchmal gar nicht so erahnen. Es ist viel Wissenschaft wirklich bei der Sache, und das geht von Blutanalysen, das geht von Leistungstests, das geht bis zu Techniktests, das geht zu 3D-Analysen. Und da sind wir noch gar nicht bei der Abstimmung eines Teams. Das kommt ja dann hinterher erst noch. Also wenn man jetzt weitergeht und sich in ein Team reindenkt wie bei uns, gibt es ja noch Extrameilensteile, noch Extraverfahren, die man beachten muss. Und ja, so gibt es in allen Bereichen dann letztendlich Zielstellungen, die man hat. Also zum Beispiel auch bei uns gibt es durchaus auch Zielstellungen, die gar nicht auf dem Wasser stattfinden. Zum Beispiel im Kraftraum. Das heißt, wir brauchen eine bestimmte Kraftvoraussetzung im Kraftraum. Und auch da gibt es Tests, die wir dann überhaupt - damit wir überhaupt diese Kräfte im Wasser erzeugen können. Das heißt, manchmal gibt es durchaus Meilensteine und Zielstellungen, die in dem Moment gar nichts mit dem Ziel an sich zu tun haben, sondern ein bisschen nebenher laufen. Aber auch die muss ich bearbeiten und kontrollieren, weil das manchmal eine Voraussetzung ist, um letztendlich dann auf anderer Ebene wirken zu können. Deswegen ist dieses Beispiel mit dem Kraftraum gar nicht so schlecht, um da eine Voraussetzung zu schaffen, damit wir überhaupt auf dem Wasser schnell sein können, zum Beispiel. Also deswegen ist es wichtig, auch wirklich die Ziele dann einzeln zu beleuchten, damit man es auch ja auseinanderklamüsern kann. Und dann natürlich, wie ich schon gesagt habe, in unserem Fall auch immer wissenschaftlich begleitet. Das heißt, ich kann dir heute sagen, anhand meiner 25-jährigen Karriere, in welchem Monat ich welche Kräfte zum Beispiel im Kraftraum hatte. Das ist überall dokumentiert. Also, da ist schon viel, viel Wissenschaft mit zugange und das, glaube ich, kann man auch auf jedes System übertragen. Diese Meilensteine und diese Bereiche, die man einfach beackern muss, um das große Ganze bausteinmäßig dann zusammenzusetzen.

00:39:47: Witzigerweise hat die agile Methodenkiste - also wie arbeiten wir im 21. Jahrhundert zusammen - dafür auch ein Werkzeug. Die heißt dann Objectives and Key Results. Ist am Ende nichts weiter als das, was du sagst, ne? Ich habe große Ziele und muss die aber ja auch runterbrechen, aber auch über eine Vielzahl von Teams und Leuten in meiner Organisation orchestrieren und kaskadieren und dann kurzfristige Messpunkte einbauen, um immer wieder zu sagen - die sozusagen als Feedbackschleife dienen - wir fühlen uns alle gut und es fühlt sich alles richtig an! Ist ja kein Feedback. Es ist gut und wichtig, aber es muss ja auch - bin ich jetzt in der Lage, keine Ahnung, 150 Kilogramm in der Beinpresse zu drücken? Ja oder nein? Schaffe ich das zehnmal hintereinander? Weil du gerade sagtest, Kraftraum ja oder nein? Ja? Wie sind meine Blutwerte? Wie sind denn die Sauerstoffsättigungen? Was weiß ich? Ganz klare Messpunkte. So dass ich auch ein quantitatives Feedback habe, wo man dann nicht mehr noch mal in eine Diskussion einsteigt. Aber ich lese den Wert anders. Egal. Der Wert ist so, wie er ist. Ja?

00:40:50: Aber genau das ist jetzt der Punkt. Da unterscheidet sich dann der Mensch letztendlich und da entscheidet sich auch, werde ich ein Guter oder werde ich ein sehr Guter? Weil die Frage ist nämlich, wie gehe ich mit den Key Results um? Manche fassen das - und das habe ich auch im Sport oft - junge Athleten oder eine neue Generation tendiert leider auch oft dazu, das als Niederlage zu verstehen. Also meinetwegen, das ist das, was rauskommt, was nicht so gut ist. Oder was mich vielleicht in die Lage bringt, dass ich mich hinterfragen lassen muss. Dass das nicht so offen akzeptiert wird, sondern eher mit einer Angst begegnet wird, dass ich vielleicht rausfliege aus dem Team, dass ich auch in meiner Motivation vielleicht einen Bruch habe. Aber die sehr guten, die dann hinterher wirklich ganz oben ankommen, die nehmen das als Chance. Das, was ich vorhin schon mal gesagt habe, die nehmen diese Key Results - selbst wenn es nicht so gut war - nehmen die sie dankbar an, als Chance zu sagen, oh, ein Glück haben wir dieses Ergebnis jetzt gehabt, weil das gibt mir die Möglichkeit nachzujustieren und wieder eine Stufe höher zu steigen im System. So, und das ist das, was die Spreu vom Weizen trennt. Aus meiner Erfahrung.

00:41:58: Und jetzt vielleicht zwei Abschlussfragen. Jetzt wird es ja einmal darum gehen ... Jetzt sagtest du es, ja, eben schon neue Generation. Jetzt könnte man wahrscheinlich noch einen eigenen Podcast drüber machen. Es ist auch ein Generationenthema, was wir hier haben. Vielleicht weil diese Gleichmacherei sich vielleicht doch vielleicht eher erst einmal in den letzten Jahren Jahrzehnten irgendwie etabliert hat. Aber wie gelingt es uns? Das waren jetzt zwei Abschlussfragen. Erst mal ein mal, wie gelingt es uns vielleicht auch eine gute Leistungsbereitschaft bei Kindern zu fördern? Und wie gelingt uns das vielleicht auf einer unternehmerischen Ebene? Also, vielleicht hast du ja auch Ideen Hinweise als. Also, "Meine Erfahrung als Profisportler würde ich folgendes tun, wenn ich wollen würde, dass in einem Unternehmen auch wieder Leistungsbereitschaft und die Bereitschaft zur Höchstleistung vorliegt ..."

00:42:49: Also im Kinder- und Jugendalter ganz klar, wir müssen einfach den Kindern wieder mitgeben, die Moral mitgeben, dass Leistung Spaß machen kann. Und das ist, glaube ich, das ist die Hauptaussage, die man treffen kann. Dass es nichts Schlimmes ist. Dass es Spaß macht, sich zu vergleichen. Dass es Spaß macht, um Bestzeiten zu kämpfen und alles andere entsteht genau daraus. Da muss man gar nicht viel debattieren, sondern das ist aus meiner Sicht sogar ziemlich einfach. Aber das muss man erleben und das muss man wirklich auch auch wollen. Wie wir schon gesagt haben. Man muss es einfach machen. Und das ist für mich einfach die Aussage.

00:43:26: Wie würdest du sagen oder was würdest du Eltern empfehlen? Du hast ja eben schon gesagt, Eltern tendieren oft dazu, so eine Glocke über ihre Kinder ... denen soll ja nichts passieren. Behütet. Also behütet, ja, dann auch in einem Missverständnis. Was tust du mit deinen Kindern, um zu helfen, mit Niederlagen umzugehen?

00:43:43: Ja, also ich kann ja mal eine Anekdote erzählen. Das habe ich jetzt auch vor kurzem erlebt. Mein Sohn spielt ja auch Fußball, hatte im Winter einen Kreuzbandriss und ist jetzt zehn Jahre alt und ist dadurch, weil er ein bisschen hinterher gehangen hat, jetzt aus seiner ersten Mannschaft rausgeflogen, weil sie halt das leistungsmäßig neustaffiert haben. Und da hat er jetzt in dem Moment, ja, hat in dem Moment einfach noch nicht das wieder gehabt, was er eigentlich mal hatte. Und natürlich war es extrem hart. Also der, wie gesagt, mit zehn Jahren. Es war, als wenn seine Freunde ihn verstoßen und er hat drei Tage nur geweint. Und das war für mich auch eine ganz, ganz schwere Situation, als Elternteil damit umzugehen, als Vater damit umzugehen. Das war für mich auch ... Da ist mir mein Herz zerbrochen. Aber was ich daraus gelernt habe - ich für mich - oder erkannt habe, ist, dass es natürlich einfacher ist, die Glocke über die Kinder zu stülpen, damit sie vor Niederlagen gefeit sind. Aber nicht nur des Kindes willen, sondern viele machen das auch, weil es, glaube ich, der einfachere Weg für die Eltern ist. Und das habe ich in dieser Situation - für mich war das mein Learning. Weil natürlich hätte ich ihn davor bewahren können. Natürlich hätte ich sagen können, wir nehmen dich mal ganz raus die Saison oder wir machen erst mal eine Aufbereitung und Vorbereitung. Aber er wollte nicht und ich wollte ihm auch zeigen, dass es sein Weg ist, den er gehen kann.

00:45:04: Und ich habe ihn nicht vor dieser Niederlage beschützt. Aber für mich war es dadurch schwerer, als hätte ich ihm die Haube drüber gehalten, weil es mich wirklich mitgenommen hat, hart mitgenommen hat. Mein eigenes Kind so zu sehen. So drei Tage wirklich durchgeweint. Und das war einfach mein Learning. Dass es einfach manchmal auch der Wille der Eltern ist, wie ich selber als Elternteil damit umgehen möchte. Ob ich mir das antun möchte und mein Kind aber wachsen lasse daran und ihm auf diesen Weg dann begleite. Natürlich muss man sie dann auf diesem Weg begleiten. Ich kann ihn ja da auch nicht alleine lassen mit, sondern es hat auch in unserem Fall viel, viel Gespräche gedauert, hat viel Zeit in Anspruch genommen und wir haben viel gesprochen und wir haben viel über neue Ziele gesprochen und Wege, wie man jetzt rauskommt. Aber das ist natürlich Arbeit und das ist nicht einfach. Man muss da wirklich viel bereit sein. Und wie gesagt, ich hätte mir das ersparen können, wenn ich ihm die Glocke darüber gehalten habe. Und das macht, glaube ich, einen Unterschied. Wie bereit bin ich auch als Elternteil, ja, diesen Leidensweg zu begleiten und dann letztendlich aber auch die Möglichkeit zu geben, daraus zu wachsen und daraus wahrscheinlich stärker hervorzugehen, als wenn man die Glocke drüber gehalten hätte.

00:46:19: Interessant. Ich habe eine sehr ähnliche Erfahrung, aber das würde jetzt den Rahmen sprengen. Aber die und auch das, was du gerade sagst, kann ich 100 % nachvollziehen. Dieses Leid, was man als Elternteil in dem Moment selber hat. Dieses auf der einen Seite beschützen wollen, aber auf der anderen Seite - also meiner war mal an einem Punkt, dass er auch nach einer längeren Verletzung oder nachdem er länger ausgesetzt hat, aufhören wollte. Und da sage ich, das geht - also ich habe es verstanden, aber ich habe gesagt, das geht nicht, du musst wieder auf den Platz gehen. Du gehst nicht einfach so jetzt raus. Du spielst die Saison zu Ende. Ja? Also, dieses immer wieder sie in die Situation reinschicken und so ein bisschen zu sagen, okay, ich bin hinter dir, aber ich mache dir nicht die Tür auf, hier dich aus einer Situation auch rauszuziehen. Und es kam, wie es kommen musste. Er hat halt auch wieder dann Feuer gefangen, aber dann war eine ähnliche Situation. Dann dieser Leistungsabfall und da wurde er auch - so wurde die Wahrnehmung seiner Leistung - das war auch eine spannende Erfahrung für mich als Elternteil. Was würdest du sagen auf unternehmerischer Ebene? Was dürfen wir da tun, damit der Wille zur Höchstleistung besteht?

00:47:32: Würde ich jetzt nicht jeden Tag im Unternehmen, aber ich würde schon sagen, dass es ja auch wieder eine Frage der Wertschätzung ist. Wie gehe ich auch der Kommunikation mit den Mitarbeitern, gemeinsame Ziele zu schaffen, einfach da auch wieder ja ... Wie wir es, ja, vorhin schon besprochen haben. Ich habe das Gefühl, dass es alles nicht mehr ganz so ehrlich ist, nicht mehr ganz so, ja, auch manchmal Themen anzusprechen, die vielleicht nicht komfortabel sind. Da hinzugehen, wo es auch weh tut und dann aber erkennen, dass ich demjenigen nichts Böses damit will, sondern [???], dass ich demjenigen etwas Gutes damit will, um uns als Team weiterzubringen. Und das ist, glaube ich, das, was wir lernen müssen in allen Bereichen und was sicherlich unternehmerisch dann auch einen großen Wert hat, wenn man da gemeinsam sich wieder an die Hand nimmt.

00:48:26: Ja, sehr schön. Dann will ich mal mich bemühen, mal wirklich in ein paar Bunde zusammenzufassen. Wir haben ja viel über Leistungsbereitschaft, die Bereitschaft zu Höchstleistungen, aber auch ein gewisses Mittelmaß, das daraus resultiert, wenn ich diese Leistungsbereitschaft nicht habe, gesprochen. Und ich habe mir folgende Punkte notiert, die unglaublich wichtig sind. Vielleicht magst du die dann im Anschluss noch ergänzen. Einerseits braucht es ein Ziel. Also, ich brauche ein Ziel. Wohin will ich denn eigentlich? Wenn ich in einem Team bin, ist es wichtig, dass ich diese Ziele gemeinsam reflektiere. Also die sollen nicht vorgegeben sein, sondern die müssen aus dem Team herauskommen. Dann können Ziele mitunter sehr groß sein. Deswegen wäre der zweite wichtige Punkt, dass ich auch sage, ich habe auch konkrete Messpunkte, Zwischenziele, kleine Steps, die ich auf diesen Weg überhaupt messen kann, damit ich auch permanent in so eine Feedbackschleife für mich selber komme, um dann - dritter, wichtiger Punkt - auch relativ ehrlich in der Analyse bin also auch eine gewisse, ich nenne es mal positive Konfliktbereitschaft habe, eine gewisse Ehrlichkeit auch an den Tag lege und mich nicht da rausreden will, sondern mit mir, aber auch mit allen anderen relativ ehrlich bin, ohne dass ich viertens dabei auch ein Stück weit die Wertschätzung verliere. Also immer differenzieren zwischen - jetzt gerade im Team - wir gehen zusammen diesen Weg und den anderen sehen und respektieren für seinen Einsatz und trotzdem aber sehr ehrlich in der Analyse sein. Also, diese vielleicht inhaltliche und eine soziale Ebene vielleicht nicht miteinander zu vermischen. Und fünftens auf diesem ganzen Weg sicher auch eine gewisse Leichtigkeit zu bewahren und Spaß daran zu haben, an der Leistungserbringung vielleicht, am Erreichen von Zwischenzielen und den Spaß auch nicht zu verlieren, wenn man vielleicht auf dem Weg mal sehr verwirrt ist und gar nicht weiß, wie man weitermachen kann. Was würdest du der Liste noch ergänzen wollen?

00:50:28: Gar nichts. Also ich habe hier auch ein bisschen mitgeschrieben. Das ist genau das, worum es, glaube ich, geht. Also, du hast das gut zusammengefasst in den fünf Punkten. Und tatsächlich mal vielleicht als Anekdote von mir noch mal, weil du sagst 'Spaß bewahren' und 'Erreichung von Zielen'. Tatsächlich, was mir am meisten Spaß gemacht hat in der Karriere, ist gar nicht unbedingt die Aussicht auf eine Medaille. Das hat mich gar nicht am meisten angetrieben. Sondern was mir am meisten Spaß gemacht hat, ist, mich selbst herauszufordern, mit mir selbst in die Challenge zu gehen. Das heißt, dass wirklich das tägliche Training, zu gucken, diese Meilensteine zu erreichen. Wie erreiche ich sie? Also, das war eigentlich das, was mich jeden Tag am Leben gehalten hat, weil dieses Ziel, diese Medaille ist viel zu weit weg. Und eigentlich, dass die Aufgabe mit mir selber, vor allen Dingen die Herausforderung, die ich mir selber stelle, die jeden Tag zu bearbeiten, das war das, was mir am meisten Spaß gemacht hat.

00:51:31: Sehr schönes Schlusswort. Roland, vielen Dank, dass du hier warst und deine Erfahrung heute geteilt hast. Vielleicht sprechen wir uns mal wieder.

00:51:38: Ja, gerne. Würde mich freuen! (lacht)

00:51:41: Schön, dass du bis zum Ende dabei warst. Wenn dir die Episode gefallen hat, dann freuen wir uns über deine Bewertung. Wenn du darüber hinaus Fragen, Anregungen für interessante Themen oder Gesprächspartner hast, der Besuch uns gerne unter de no.de Podcast. Bis zum nächsten Mal.