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00:00:28: Felix ist Gründer und Geschäftsführer einer Design- und Softwareagentur mit über 80 Mitarbeitern im In- und Ausland. Im Podcast sprechen wir über den Glauben an die Kraft der Selbstorganisation und die dabei auftretenden Hürden. Felix, herzlich willkommen!

00:00:44: Ich danke dir! Vielen Dank für die Einladung.

00:00:47: Du bist Gründer einer Design- und Softwareagentur. Ihr habt ja doch zahlreiche Leute im In- und Ausland, 80+, und habt euch entschieden, euch holokratisch zu organisieren. Bevor wir da vielleicht auf die wirklichen Fragen eingehen, für die du heute hier bist. Vielleicht starten wir kurz damit, wenn neue Mitarbeiter kommen. Wie erklärst du dem denn was? Was ist die Holokratie?

00:01:13: Holokratie ist eine Art und Weise - es ist also ein Organisationsdesign, eine Organisationsstruktur. Und es ist unsere Art und Weise, unsere Arbeit zu organisieren. Und wir sagen immer, die meisten kennen die klassische hierarchische Pyramide. Da ist oben der CEO, dann kommt das obere Management, dann kommt das mittlere Management und unten irgendwann die Experten. Das lösen wir weitestgehend auf. Es ist keine Demokratie. Also, es hat nicht jeder die gleiche Stimme, das gleiche Stimmrecht. Es gibt schon noch Hierarchien, aber es ist eine Organisationsform, die ein Unternehmen eher als einen Organismus betrachtet, der sich selbst organisiert, permanent anpasst an die Umwelt, an unsere sich schnell verändernde Welt. Und das kann gesellschaftlich sein, das kann politisch sein, das können Technologien sein, die sich permanent und schnell ändern. Und das ist unsere Form, die wir gewählt haben für unsere Organisation, um uns schnellstmöglich immer anpassen zu können und immer weiter vorne zu sein.

00:02:18: Ja, die Begriffe, also gängige Begriffe, die da auftauchen, vielleicht klären wir die auch noch kurz. Holokratie funktioniert ja stark über Rollen, also Rollenmodelle statt Stellenbeschreibungen. Also ich stehe auf der Stelle und habe dazu eine Beschreibung. Rollen im Sinne von Verantwortung, was meine Domänen, über die ich entscheiden darf. Wo habe ich ganz klare Grenzen? Auch Dinge, die ich entscheiden darf. Wo sind aber dann die Grenzen, was ich auch sozusagen abliefern muss innerhalb meiner Rolle. Wenn es mal zu viel ist für einen, kommen darüber Kreise. Und die Holokratie - aber ich glaube, das würde jetzt zu weit führen, wenn wir das noch alles im Detail erklären - funktioniert dann, wenn man es mal einfach machen will für den Hörer, der vielleicht noch nie damit konfrontiert war, was vorher ein Team war, in der Holokratie bezeichnet man [es] dort als Kreis und die sind eben über Doppelstrukturen oder Doppellinien dann auch miteinander verbunden.

00:03:11: Genau. Und das Wichtige, der große Unterschied ist, dass du nicht dir erst mal die Menschen anschaust, die du in einem Unternehmen hast, also ein Marketingmanager, ein Head of Design, sondern du guckst dir erst mal die Organisation an und schaust, was sind denn Dinge, die erledigt werden müssen? Welche Arbeit muss gemacht werden? Beschreibst das in Rollen und guckst dann, welche Mitarbeitenden du auf diese Rollen setzt. Und der große Unterschied ist, ein Mitarbeiter, eine Mitarbeiterin kann drei, vier unterschiedliche Rollen besetzen, ja? Also es ist dann nicht nur der Senior Designer. Der Senior Designer kann auch Marketing Copywriter sein, wenn er eine besondere Begabung im Schreiben hat. Und das ist eben das Schöne an der Holokratie oder an der Organisationsform, dass Im Idealzustand hast du alle Mitarbeitenden permanent in ihren Stärken, aber eben nicht nur in ihrem - wenn wir an die T-Shape denken - nicht nur in der Tiefe, sondern eben auch in der Breite kann jeder und jede sich so einbringen, dass sie permanent, idealerweise in ihren Stärken arbeiten. Und das ist dann natürlich Arbeit mit einem höheren gefühlten Impact für den Einzelnen, aber auch für die Organisation.

00:04:24: Ja, wir hatten da auch schon mal einen Gast zu. An der Stelle ein kurzer Querlink. In der Episode drei war die Anna De Rose zu Gast und da haben wir auch über die Einführung von der Holokratie gesprochen und da auch ein bisschen ausführlicher über wie sie aufgebaut ist. Aber jetzt zurück zu euch. Was war für euch der Grund oder für euch als Gründer auch eines Unternehmens, zu sagen, wir wollen es irgendwie anders. Also, anders als wir das so - was ja immer der spontane erste Impuls ist - ich baue eine Organisation oder ein Business auf, sitze am Anfang vielleicht mit drei guten Buddies am Tisch. Dann kommen die ersten Mitarbeiter. Da musst du überlegen, ja, was machen wir jetzt? Und da ist, ja, der spontane Impuls irgendwie, packen wir sie doch in Abteilungen. Ja? Und geben dem einen noch einen Head-of, weil er besonders geil drauf ist. Ja? Und baut dann schön eine funktionale Arbeitsabteilung auf. Wann war bei euch der Punkt erreicht, wo ihr sagtet, hey, wollen wir nicht? Wir wollen was anderes. Habt ihr es anders probiert und es hat nicht funktioniert? Oder war das von Anfang an so ein bisschen eure Idee? Wenn wir wachsen und Strukturen aufbauen, dann machen wir es anders.

00:05:33: Wir haben es genauso gebaut, wie du gesagt hast. Also nach Text Book. Wir haben uns die ganzen Wie-gründe-ich und Wie-baue-ich-ein-Unternehmen-auf-Bücher durchgelesen.

00:05:44: Bücher aber aus den Achtzigern, oder?

00:05:45: Ja, natürlich. (lacht) Also, ich sag mal, ein, zwei Bücher, aber auch viel dann quasi Learning on the job und geguckt, was macht da gerade Sinn? Aber es hat sich dann schon die klassische Pyramide eben ergeben. Und der Punkt, wo wir gesagt haben, so, jetzt müssen wir was ändern, war als wir dann schon so 30, 40 Mitarbeitende, glaube ich, waren wir da schon und wir hatten auch natürlich einen Designdirektor. Wir haben, ja, UX/UI Design auch als eines unserer Flaggschiffe und hatten einen Designdirektor und es musste alles über seinen Tisch gehen, ja? Der hat dann auch zwischendurch mal, glaube ich, eine Vier-Tage-Woche gemacht. Also, Bottleneck war immer er, seine Verfügbarkeit, seine Laune auch. Und wir haben gesagt, da muss es doch was anderes geben, dass das ein bisschen dezentralisiert wird. Und dann haben wir uns umgeschaut. Dann haben wir den Frederic Laloux gefunden und wie der über Organisationen denkt und haben dann die Holokratie als Modell, was für uns passend erschien, auserwählt. Haben wir uns dann da aber auch tatsächlich dann einen Coach geholt, der das mit uns über mehrere Tage mit dem ganzen Team implementiert hat. Und ... Also, bevor wir uns Holokratie angeschaut haben, hatten wir auch nicht das Bewusstsein dafür, dass vielleicht gar nicht alle in ihren Stärken arbeiten. Das ist uns dann bewusst geworden. Ja, wir können, ja, die einzelnen Mitarbeitenden noch viel mehr hebeln, sozusagen. All das, was sie vielleicht auch abseits ihrer Kernkompetenz können. Also das zum einen Teil. Dann natürlich auch das große Bedürfnis der jüngeren Generation nach Impact. Die wollen, ja, spüren, was hat denn jetzt meine Arbeit für eine Auswirkung auf die ganze Organisation? Welchen Hebel habe ich? Und das ist heutzutage meiner Erfahrung nach wichtig für die Mitarbeiterzufriedenheit. Und das ermöglicht Holokratie noch mal ein bisschen mehr als eine klassische Pyramide, dass auch auf einerJuniorposition definitiv ein Junior auf Rollen sitzen kann, wo er schon auf die ganze Organisation einen größeren Impact hat, als er es nur als Juniordesigner hätte. Ja? Das waren so die Gründe, dass wir gesagt haben, so, das machen wir jetzt.

00:08:06: Also, der gefühlte Schmerz, Gott, wir sind zu langsam. Wir haben hier - das ist ja interessant, aber immerhin die Einsicht, dass ihr euch das Bottleneck selber eingebaut habt.

00:08:15: Absolut.

00:08:16: Ja. Da muss man ja auch erst mal sehen.

00:08:18: Ja

00:08:18: Und ein System ist ja auch immer nur so leistungsfähig wie das schwächste Glied in der Kette.

00:08:22: Richtig.

00:08:24: Und jetzt seid ihr aber ein Dienstleister, ich würde mal sagen, so ganz grob müsst ihr, ja, gewisse Kernfunktionen euch drum kümmern. Einfach Finance, Operations, Einstellung von Leuten und so weiter und so fort. Und auf der anderen Seite habt ihr ja aber auch Projektgeschäft. Also, wie weit zieht ihr die Holokratie? Wie organisiert ihr euch? Wo organisiert euch? [???]

00:08:51: Also, alles was Overhead-Themen angeht, ist komplett holokratisch organisiert. Wir haben auch überlegt, wenden wir das jetzt auf jedes Kundenprojekt an? Da haben wir uns dann relativ schnell dagegen entschieden. Es gibt im Prinzip für Kundenprojekte einen Dummy-Kreis. Ja? In dem auch natürlich Mitarbeitende auf Rollen sitzen, die aber eher darauf achten, was muss denn quasi generisch in unserer Zusammenarbeit mit Kunden, was funktioniert da nicht, was muss da verbessert werden? Wir haben aber gesagt, wir machen jetzt nicht für jedes Kundenprojekt einen eigenen Kreislauf, weil es gibt ja auch Governanceprozesse, mit denen du dann eigentlich Rollen änderst. Und in den Kundenprojekten ändern sich Themen so schnell, dass wir gesagt haben, da verlieren wir eher Geschwindigkeit und Effizienz, wenn wir jetzt die Kundenprojekte holokratisch organisieren. Also der große Fokus ist tatsächlich, was das angeht, auf die Back-Office-Themen sozusagen und auf auf Ebene der Kundenprojekte.

00:09:53: Kannst du da noch mal was zu sagen? Also das ist, ja, auch spannend, wie eine solche Art der Organisation möglicherweise mit dem Kundenerlebnis - wie gut das zusammenpasst - oder auch Kundenerwartungen. Die denken ja immer noch, sie können Software und kreativ arbeiten. Also die allermeisten. Ich will jetzt euren Kunden nichts unterstellen, aber man hat ja schon mitunter den Eindruck, es herrscht immer noch ein grundlegendes Miss(t)verständnis vor, was es eigentlich heißt, Software und Kreativleistungen einzukaufen. Da wird ja oft nur so getan, als würde man an der Tankstelle Kaugummis einkaufen. Das ist die Packung, das kaufe ich, das bezahle ich. Fertig. Also wie ... Und dann kommt ihr noch möglicherweise mit einem anderen Organisationsmodell. Wie sehr hat das vielleicht auch dazu beigetragen, zu sagen, in Kundenprojekten machen wir es anders? Wie macht ihr das dort genau?

00:10:44: Also in Kundenprojekten gehen wir, je nachdem ist es unterschiedlich, wenn wir sagen, wir machen jetzt mal ein Accessibility Audit oder wir machen eine große Designvision, dann ist das, also, das wird klassisch wie ein Projekt gemanagt. Und in dem Fall auch Wasserfall. Und dann gibt es natürlich die agilen Teile eines Projektes, wo wir nach Scrum, Kanban klassisch arbeiten. Und da sind die meisten Unternehmen, mit denen wir zusammenarbeiten, sind da schon so weit, dass da auch das entsprechende Verständnis herrscht. Wir müssen selten bei Adam und Eva anfangen. Wir sagen aber auch nicht so, wir arbeiten nur mit Unternehmen zusammen, die auch sich selbst organisieren und holokratisch unterwegs sind. Dann hätten wir weniger [???] ...

00:11:27: Sehr begrenzter Markt.

00:11:29: Sehr begrenzter Markt. (lacht) Allerdings. Deswegen müssen wir da gucken, dass wir das gut abwägen. Was aber auf jeden Fall meiner Meinung nach abfärbt und auch ein Grund ist, warum Unternehmen sagen, sie arbeiten mit uns zusammen, ist das, ich sage mal, Mindset, was die Holokratie mit sich bringt. Das Lösungsorientierte. Also, im Idealzustand in der Holokratie gibt es kein Meckern. Da gibt es kein "Hier, da funktioniert was nicht!" Da gibt es nur "Ich sehe, hier funktioniert was nicht. Und so möchte ich es gerne lösen." Also sehr lösungsorientierte Mindset und ein proaktives Miteinander, ja? Immer zu gucken, was funktioniert am Großen und Ganzen nicht. Das kann eine Organisation sein, das kann aber auch das Projekt sein. Und was müssen wir gemeinsam verbessern und wie glaube ich, können wir es gemeinsam verbessern? Also wirklich immer hin zu schauen auf ein Projekt, in dem Fall auf die Zusammenarbeit und eigentlich permanent darauf zu schauen, was können wir gemeinsam besser machen? Und dieser Mindset, der schwappt dann schon ein bisschen über. Aber, ich sag mal, im Prozess ist es noch ein klassischer Projektprozess, je nachdem, was da das Deliverable ist.

00:12:47: Jetzt bist du ja als - unterstelle ich mal - als Gründer, ja, wir wollen ja auch immer machen, wir wollen ja immer mitrühren. Was sind denn deine Aufgaben jetzt in der Organisation?

00:12:58: Ich darf mich zum Glück um sowas wie New Work, also um Menschen und Kultur darf ich mich kümmern. Ich kümmere mich auch um die Außendarstellung, also Marketing, Sales und Brand und habe den CEO Posten inne. Also alles, was damit einhergeht, ja, auch die Darstellung nach außen und mich um strategische und Businessthemen zu kümmern. Das ist so ... Das ist so mein Portfolio. Ich habe noch ein letztes kreatives Steckenpferd, was ich verfolgen darf bei COBE. Ich bin ja gelernter Produktdesigner, eigentlich. Also ich komme auch aus dem Kreativen. Hatte nie eine besondere Begabung für formales Design. Habe immer gerne darüber gesprochen und nachgedacht. Deswegen hatte ich von Anfang an auch unsere Designmethode in meinem Turf sozusagen, habe die federführend mitentwickelt und darf da heute auch noch auf Konferenzen drüber sprechen und darf gucken, was wir da optimieren können. Das darf ich noch machen.

00:14:04: Noch ein kleiner Punkt, weswegen wir ja heute auch sprechen. So die Holokratie und die vielleicht ein oder andere Herausforderung mit dem Thema Selbstorganisation. Um die kommst du, ja, nicht umher, wenn du über die Holokratie redest und hast es, ja, eben schon gesagt. Selbstorganisation startet, ja, auch leicht mit dem "Ich nehme wahr, hier läuft was nicht und ich gebe das mal rein." Aber ich habe direkt auch vielleicht einen Vorschlag dabei, wie ich es denn gern lösen würde, statt mich nur hinzusetzen und zu sagen, es läuft nicht, aber das ist irgendwie geht mich nichts an." Beschreib diese Rolle mal ein bisschen oder wie genau sie da in Bezug auf die Gestaltung der Organisation auch die Weiterentwicklung ein Stück weit der holokratischen Organisation ist? Wie sieht so dein Alltag aus? Was sind Erfahrungen, die dich auf dem Weg begleitet oder auch mal gezwickt haben?

00:14:59: Also ein großes Learning ist, es ist ein riesiger Changeprozess, das Organisationsdesign zu verändern. Wir haben damals, wie gesagt, uns Hilfe geholt von externen Coaches. Haben das aber erst mal nur in München gemacht. Wir haben ja noch einen Standort in Kroatien in Osijek. Und haben dann - war unsere Prämisse - dass wir interne Evangelists - nennt man das ja heute - finden und das dann quasi Kreis für Kreis auch im kroatischen Office implementieren. Das hat überhaupt nicht funktioniert. Teilweise schon. In ein, zwei Kreisen funktioniert es. Aber es ist so eine Veränderung in der Art und Weise zu denken und zu arbeiten in der Organisation. Da braucht es meiner Meinung nach viel - also da sollte man sich die nötige Zeit und Energie nehmen und bereitstellen, um das in der Organisation zu ändern. Und da sind wir gerade dran. Ich habe jetzt noch mal gesagt, okay, wir müssen jetzt noch mal einen Coach reinnehmen, um das in Kroatien auch zu implementieren, weil es muss jeder Einzelne und jede Einzelne muss verstehen, warum wir das machen. Also die müssen sich wirklich - jeder muss sich hinstellen und einmal die von Laloux angucken, will ich quasi Familie Grün oder will ich wirklich in diesen Purpose selbstorganisiert in diese Sphären vordringen? Und was bringt es mir denn als einzelner Mitarbeiter und Mitarbeiterin? Ja? Das ist ganz, ganz wichtig, dass das jeder und jede Einzelne versteht. Weil es ist am Ende nicht einfacher als die Pyramide. In der Pyramide ist alles klar. Da habe ich das Level drüber, da reporte ich hin und wenn ich Scheiße baue, dann kriege ich von dem auf den Deckel. Aber dann ist auch erstmal gut. In der Holokratie, wenn du als Junior auf einer Rolle sitzt mit hohem Impact, dann kann das auch mal die Organisation in Schräglage bringen. Das sollte vermieden werden in der Rollenbesetzung. Aber die Hebel, die Einzelpersonen haben können, sind größer. Und es ist schon - es bringt eine gewisse Komplexität mit sich. Es ist ein Bedarf, das Ganze auch in die Organisation zu bringen und zu schulen. Holokratie ist ja ein ganzes Manifest, nach dem ich arbeite. Es gibt neue Meetingformate und es wird natürlich auch vorausgesetzt, entsprechend auch lösungsorientiert proaktiv denken zu wollen, sich einbringen zu wollen. Und es ist nicht für alle das Richtige. Ja? Es gibt Mitarbeitende, jetzt ein, zwei Entwickler bei uns, die sagen, "Hä? Wieso soll ich mich jetzt - ich habe meine Standards - warum soll ich mich jetzt noch in ein Tactical- und Governance-Meeting setzen? I don't care. Ich will mich hinsetzen, meinen Code runterschreiben, den einreichen und am nächsten Tag mache ich das wieder. Ist mir doch wurscht, wie Ihr Marketing organisiert." Oder, "Was soll ich denn zum Sales beitragen? Will ich nicht." Und dementsprechend haben wir tatsächlich auf dem Weg der Einführung von Holokratie haben wir dann auch ein paar Mitarbeitende verloren, die gesagt haben, "Das ist für mich nicht das Richtige. Ich brauche klare Hierarchien, Strukturen. Ich will nicht die ganze Zeit darüber nachdenken. Ich will nicht jeden Tag darüber nachdenken, wie ich die Organisation besser mache." Ja? Und ja. Also, es braucht die richtigen Menschen auch für diese Organisationsform. Und ich glaube, also, wir wollen dann natürlich als Gründer oder Geschäftsführer auch gucken, dass trotzdem auch Menschen, die sagen, "Du, ich brauche keine fünf Rollen und ich brauche keinen Impact", dass die trotzdem ihren Raum haben bei uns und so arbeiten können, wie sie arbeiten wollen, ja? Aber es ist eine große Veränderung im Denken und im Tun vor allem.

00:18:54: Und es hat mal jemand sehr Kluges gesagt, dass die Selbstorganisation mehr Organisation braucht.

00:18:59: Ja, ja. (lacht).

00:19:01: Das ist ja vollkommen richtig. Es ist ja deutlich einfacher, sich hinzusetzen und so eine Pyramide von oben nach unten runterzudängeln und dann kann sich jeder immer hinsetzen und hat, wie du sagst, auch einen relativ klaren Referenzpunkt. Aber eigentlich ist da, ja, streng genommen auch total viel Willkür dann in so einem System. Und selbstorganisierte Systeme machen sich halt die Mühe, einen Rahmen zu bauen, der überhaupt auch ein Stück weit diese Selbstorganisation ermöglicht und verhindert, dass diese nicht ins Chaos abdriftet. Das ist ja dann ein sehr, sehr dünner Grat.

00:19:40: Allerdings.

00:19:40: Aber, also, ihr geht wirklich konsequent dahin und vielleicht kannst du mal ein bisschen was erzählen, was es mit den Leuten macht. Also, ihr holt die ja irgendwann auch in eure Company. Also, ihr könnt ja nicht - ich behaupte, wir reden zwar in der Softwareentwicklung schon lange über Scrum und agiles Arbeiten, aber meine Erfahrung ist dann teilweise doch - du hast es eben an einem Beispiel von einem Entwickler schön beschrieben. Das ist ja dann oft noch so ein bisschen diese Attitude, "Ich will doch einfach hier nur Code machen." Also im schlimmsten Fall, "I don't even care, was das Produkt ist und noch viel weniger kümmere ich mich darum, was die gesamte Organisation macht. Ich bin hier, um Software Code zu schreiben. Punkt."

00:20:23: "Punkt." Ja. Auch legitim.

00:20:26: Ja. Wie geht ihr damit um?

00:20:29: Das versuchen wir gerade rauszufinden. Weil wir natürlich in München, wo wir die Holokratie implementiert haben, haben wir viel Beratung, Design. Das sind natürlich schon eher auch Profile, die etwas kreieren wollen, die etwas schaffen wollen und nicht nur sich hinsetzen und Dinge abarbeiten und dann sagen, "So, das ist jetzt aber auch nicht meine Verantwortung. Hier ist jetzt aber auch Schluss und ich weiß ganz klar, was ich machen muss." Also, das ist auf jeden Fall meine nächste Herausforderung, holokratie und dann doch so ein Mitarbeitendenprofil, die sagen, "ich will einfach nur meinen Job machen und ich mache den gut." Das zusammen zu bekommen und dass die nicht das Gefühl haben, sie verschwenden ihre Zeit in taktischen und Governance Meetings. Aber da habe ich noch nicht - da habe ich noch nicht die Lösung gefunden. Bin da aber zuversichtlich, dass wir das hinbekommen, weil am Ende, wenn die Menschen spüren, dass es kein Muss ist, sich einzubringen, sondern ein kann und dass wenn man das nicht tut, dass das auch nicht zum Nachteil dieser Person ist. Das ist glaube ich die Message, die ich rüberbringen will. Ich glaube, dann kann das gut funktionieren und dann kann es auch funktionieren, dass auch dann dieses Entwicklerprofil, über das wir gesprochen haben, dass der sich vielleicht ein bisschen verändert und sagt, "Mir ist da doch was aufgefallen, da könnte ich ja doch mal eine Intention einbringen und sehe dann auch, dass sich Dinge verändern, die ich gesehen habe und die ich verbessern wollen würde." Also, nachteilig ist das ja nicht unbedingt, aber ich würde es nicht zur Pflicht machen, Quasi, sich permanent einzubringen, um die Organisation zu verbessern.

00:22:27: Wie schwer ist es denn für dich? Also ich meine, du bist Gründer. Du bist Unternehmer. Ja? Und es liegt ja auch so ein bisschen die Angewohnheit - wir haben ja ein bisschen die Angewohnheit, Dinge auch natürlich ein Stück weit holistisch, ganzheitlich zu betrachten. Und gerade wenn du dann anfängst und diesen Schritt gehst, zu sagen, "Wir sitzen jetzt halt nicht mehr nur mit drei guten Kumpels hier rum und arbeiten quasi so in einem kleinen Team Setup als quasi Freelancer." Diesen Schritt zu gehen, zu sagen, "Wir bauen jetzt eine Organisation auf." Bist du, ja, oft konfrontiert mit, also, eigentlich könnte man ja sagen, was du, ja, eigentlich von jedem innerhalb einer Rolle erwartest, ist ein Stück weit ein unternehmerisches Denken. Also auch über die reine 'Ich kriege ja meine Aufgaben und die mache ich und weiter will ich nicht denken' oder 'weiter kann ich nicht denken', oder? Ja? Macht dich das nicht manchmal fickerig und kirre, dass Leute das auf der anderen Seite, wo man doch sagt, "Ey, das ist doch so normal, so musst du doch morgens aufstehen, sonst kannst du doch deinen Job gar nicht machen." Also, das ist die Haltung, das Denken eines Unternehmers. Und immer wieder oder möglicherweise öfter mal in Situationen reinzukommen, wo du denkst, "Krass, das ist es gar nicht." Also, es ist eher die Ausnahme, als es die Regel ist.

00:23:48: Das hat mich sicherlich immer wieder 'kirre' gemacht. Aber ich habe da über die Zeit auch viel Verständnis entwickelt. Weil, wären diese Menschen Vollblutunternehmer, dann hätten sie ein Unternehmen gegründet und ich glaube, es gibt aber viele Menschen, die sagen, das ist mir zu risikoreich und auch mit zu viel grauen Haaren und depressiven Episoden verbunden. Potenziell. Also, es ist so ein bisschen Unternehmertum light und das ist, glaube ich, für viele ganz spannend, weil sie können sich natürlich einbringen. Es wird gewünscht, dass sie unternehmerisch denken. Wir sind ja auch sehr transparent mit unseren Zahlen und mit unseren Zielen, mit unserer Strategie. Also, wer möchte bei COBE, kann sich schon als kleiner Unternehmer auch einbringen, ohne das existenzielle Risiko natürlich auch ohne die potenzielle Upside von finanzieller Unabhängigkeit oder Freiheit, was auch immer. Aber viele, gerade die jüngere Generation, wünscht sich natürlich Impact und persönliche berufliche Weiterentwicklung in unterschiedlichen Facetten. Also, so ein bisschen kleines Unternehmertum. Und dafür eignet es sich eigentlich hervorragend. Und ich glaube, ich als Gründer, ist es dann wichtig, da ein bisschen abzuwägen, welchen Grad an Selbstorganisation, Proaktivität und Mitdenken kann ich denn erwarten und erwarte ich auch als Gründer und Geschäftsführer von meinen Leuten.

00:25:28: Jetzt hat, ja, so eine Pyramide, die hat ja auch Aufgaben. Die übernimmt, ja, Aufgaben für Menschen und für eine Organisation. Die übernimmt die Aufgabe festzulegen, wie Entscheidungen getroffen werden. Das löst du über die Holokratie und das Regelwerk der Holokratie auf eine andere Art. Da kann man, glaube ich, schon einen Haken dran machen. Dann hat, ja, aber auch eine klassische Pyramide die Aufgabe, zu vermitteln, zu zeigen, wo stehe ich in Bezug auf andere. Also, man könnte jetzt sagen Status. Man kann aber auch sagen, da werde ich gesehen und anerkannt, vielleicht für gewisse Kompetenzen. Wie erlebt oder wie löst ihr das in der Holokratie? Und die dritte wichtige Aufgabe, die, ja, auch implizit in so einer Pyramide drin steckt, ist, ja, wie vergüte ich eigentlich?

00:26:25: Ja.

00:26:26: So und ich brauche, ja, auf diese Dinge eine Antwort. Ich kann nicht einfach sagen, ich nehme die Pyramide weg, sondern ich muss ja Antworten auf diese Jobs finden, die die Pyramide nun mal übernimmt, auch wenn sie die nicht besonders gut übernimmt, brauche ich aber Antworten in einem neuen System?

00:26:43: Absolut. Und es ist ja auch der Standard da draußen. Ja? Und daran orientieren sich die Menschen auch und es gibt schon ein großes Bedürfnis, wie du sagst, sich einzuordnen, zu vergleichen. Es gibt auch das Bedürfnis, über die Zeit mehr Geld zu verdienen. Ist ja auch vollkommen legitim. Also, die eigene Arbeit höher zu vergüten. Und deswegen haben wir uns auf jeden Fall dafür entschlossen, die klassischen Karriereleiter Stufen zu behalten, ja? Also, wir sind nicht, also wir haben noch kein System gefunden, ein faires Gehaltsmodell nur mit der Holokratie zu verbinden. Mit der Holokratie organisieren wir unsere Arbeit. Aber es ist schon - wir haben ganz klar definierte Gehaltspersonas. Was musst du erfüllen, um Senior Designer zu werden? Ja? Also da bedarf es eigentlich einfach bestimmter Erfahrungen und Skills. Und das haben wir behalten, weil es auch ein ganz großes Bedürfnis nach Transparenz, Fairness und Klarheit gibt, wo kann ich mich hin entwickeln? Also es gibt keine Pyramide mehr, aber es gibt immer noch Leitern innerhalb der Holokratie und das ist ist ganz wichtig. Was - und das optimieren wir gerade auch weiter - was schon auch dann einen Gehaltseffekt hat bei uns, wir gucken uns an, welche Rollen besetzt denn jemand und was haben die für einen Impact auf die Organisation? Also, auch wieder [hier], das ist etwas freiwilliges. Du musst keine einzige Rolle übernehmen, außer dem, wofür wir dich theoretisch angestellt haben, als Intermediate iOS-Entwickler. Wenn wir aber sehen, dass du proaktiv Rollen übernimmst, die einen Impact haben, die auch die Organisation positiv beeinflussen, dann kann das auch eine Auswirkung aufs Gehalt haben.

00:28:40: Da habe ich ja - da bin ich immer wieder erstaunt, da gibt es wenig Antworten. Also, es gibt viele Rahmenwerke, aber auf diese Basic Fragen, weil wie du sagst, es ist völlig - so sind wir fast 100 Jahre lang sozialisiert. Und so vergleichen Mitarbeiter dich, ja, auch mit anderen Unternehmen und potenziellen Arbeitgebern. Das heißt, du brauchst Antworten auf diese Fragen und es gibt verdammt wenige. Ein kleiner Tipp. Professor Jürgen Fuchs. Der hat schon vor 25 Jahren einen Artikel geschrieben 'Die neue Karriere im schlanken Unternehmen'. Und die haben damals, ich weiß nicht, du bist, glaube ich, zu jung ... New Economy.

00:29:20: Doch, kenne ich noch. (lacht).

00:29:20: Damals. Dieser verrückte Scheiß. (lacht)

00:29:23: Ja. (lacht)

00:29:24: Genau. Und da war er Personalleiter bei einem sehr schnell wachsenden IT-Dienstleister. Und was die gemacht haben, die haben so ein Kompetenzrad entwickelt. So hat er das getauft. Und ich finde diese Metaphorik, die er da reinbringt, die finde ich brillant. Und leg das auch immer jedem ans Herz, der sagt, "Du, ich kümmere mich gerade darum, wie können wir Vergütung, wie können wir Karriere anders denken?" Weil er einfach gesagt hat - also dieses Kompetenzrad ist aufgebaut wie so Speichen, also mit konzentrischen Kreisen von innen nach außen. So über drei Kompetenzstufen, sag ich mal ganz einfach, Anfänger, Experte, Superprofi. Ja? Und dann die einzelnen Speichen sind relevante Kompetenzen, die das Unternehmen für sich beherrschen muss. Also, du sagst, "Hey, wir machen UX/UI Dienstleistungen, wir müssen UX/UI auch als fachliche Kompetenz haben." Ja? Und da kann man, glaube ich, viel mit spielen. Und dann ist seine einfache Aussage, "Karriere heißt Fläche im Kompetenzrad." Und das ist so logisch. Der schwierige Schritt ist natürlich dann, zu definieren und diesen Artikel, den gibt es noch. Also, den findest du noch als Print-out. Bestimmt werden wir den auch bald auf der dno endlich mal live stellen. Also eine Zusammenfassung mit Link dazu. Du musst dir natürlich - und jetzt sind wir wieder bei dem Punkt, Selbstorganisation erfordert ein extrem hohes Maß an Organisation und eigentlich an Kreativarbeit davor, dass ich überhaupt mal Regeln etabliere, die für alle klar und nachvollziehbar sind, die aber dann auch, ja, also als Regelwerk auch einfach dienen können. Und sie haben das, glaube ich, bei Ploenzke damals so gemacht, zu sagen, "Es gibt einmal fachliche Kompetenzen, die wir als Unternehmen brauchen. Das brauche ich für das UI-Design." Und dann haben Sie noch mal so eine Marktperspektive angebracht und gesagt, okay, in welchen Industriesegmenten, was weiß ich, Banken, Versicherungen, Automotive sind wir denn besonders aktiv? Weil auch viele Beratungsleistungen dieses Unternehmen erbracht hat. Und ich finde das super, super einprägsam. Und dann muss man sich ja wirklich nur fragen, was müssen wir richtig, richtig, richtig gut beherrschen als Unternehmen? Man könnte auch sagen, "Was sind unsere strategischen Kernkompetenzen?" Und die mal benennen, aufschreiben und dann mal damit spielen und zu sagen, "Ja, Karriere heißt die Fläche machen." Und ich glaube, darüber dann auch ein Stück weit auch Entlohnung zu steuern, ist dann auch total fair. Du hast dann einfach ein klares Modell. Das einzige, wo ich - und ich habe da schon sehr viel drüber nachgedacht - noch keine gute Antwort darauf gefunden habe, jetzt muss ja irgendjemand hingehen und bewerten. Bist du jetzt ein Experte oder bist du der Supermann? Da habe ich noch keine gute Antwort darauf gefunden.

00:32:26: Genau, weil wer ist auch dein disziplinarischer Vorgesetzter? Wer haut dir denn auf den Deckel? Und wer bewertet, wirst du jetzt vom Junior zum Intermediate im klassischen Fall? Oder hast du quasi jetzt genug Fläche, um zum Senior zu werden? Also, es ist dann schon ... Es gibt auch Vorteile der klassischen Herangehensweise.

00:32:44: Ja, man muss nicht so viel nachdenken. Das ist ein ganz klares [???] ... (beide lachen)

00:32:47: Das ist immer gut! Und diese Gedankenkraft kann man dann für andere Dinge in der Organisation einbringen.

00:32:54: Ja. Würdest du denn sagen, erkennst du wirklich schon als, ich meine, wir als Unternehmer, wir wollen, ja, ich unterstelle, wir wollen eigentlich fast alle, die ich kenne, immer nur eins. Wir wollen einfach nur nach vorne kommen. Fortschritt. Also Fortschritt als das wichtigste Bewertungskriterium. Größeren Impact. Mehr, geiler, besser. Was gar nicht unbedingt immer heißt, dass es zwingend automatisch mehr Geld [ist]. Aber es muss irgendwie geiler sein. Es muss besser sein.

00:33:26: Effizienter.

00:33:28: Ja, es muss irgendwie Spaß machen. Man darf nicht morgens aufstehen und sagen, "Was mach ich hier für einen Blödsinn?"

00:33:34: Boring!

00:33:35: Boring, ja! Langweilig, blöd, scheiße. Ich gehe lieber arbeiten in der klassischen Hierarchie. Würdest du denn sagen, dass du als Unternehmer für dich schon den Impact erkennst? Dass diese Selbstorganisation was macht, wo du sagst, es macht einfach doppelt soviel Spaß wie vorher?

00:33:55: Ja! Also, wir haben ja 2012 angefangen und '13, '14, '15 waren, ja, schon immer die ersten Ansätze. Du baust keinen - also betrachte dein Unternehmen als Maschine, was irgendwann auch mal unabhängig von dir läuft. Aus der Maschine wurde dann der Organismus. Aber mein Ziel war immer, dass sich jeder im Unternehmen auf seine Stärken fokussieren kann und damit auch ich. Ich gehöre ja auch noch dazu. Und es ist, also, aus meiner Sicht ist es fantastisch. Weil alles, was nicht in meinen Stärken liegt und worum ich mich nicht kümmere, weiß ich, dass das alles in guten Händen ist und da permanent jemand drauf guckt, ob das gut läuft oder ob was besser gemacht werden muss. Und es kommen so viele - das ist ja auch ein großer Vorteil der Holokratie - es kommen so viele gute Impulse, bottom up. Also, die ganze Magie in einem Unternehmen passiert ja in der Regel auf einem Expertenlevel. Die sehen, brauche ich ein neues Plugin für Figma, was irgendwie AI-basiert ist. Und jetzt - wir sind zehnmal schneller, um die Sachen barrierefrei zu machen, dank dieses Plugins. Das weiß ich doch nicht. Ich bin da gar nicht tief genug drin. Und das passiert im Marketing, im Sales, im Controlling, permanent. Auf Expertenlevel machen alle das Unternehmen besser, ohne dass ich davon was mitbekomme. Ja? Ich will - ich brauche das auch nicht wissen. Wenn irgendwas besonders gut ist, kommt das oben an, wenn irgendwas besonders schlecht war, kommt das auch oben an, aber das gehört zum Spiel dazu, dass wir schnell iterieren und zu einem schnellen Iterieren gehört auch, Fehler zu machen. Aber ich kann komplett in meinen Stärken arbeiten, habe Menschen um mich herum, von denen ich das Gefühl habe, wir sind permanent gemeinsam dabei, weiter vorne zu bleiben, Fortschritt zu ermöglichen, Dinge effizienter zu machen, aber auch wirklich jeden in seine Stärken zu packen. Und auch keiner bei COBE, glaube ich, kann sich noch vorstellen, in einem anderen Modell zu arbeiten. Also, keiner könnte mehr zurück in die klassische Hierarchie. Die würden sich gar nichts mehr sagen lassen von dem Mittelmanagement. (lacht)

00:36:01: Würdest du denn sagen, es macht die Rekrutierung von Mitarbeitern / von neuen Talenten eher leichter oder schwerer?

00:36:07: Massiv leichter? Also wenn du den Leuten sagst, guck mal, wir haben zwar die klassischen Gehaltsstufen, die Leiter, die du emporklimmen kannst, aber ansonsten ... Wir machen ja mit jedem, der neu anfängt, machen wir erstmal hier CliftonStrengths. Wir machen ein Stärkenprofil und gucken, was sind denn deine Top fünf, Top zehn Stärken? Und dann gucken wir, auf welche Rollen wir dich in der Organisation setzen, wo du diese Stärken perfekt einbringen kannst. Noch dazu kannst du auch schon ab Praktikantenlevel kannst du eigentlich schon Impact haben, wenn du irgendwo eine besondere Begabung hast. Das sind, ja, alles Themen, wo wir offene Türen einrennen. Ja? Und auch flache Hierarchien. Gut, das gab es in der Agenturwelt schon immer. Aber das ist auch nicht mehr wirklich ein Design Director gibt, der da den Zampano macht und die Diva (lacht) ist auch immer [...] ist auch ein Faustpfand, was wir haben. Also macht es definitiv leichter für uns.

00:37:17: Wenn jetzt ein anderer, ein anderes Unternehmen zu dir kommt und wir unterstellen mal auch irgendwie, es ist ein Unternehmen, also inhabergeführt. Es ist vielleicht auch ähnlich wie ihr. Also ähnliches Businessmodell. Heißt, Dienstleistung. Und die sagen, "Naja, wir überlegen uns gerade, wie wir uns organisieren." Sagst du ihnen, "Lass es, mach es klassisch. Sei einfach, gehe den harten Weg." Und wenn ja, was wären so deine Empfehlungen, auch in der Retrospektive, zu sagen, wenn ich diesen Weg einschlage, dann wäre die folgende Schrittabfolge ratsam.

00:37:59: Ich würde immer empfehlen, holt euch jemanden, der sich damit auskennt und einmal mit euch eine Bestandsaufnahme macht. Wo steht ihr denn? Also, nach Laloux als Beispiel. Wo steht ihr? Und wo wollen denn auch - also wo will der Gründer, die Geschäftsführung, wo wollen die hin? Aber wo will auch das Team hin? Gibt es da ein Match? Und dann kann sich ja herausstellen, die wollen bei Grün bleiben, was ja eher so Familie-/Stammlogik hat und gar nicht so selbstorganisiert und mit Purpose usw. Einmal offen darauf schauen. Wollen wir überhaupt Richtung Holokratie? Ja? Oder sind wir ein Konzern und müssen eigentlich bei dem, ich glaube orange ist es bei Laloux, [bleiben]. Also, da wird dann mit Objectives and Key Results, also, sehr, sehr ergebnisgetrieben ... Und lässt es überhaupt auch die Größe des Unternehmens zu, in Richtung Holokratie zu gehen? Also Bestandsaufnahme, dann den Abgleich damit, was eigentlich mein Zielbild ist. Wenn es dann die Holokratie ist, dann wäre mein großer Tipp, betrachtet es wirklich als ein großes Change Projekt, bei dem jeder Einzelne, jede Einzelne mitgenommen werden muss. Also intensive Schulungen. Und die Leute müssen es verstehen, sonst funktioniert es nicht. Es ist selbstorganisiert. Heißt ja schon jeder Einzelne muss auch verstehen, warum man dann was machen muss. Ja? Also das ist ganz, ganz wichtig.

00:39:40: Den Fehler haben wir gemacht, dass wir es auch nur auf einen Standort ausgerollt haben und dann geglaubt haben, dass es so einen Trickle-Down-Effekt gibt. Das hat nicht funktioniert. Wenn auch nur ein Team sagt, "Brauche ich nicht. Ist mehr Aufwand. Verstehe ich nicht.", dann funktioniert es nicht. Weil es muss jede Einzelne, jeder Einzelne muss in der Organisation dann selbstorganisiert arbeiten. Und dafür ist es ganz wichtig zu verstehen, warum und wie. Die Prozesse. Es ist ja auch nicht easy. Wenn man es mal macht, fühlt es sich easy an, ist ja immer das gleiche. Wenn man es mal gemacht hat, denkt man sich, ist ja alles klar. Aber bevor man es verstanden hat. Also man muss Alle abholen. Alle müssen es verstehen. Alle schulen.

00:40:24: Wobei ich, ja, das Wort abholen im Kontext Selbstorganisation, da werde ich immer so ein bisschen hellhörig. Weil, lass uns da mal drauf eingehen. Man muss sie aktivieren. Dass sie vielleicht selber zur Bushaltestelle laufen. Abholen, sage ich immer, abholen will ich niemanden.

00:40:40: Also, einmal abholen, warum für sie holokratie der richtige Weg ist und dann dürfen sie selber zur Bushaltestelle gehen, ja. (lacht).

00:40:48: Sehr gut. Und zweite, noch eine klärende Frage. Vielleicht ist dir es eben nur so herausgerutscht. Das Change-Projekt ist nicht gerade die Holokratie. Also, es ist, ja, ein permanenter Change. Ein Projekt würde implizieren - das sehe ich viel in solchen Organisationsumstellungen - das ist ja ein - also es gibt viele, ich sag mal [im] Mentalen, wenn du Leute fragst, wie organisiert man sich? Dann gibt es so ein paar mentale Defaults. Einer davon ist so der Abteilung und Effizienz. Und dann gehe ich die Hierarchie oder die Pyramide von oben nach unten. Das ist so ein Default. Und ein zweiter ist aber auch, Du setzt es einmal hin und es bleibt dann da stehen. Also eben wie eine Pyramide. Die stehen ja auch schon seit viereinhalbtausend Jahren oder was weiß ich wie lange da. Aber ist nicht gerade eine Holokratie - das ist ja eine permanente Veränderung. Zumindest wenn du das Wesen der Selbstorganisation ernst nimmst. Dann ist es, ja, das ist ja nicht nur ein Projekt. Das ist ja eine permanente ... Wir entwickeln uns permanent weiter.

00:42:05: Absolut, ja. Also, ich sage mal so, der Wechsel von der Pyramide in die Holokratie ist ein Change-Projekt. Das sollte zeitlich begrenzt sein, ja? Da fange ich an und dann ist es irgendwann implementiert. Und dann haben hoffentlich alle verstanden, wie der Prozess ist und wie das mentale Modell ist und was im Prinzip, was es braucht, um Holokratie am Laufen zu halten. Dann ist es eigentlich nicht mehr, also kein Change-Projekt mehr. Dann ist es eine Organisationsform, der inhärent ist, dass sie sich permanent verändert. Definitiv. Aber der Wechsel vom einen zum anderen sollte zeitlich begrenzt sein. Deswegen würde ich es eher als Change-Projekt beschreiben.

00:42:49: Einverstanden. Wenn du abschließend einen Wunsch frei hättest? Also einen Wunsch frei - keine Ahnung - ich will das jetzt gar nicht eingrenzen. Also, wo müssten wir anfangen, vielleicht? Vielleicht wäre das so eine Wunschrichtung, dass diese Art von Arbeitsform deutlich populärer wird.

00:43:15: Wir müssen genau das, was du machst, mehr darüber sprechen. Mehr darüber sprechen, warum das eigentlich eine Organisation besser macht. Vielleicht auch die Menschen in der Organisation besser macht und somit vielleicht als Utopie dann auch mal eine Gesellschaft. Und wenn diese Idee von 'Ich habe Verantwortung', Ich will in Lösungen denken und nicht nur mich hinsetzen und meckern über die da oben oder wen auch immer' und es gibt einen Prozess, in dem wir gemeinsam darüber sprechen, wie wir Dinge besser machen können zum Wohle aller. Das wäre schon schön, wenn das auch ein bisschen aus den Organisationen, die so arbeiten, zum einen auf andere Organisationen abfärbt und vielleicht sogar - das ist ein hehres Ziel - auch auf eine ganze Gesellschaft, weg von dem einfach nur meckern und alles scheiße finden, hin zu 'Ich sehe was, was nicht funktioniert. Und ich glaube, wir können es so und so besser machen.' Das wäre schon mal schön.

00:44:18: Das war so ein schönes Schlusswort. Ich trau mich gar nicht, noch irgendwas zu sagen. Felix, vielen Dank, dass du hier warst.

00:44:24: Sehr gerne.

00:44:25: Bis bald.

00:44:26: Schön, dass du bis zum Ende dabei warst. Wenn dir die Episode gefallen hat, dann freuen wir uns über deine Bewertung. Wenn du darüber hinaus Fragen, Anregungen für interessante Themen oder Gesprächspartner hast, dann kannst du uns gerne unter dno.de. Podcast. Bis zum nächsten Mal.