NEU geordnet

Transkript

Zurück zur Episode

Gerald Hüther: So glaube ich, dass in jedem Team am Ende viel mehr drin steckt, als es dann normalerweise rauskommt. Und das ist eben durch Verwicklungen der einzelnen Mitglieder des Teams dann auch zu so großen Reibungsverlusten in der Zusammenarbeit des Teams kommt, dass das eigentlich auch ein großer Schaden ist. Da kann sich nichts entfalten.

Andreas Diehl: Gerald Hüther ist einer der renommiertesten Neurowissenschaftler Deutschlands. Im heutigen Podcast sprechen wir über Potenzialentfaltung, mit welchen Verwicklungen wir uns im Wege stehen und wie die Entwicklung aus der Verwicklung gelingen kann. Gerald Herzlich willkommen!

Gerald Hüther: Ich grüße Dich, Andreas, und freue mich, dass ich mich mal mit Dir ein bisschen über das unterhalten kann, was dich und deine Leute, die uns ja vielleicht zuhören oder zuschauen, beschäftigt. Ja.

Andreas Diehl: Ja, sehr schön in deiner deiner neuen Akademie für Entwicklungshilfe bietet Du ja an, dass wir uns aus unseren Verwicklungen befreien, also darum, dass wir uns entwickeln. Zugegebenermaßen ein Wortspiel, was ich mir schon öfter geborgt habe. Was verstehst du denn? Also welche Art der Verwicklungen tragen wir denn mit uns herum, die uns vielleicht dabei im Weg stehen, dass wir uns entwickeln und damit auch unsere Potentiale entfalten?

Gerald Hüther: Ja, ich bin ein Naturwissenschaftler, also Neurobiologe. Und ich versuche Phänomene, die ich so sehe, auch im Hirn und auch in der Beziehung zu Menschen, auch in Unternehmen oder in Schulen, ein bisschen so zu begründen, dass man das neurowissenschaftlich ableiten kann. Und hier heißt der große Hintergrund Unser Hirn ist zeitlebens plastisch umbaubar, da ist nichts festgelegt. Und das bedeutet, dass wir auch kein inneres Programm haben, Was uns hilft, ein Mensch zu werden. Das müssen wir erst unterwegs rausfinden. Und dabei kann man sich irren, auch verirren und verwickeln. Und dann geht es irgendwann nicht mehr weiter. Das kennen wir alle. Dass sich also Einzelne verrannt haben und verwickelt haben. Oder Beziehungen. Familien haben sich verwickelt, Unternehmen manchmal in sich selbst, auch mit ihrer Ausrichtung. Ja, und dann muss man versuchen, sich aus diesen Verwicklungen zu befreien, damit es wieder weitergeht. Und das ist. Das ist das, was ich versuche mit so einer Akademie für Entwicklungshilfe. Zumindest erst mal auf der individuellen Ebene. Also dass Menschen dort Gelegenheit bekommen, sich noch mal sozusagen unserem Selbstentwicklungsprozess hineinzubegeben und sich aus ihren im Laufe des Lebens entstandenen und doch inzwischen recht hinderlich gewordenen Verwicklungen zu befreien.

Andreas Diehl: Woher kommen die also? Woher kommen Verwicklungen? Werden die mir in die Wiege gelegt, auferlegt? Baue ich mir die selber.

Gerald Hüther: Das baust du dir selber rein. Das sind deine Lösungen, die du findest. Wir haben ja alle Probleme mit denen wir konfrontiert werden von Kindesbeinen an, und für diese Probleme müssen wir Lösungen suchen. Das Hirn ist sozusagen ständig damit beschäftigt, einen Zustand aufrechtzuerhalten, wo alles einigermaßen zusammenpasst. Der Zustand heißt Kohärenz und da wird die wenigste Energie verbraucht. Nebenbei gesagt, wir reden hier über ein Phänomen von Selbstorganisation. Das gilt nicht nur fürs Hirn, das gilt eben auch für andere, für ganze Gesellschaften oder für ein Unternehmen auch. Jedes Unternehmen ist damit beschäftigt, einen Zustand aufrechtzuerhalten, wo alles so gut zusammenpasst, dass möglichst wenig Energie verbraucht wird. Klar. Und? Wenn man jetzt als Kind schon bei Eltern groß wird, von denen man doch sehr gemocht werden möchte und dann kann es passieren, dass man sich sehr anstrengt, die Erwartungen von Papa zu erfüllen. Der Papa ist Unternehmer und der Papa hat sich natürlich klar in den Kopf gesetzt, dass der Sohn jetzt auch das Unternehmen später mal übernehmen soll. Und der macht dir auch immer wieder deutlich, wie sehr er von dir erwartet, dass du später mal die Unternehmensnachfolge übernimmst und auch jetzt schon dich anstrengt und die entsprechenden Kompetenzen erwirbst. Und das kann passieren, weil du ja so gerne von Papa geliebt werden möchtest, dass du dich selber entscheidest, alles dafür zu tun, damit der Papa glücklich und zufrieden mit dir ist, Weil dann wirst du gelobt und gestreichelt und darfst dazugehören. Und dann? Dein eigentliches Bedürfnis war ja eigentlich nur, du wolltest mit dem Papa verbunden sein. Aber jetzt hast du gemerkt, so wie du bist, hat das noch nicht so gerne. Er hätte dich lieber noch ein bisschen optimiert in seinem Sinne. Und dann stellst du dich dafür zur Verfügung, machst das und dann kannst du anders nicht machen. Und da kommt es zunehmend zu einer Verwicklung. Es kann sein, dass du dann ganz schlimm kommt, gar nicht dein Leben, dein eigenes, von dir selbst gestaltetes Leben führst, sondern du ein Leben führst, sozusagen im Auftrag von dem, was der Papa sich vorgestellt hat.

Andreas Diehl: Das heißt, kann man vereinfacht sagen, wenn wir mal bei der bei dieser einfachen Zweiteilung der Verwicklung und der Entwicklung bleiben, dass Verwicklung eigentlich Dinge sind, die gar nicht aus meinem inneren selbst kommen, sondern die andere quasi in meine Lebenswelt hereingetragen haben. Und dann fange ich an. Also es ist ja wahrscheinlich auch gar kein bewusster Vorgang, sondern wenn ich das jetzt mal richtig übersetze, um bei dem Beispiel eines Kindes zu bleiben, das ist ja schlussendlich eine Lösungsstrategie, um ein damit verbundenes Ziel zu erreichen. In dem Fall die Verbundenheit mit meinem Vater. Deswegen fange ich an, Dinge Lösungsstrategien zu implementieren, die dann diesem Ziel möglichst dienlich sind. Also ist eine Verwicklung auch immer per se etwas Schlechtes, was mir selber im Weg steht?

Gerald Hüther: Ja, erstmal ist es so, dass jede Lösungsstrategie, die du gefunden hast und die auch funktioniert, kannst du ja einsetzen und merkst, wie ein inkohärenter Zustand, wo es im Hirn noch alles durcheinander ist, weil du das Gefühl, dass der Papa liebt dich nicht so wie du bist und hätte dich gerne anders. Das ist inkohärent. Und dann machst du es so, wie du das denkst, dass der Papa sich freut. Und dann wirst du von dem Kopf gestreichelt und dann ist es kohärent. Und immer dann, wenn man einen inkohärenten Zustand durch eine eigene Leistung in einen kohärenteren umwandeln kann, dann geht das an, was die Hirnforschung das Belohnungszentrum im Hirn nennen. Da werden Botenstoffe ausgeschüttet. Also nicht nur Macht so ein gutes Gefühl, sondern da werden Botenstoffe ausgeschüttet, die wirken. Das sind die heißen neuroplastische Botenstoffe und wirken wie Dünger und führen dazu, dass die Netzwerke und Verschaltungen, die du jetzt gerade benutzt hast, um den Papa so glücklich zu machen mit deinem Verhalten, dass das noch tiefer ins Hirn gebrannt wird. Das ist der Grund, weshalb man dann immer besser wird und das ist dann eine für dich erfolgreiche Lösung. Und jetzt muss man noch dazu sagen im Hirn werden nur die Lösungen verankert, nicht die Probleme, die du hattest. Und das heißt, fast alles, was wir haben, ist eine Reaktion auf irgendetwas.

Gerald Hüther: Und wir stecken ständig in der Gefahr, dass wir uns da in eine Verwicklung hineinwurschteln und das Gegenmittel dagegen wäre, dass wir in einer so vielfältigen Lebenswelt groß werden, wo es so viele unterschiedliche Probleme gibt, die man auf so viele unterschiedliche Weise dann auch zu lösen lernt, dass man sozusagen ganz viele unterschiedliche Kompetenzen erwirbt. Und dann ist man zwar auch in jedem einzelnen Fall verwickelt, aber doch sozusagen ganzheitlich in der Lage, noch selber zu bestimmen, wo es langgeht. Wenn du nur eine große Verwicklung hast, dann ist das wie eine Autobahn im Hirn und dann kommst du da nicht wieder runter, wenn du da einmal fährst. Und das ist nicht so günstig und deshalb kann sich dann auch nichts mehr entfalten. Also das, was unten drunter steckt, in jedem Menschen, in jedem Lebewesen, in jedem Unternehmen, in jeder Familie, ist ja eine innewohnende Tendenz zur Entfaltung. Also du musst niemandem helfen. Dass es sich entfaltet, entfaltet sich immer alleine. Aber erst, wenn er aus seiner Verwicklung raus ist Und in die Verwicklung gerät er zwangsläufig, weil die Welt nicht so ist, dass alles gehen kann. Ja, dass, weil man sich. Weil man lernen muss, sich in der Welt zurechtzufinden. Und indem ich mich da auf etwas Bestimmtes.

Gerald Hüther: Kapriziere also wenn ich jetzt zum Beispiel in unsere gegenwärtige Welt hineinwachse und eine bestimmte Sportart dann gerne mache, weil ich die besonders toll finde, weil ich da besonders viel Anerkennung finde, weil es mir vielleicht besonders viel Spaß macht, dann heißt es, ist das auch eine Verwicklung. Also eigentlich jede Spezialisierung führt dazu, dass du ein anderes dafür nicht so gut kannst. Und deshalb ist Verwicklung an sich unvermeidlich. Aber manchmal sind die Verwicklungen eben so bedenklich, dass man dann auch vielleicht versuchen sollte, sich aus diesen Verwicklungen zu befreien. Ich hatte mal eine Personalchefin von irgendeiner Firma und die hat mich da auch so was gefragt. Die sagte dann Äh, was mache ich denn? Und so? Ich sage, mich interessiert das Thema Verwicklungen. Und dann sagte sie Ach, ich bin PersonalEntwicklerin. Und dann habe ich sie, habe ich gefragt. Das würde mich jetzt aber sehr interessieren, aus welchen Verwicklungen Sie Ihr Personal befreien wollen. Und da habe ich gemerkt, da hat es richtig gerattert. Und das sind ja diese Sternstunden, wo jemand plötzlich mit seinen bisher so scheinbar ganz klaren Vorstellungen ein bisschen in die Luft gerät und den Boden unter den Füßen verliert. Dann kann man anfangen, selber nachzudenken. Ich liebe diese Augenblicke, weil da wirklich meistens was passiert.

Andreas Diehl: Ja, ja, ich finde dieses Wortspiel auch echt extrem stark. Und als ich es das erste Mal bei dir gehört habe, musste ich auch wirklich darüber nachdenken, die Tragweite dessen, weil wir immer so leicht von Entwicklung reden. Aber dass eine Entwicklung ja nur notwendig ist, weil wir uns offensichtlich vorher mal verwickelt haben. Ja, und jetzt würde ja dann die Entwicklung mal voraussetzen, durch diese Verwicklung überhaupt erst mal sehe und anerkenne. Das ist ja ein bisschen paradox. Im Gehirn hat sich so eine Autobahn eingebaut und daraus wurde eine Gewohnheit, mich auf eine gewisse Art und Weise zu verhalten, weil es zu einem Zustand führt, den ich eigentlich erreichen will. Und auf der anderen Seite habe ich mir damit eine riesige Verwicklung eingebaut.

Gerald Hüther: Ja, und jetzt wird es noch furchtbarer. Je erfolgreicher du mit deiner Verwicklung unterwegs bist. Also zum Beispiel du merkst, dass du da ganz gut ankommst, wenn du Vorträge hältst. Und nun hältst du noch einen Vortrag. Das wird auch immer besser. Die Leute fangen an, sich auch ein bisschen für dich zu interessieren und sind dann auch vielleicht ganz angetan und womöglich gar begeistert. Und am Ende hast du immer größere Säle voll und machst immer auch immer bessere Vorträge. Und dann bist du sozusagen im Wesentlichen zu einem Vortragenden geworden. Das ist eine Verwicklung. Und je erfolgreicher du damit unterwegs bist und je länger das immer noch so geht, desto schwerer wirst du bereit sein oder desto weniger wirst du bereit sein, davon abzulassen. Also du bist dann in deiner Verwicklung gefangen, merkst es erst dann, wenn du dann älter geworden bist. Ein bisschen auch vielleicht von der Bühne nicht mehr so goutiert wirst, dass die Anhängerschaft geht zurück und das Interesse an dir verschwindet. Und dann merkst du, du bist eigentlich. Du bist gar nichts weiter als nur dieser Vortragende gewesen in deinem Leben. Schade drum. War eine Verwicklung und in der Zwischenzeit ist das Leben vorbeigegangen.

Andreas Diehl: Kannst du das noch mal ein bisschen auflösen oder aufdröseln. Für mich, dass ich meine, auf der einen Seite Du hast es eben auch am Beispiel einer Sportart, den meinetwegen ein Kind betreibt, ja oder wenn ich eben gerne Vorträge halte, dann kann das ja was sein, was dem Kind, die Sportart und mir der Vortrag tatsächlich Spaß macht. Was aus so einem einem inneren. Meine Tochter tanzt gerne, der Große spielt gerne Fußball, das machen die gerne so einfach, weil. Also es hat ihnen niemand gesagt das musst du machen, das machen die einfach gerne. Ich zum Beispiel halte auch gerne Vorträge. Also warum ist das? Ist es zwingend oder zwangsläufig eine Verwicklung oder kann das tatsächlich was sein, weil was ja eigentlich worum es ja eigentlich geht, ist ja hinten raus die Entwicklung bzw dahinter eigentlich noch die Entfaltung.

Gerald Hüther: Also es ist gut, dass du das so schön vorsichtig anfragst und dabei wird dann auch klar, dass das natürlich niemals eine Verwicklung sein kann. Wenn du etwas aus reiner Freude tust, also Fußballspielen um des Fußballspielens willen, Bücher lesen, einfach weil du so gerne liest oder was weiß ich was. Und dann gibt es dann aber zwei Gefahren, die eine Gefahr besteht, dass du zum Beispiel bei diesen Vorträgen, so wie ich es eben beschrieben habe, immer erfolgreicher wirst. Und das tut dann gar nicht mehr den Vortrag nur alleine deshalb hältst, weil du sagst so gerne Vorträge hältst, sondern du erwartest zunehmend auch die Begeisterung. Dann ist der Zuhörer und versuchst sie auch immer heftiger hervorzulocken und dann hältst du irgendwann nicht mehr Vorträge, weil es so schön ist, Vortrag zu halten, sondern weil du erfolgreich damit sein willst. Und das gilt für jede Sportart, Solange Kinder Fußball spielen, ist wunderbar. Und auch wenn die in ihrer Dorfmannschaft dann in der Kreisklasse spielen, ist auch okay. Aber sobald sie von einem Scout ausgesucht werden und in die Fußballakademie von irgend so einem Bundesligaverein gesteckt werden, dann ist es aus mit spielerischer Leichtigkeit und dann wird das eine Verwicklung, weil jetzt werden sie Hochleistungssportler in einer bestimmten Disziplin und aus dem Ganzen, dann werden sie auch noch sehr erfolgreich, dann wird es noch schwerer und irgendwann weiß jeder, fallen sie wieder raus und dann erst wird es deutlich, wie sie sich verwandelt haben.

Andreas Diehl: Oder um das vielleicht an dem Beispiel, weil das tatsächlich auch ein Beispiel, was uns betrifft. Ja dass das leistungsorientierte Fußballspielen. Ich glaube solange um das noch mal. Ich würde es gerne noch mal ein bisschen aufdröseln, solange es wirklich um das Spiel an sich geht, das mit einer gewissen Freude betrieben wird. Es ist ja noch keine Verwicklung.

Gerald Hüther: Aber du kannst auch jederzeit aufhören.

Andreas Diehl: Ja, genau. Aber sobald es irgendwie an einem Punkt geht, dass man vielleicht merkt, in dem Fall. Vielleicht als Kind. Okay. Papa findet es gut. Oder Mama findet es gut, dass ich hier in dem Verein und meine Klassenkameraden finden es auch gut, dass ich hier was weiß ich. Im Nachwuchsleistungszentrum XY bin. Ich habe eigentlich keine Lust mehr auf Fußball. Dann wird es eine Verwicklung, weil es dann nicht mehr dem ist, was ich eigentlich für mich gerne möchte.

Gerald Hüther: Entfernst dich von deinem authentischem Wollen und Sein. Ja, super. Genau.

Andreas Diehl: Okay, sehr schön. Hätten wir das schon mal auseinander genommen?

Gerald Hüther: Und dann gibt es noch, das hatte ich eben gesagt, zwei Aspekte. Der andere Aspekt ist auch interessant. Den sehen wir im Augenblick bei vielen Jugendlichen, die sich mit ihren digitalen Geräten übermäßig beschäftigen. Und die werden da immer besser drin. Die haben da auch immer mehr Erfolg und kommen immer seltener wieder raus. Das heißt die. Es ist eine Art Abhängigkeit, die da entsteht von dem, was ihnen das Gerät bietet und den Möglichkeiten, die das Gerät ihnen zur Verfügung stellt. Und dann verbringen Sie ja, wie wir inzwischen wissen, fast den ganzen Tag vor diesen digitalen Geräten. Und die Welt, die sich dort auftut, ist ja nicht die reale Welt. Das ist ja nur eine abgebildete, eine virtuelle Welt. Und das führt dazu, dass sie sich in der realen Welt gar nicht mehr zurechtfinden. Die sind dann spezialisiert auf den Verkehr und Umgang in einer nicht existierenden, nur virtuell auf ihrem Bildschirm existierenden Welt. Das sind sie auch. Perfekt sind sie großartig. Aber es sind natürlich hoffnungslos verloren, wenn es wieder real wird und draußen im realen Leben irgendwas geklärt werden muss. Und da siehst du, das ist dann auch eine Verwicklung. Es sind praktisch aufgrund ihrer Verwicklung gar nicht mehr richtig lebenstüchtig. Wichtig.

Andreas Diehl: Wie man als Eltern diese Art der Verwicklung insbesondere in Bezug auf digitale Medien vermeiden können. Ich glaube, da müssten wir, da können wir wahrscheinlich fünf Extrafolgen zu machen. Und einmal zurück auf die Verwicklung, die die Entwicklung. Ich weiß gar nicht, wann ich mein eigentlich das erste Buch von dir gelesen habe. Es müsste vor der Geburt meines Ältesten sein. Ja, jedes Kind ist hochbegabt. Auch das hat damals tiefen Eindruck bei mir hinterlassen, weil ich. Weil ich so so, ja so ein Wunder. Und ich empfehle es auch seitdem jedem jeder werdenden Papa, jeder werdenden Mama sage Ich lies dieses Buch ja, um gar nicht irgendwie auf die Idee zu kommen dein Kind hat zu viel in sich angelegte Potenziale begleitet. Es ist einfach auf dem Weg. Und über die letzten dann wann ist das Buch erschienen? Das müsste jetzt mittlerweile 14, 15 Jahre alt sein.

Gerald Hüther: Mindestens.

Andreas Diehl: Ja, ja, genau. Und seitdem habe ich auch immer wieder gesehen, dass sich auch mal andere Themen oder für mich eigentlich immer ähnliche Themen, die aber manchmal dann auch in unterschiedliche Richtungen gehen. Also Kinder, dann hat es ja glaube ich auch mal eine Akademie für wo es eher um Unternehmensentwicklung geht, jetzt die Akademie für Entwicklungshilfe. Wie verbindet sich das? Oder was war so dein Anlass, Deine Erkenntnis quasi auf diesem Weg der letzten? Weiß ich nicht. 25, 30 Jahre, die jetzt in der Akademie für Entwicklungshilfe sozusagen gemündet sind.

Gerald Hüther: Die ich. Ich habe irgendwie sehr viel Glück gehabt in meinem Leben, weil ich in eine Zeit hineingeboren worden bin und dann dieses Biologiestudium und dieses Hirnforscher Studium hinter mich gebracht habe, als richtig viel los war. Das heißt, da, da bin ich als Wissenschaftler auf einem Gebiet unterwegs gewesen, wo es richtig gerauscht hat. Und das war in den 90er Jahren. Da ist das gab eine Dekade des Gehirns und da ist so viel Neues dazugekommen, dass ich dann einfach gemerkt habe, dass das muss raus in die Welt. Das muss man irgendwie versuchen, den Leuten draußen ein bisschen näher zu bringen, weil sie dann vielleicht sich selbst auch besser verstehen, wenn sie wissen, wie das in ihrem Hirn so ist und wie das funktioniert, wenn man begeistert ist oder wenn man traurig ist. Oder wenn man nach Verbundenheit sucht und sie nicht findet. Und wenn man Angst hat. Und welche so? Das kann man ja alles hirntechnisch wunderbar erklären. Und da habe ich angefangen so zu das so zu beschreiben und und dann ist da ein Gebiet nach dem anderen dazugekommen. Ich glaube, ich habe mit mit ADHS als Zappelphilipp Problematik angefangen, habe dann über die Angst, über die Liebe, über die Würde, Über ein Buch über die Demenz. Also das ist dann ein ganzes, breites, immer breiter werdendes Spektrum geworden. Ich habe kein einziges Buch geschrieben, weil ich nun unbedingt noch mal so gerne Bücher schreibe, sondern es ist für mich so, dass ich immer merke, hier gibt es einen Bereich, eine Problematik, die ich noch nicht verstanden habe, die möchte ich verstehen.

Gerald Hüther: Und dann setze ich mich wie ein Naturwissenschaftler richtig heftig hin und will das tiefgründig verstehen. Und das schreibe ich mir dann auch am besten gleich auf. Und da habe ich lediglich gemerkt, dass mir das noch mehr Spaß macht, wenn ich das gleich so aufschreibe, dass das auch andere verstehen. So dass ich ein Buch eigentlich immer eher für mich schreibe. Aber als Nebeneffekt ist es dann so geschrieben, dass es auch für andere gut ist. Und dieses Buch, was du da erwähnst, jedes Kind ist hochbegabt, hat ja keine andere Aufgabe, als deutlich zu machen, dass von der Biologie her jedes Kind einzigartig ist und jedes Über irgendetwas verfügt, was kein anderes kann. Und deshalb ist jedes Kind hochbegabt. Und das, was wir machen, ist, wir glauben, es gäbe nur eine Begabung. Und das ist, was weiß ich der Intelligenztest und und die kognitiven Fähigkeiten. Und dann halten wir ein Kind für hochbegabt, während es ihn in die Schule kommt und schon lesen und schreiben kann und und dann die ersten paar Klassen überspringt. Und ähnlich geht es uns dann noch mit der Musik und dieser künstlerischen Begabung. Und dann haben wir noch die sportlichen Fähigkeiten als besondere Begabung. Aber ein Kind, was zum Beispiel eine Hochbegabung hat, um mit dem Blasrohr Kirschkerne ganz weit zu spucken, das wird bei uns ja nicht als hochbegabt betrachtet. Aber in Papua Neuguinea, wo ich das noch mit dem Blasrohr da wäre, das da wäre er der Held.

Andreas Diehl: Obwohl ich nicht weiß, ob die Kirschen haben. Aber gut, das ist.

Gerald Hüther: Dann machst du einen vergifteten Pfeil rein.

Andreas Diehl: Ach so, ja. Okay, dann wollen wir lieber auch nicht.

Gerald Hüther: Die Paradiesvögel vom Baum.

Andreas Diehl: Ja. Schule war ja auch immer lange ein Thema für dich. Und in unserem Vorgespräch hast du ja gesagt. Naja, oder? Ich hatte zumindest so den Eindruck, dass die Akademie für Entwicklungshilfe sozusagen. Die hat sich für mich so angehört. Das ist die logische Fortsetzung, weil sich nichts in anderen Bereichen verändern wird. Wenn wir nicht anfangen oder wenn sich nicht jeder Einzelne irgendwie auf die Reise macht und selber entwickelt. Habe ich das so? Habe ich das richtig gelesen, verstanden?

Gerald Hüther: Ja klar, Ja klar. Und es wäre eben besser, wenn wir da nicht erst anfangen würden, wo es schon fast zu spät ist. Also so in meinem Alter oder in deinem, sondern das wäre doch viel besser, wenn es dir gelänge, deine Kinder so ins Leben zu begleiten, dass die sich nicht allzu arg verwickeln müssen und dass du ihnen auch zeigst, dass es nicht so schlimm ist, wenn man sich mal verrannt hat, dass man aber jederzeit auch wieder zurückkommen und das Ganze noch mal auflösen kann. Und dann könnte es sein, dass es dann nicht mehr so viele Verwickelte gibt als Erwachsene, die dann verwickelt herumlaufen. Und ich beobachte ja im Augenblick mit großem Interesse diese diese Veränderungsprozesse, die wir so in der Wirtschaft, aber auch in der Politik, auch in unserem Land und sogar global erleben. Und die hat ja jeder das Gefühl, das ist eine Umbruchszeit, Hier passiert irgendetwas, das so wie bisher geht es nicht weiter und wie es weitergeht, wissen wir noch nicht. Und und da habe ich mir natürlich auch so Gedanken gemacht und komme zu dem Schluss Ja, es gibt eine Tendenz über die gesamte Menschheitsgeschichte, dass die Menschen sich aus ihren aus ihren zu engen, zu engen Verhältnissen und Bedingungen zu befreien versuchen. Es gab also über jetzt schon fast wahrscheinlich 10.000 Jahre so hierarchische Ordnungsstrukturen, wo es immer so alles von oben nach unten durchgereicht worden ist und wo man einfach den Mund zu halten hatte, wenn man weiter unten war.

Gerald Hüther: Und um diese Ordnungsstrukturen haben sich ja über Jahrhunderte hinweg gehalten und und in vielen Strukturen heute haben wir sie immer noch und sie haben den Vorteil, dass die Leute unten immer das ist ja nicht so gut, wenn man der Allerletzte ist. Die kämpfen und strengen sich an und bringen Leistung, um hoch zu kommen. Und das ist nun aber etwas ist diese hierarchische Ordnungsstruktur, die es schon seit tausenden von Jahren gibt. Und wenn über Tausende von Jahren Leute immer wieder gezwungen werden oder auf die Idee kommen, sich anstrengen zu wollen, damit sie aus diesem unteren Positionen hochkommen, dann erzeugen sie etwas. Und das ist ein neues Wissen. Neues. Neue Erkenntnisse. Die erfinden was, machen irgendwas, was andere gebrauchen können und verändern damit die Welt und die Art unseres Zusammenlebens. Und das ist uns passiert. Das nennen wir dann die industrielle Revolution. Jetzt ist es die digitale Revolution. Das sind alles Veränderungsprozesse, die da eingetreten sind. Und die führen dazu, dass jedenfalls jetzt das, was wir gerade erleben, dass die alten Hierarchien, die das so schön von oben nach unten geregelt haben, die gehen nicht mehr, die müssen sich auflösen, Das weiß auch die Wirtschaft. Da muss man raus aus diesen alten Strukturen. Das ist wie eine Führungskraft, die ich da manchmal vor mir habe. Und dann sage ich, die vornehmste Aufgabe einer Führungskraft besteht darin, sich selbst unnötig zu machen. Nur dazu müssten Sie Ihre Mitarbeiter befähigen, selbst Verantwortung für das zu übernehmen, was sie tun.

Gerald Hüther: Und dann sagt die Führungskraft: Ja, das können die aber nicht. Und was wir im Augenblick erleben, ist eben, dass wir eine demokratische Welt aufgebaut haben, die uns die Führungskräfte weitgehend abgeschafft hat. Die zwar jetzt alles sozusagen demokratisch geregelt und das ist auch gut so, dort wird es auch hingehen, aber jetzt merken wir, dass da etwas nicht passt. Und das hat schon der alte Kant gemerkt, das kannst du nur mit mündigen Bürgern machen und nicht mit Leuten, die das gar nicht können. Und wenn du das mit einer Truppe von Leuten machst, die sozusagen diese Freiheit, die es da plötzlich gibt, nicht nutzen können und wenn die mit der Verantwortung, die man dann natürlich auch als freier Mensch hat, nicht umgehen können, dann wird das ein einziges Durcheinander, dann wird das immer inkohärenter, bis dann alles so inkohärent ist, dass ein Großteil der Bevölkerung sich danach sehnt, dass endlich einer kommt, der wieder Ordnung reinbringt. Und damit wird das jetzt auf einmal erklärlich. Warum in der Firma, Wenn der Chef versucht, die Verantwortung auf seine Mitarbeiter zu übertragen, er dann zur Antwort bekommt Nee, mach du das mal lieber, wir wollen gar nicht. Und es wird verständlich, warum solche Leute wie Trump oder Putin oder wie immer sie heißen, auf einmal in so eine Position kommen, wo die Mehrheit wohl große Schichten der Bevölkerung froh sind, dass endlich einer komplett einmal für Ordnung sorgt. Großartig.

Andreas Diehl: Glaubst du die Leute mal konkret an dem Beispiel eines Unternehmens, wenn wir dabei mal bleiben. Wer hat denn jetzt die größere Verwicklung? Die Führungskraft? Ist die verwickelt in ihren Vorstellungen davon, dass die anderen das gar nicht können? Oder sind Mitarbeiter so verwickelt in ihrer Idee, wie sie Arbeit zu erledigen haben, dass sie gar nicht sich trauen oder befähigt fühlen? Wie also, dass diese Aufgabe dann auch möglicherweise weitgehend autonom selbstorganisiert zu erledigen.

Gerald Hüther: Ja, ja, also bei den Führungskräften gibt es dieses diese etwas schwierige Verwicklung, dass die aus Unsicherheit versucht haben, Macht und Kontrolle über andere Menschen zu gewinnen. Oft. Manche von denen sind deshalb Führungskräfte geworden. Das heißt, die, die haben jetzt ein Mittel gefunden, nämlich Ich bestimme, wo es langgeht, und habe mir eine Position geschaffen, von der ich das auch aus kann und dann müssen sie was zu sagen haben, sonst sind die total unglücklich. Das heißt, die würden immer dafür sorgen, dass ihre Mitarbeiter so in so einem etwas hilflosen und unmündigen Zustand bleiben, weil in dem Augenblick, wo die sich emanzipieren würden und wüssten, was sie wollen, verliert die Führungskraft sozusagen diese Möglichkeit zu bestimmen, wo es langgeht. Und deshalb sind manche Führungskräfte nicht dazu in der Lage, ihre Mitarbeiter in die Freiheit zu führen. Und dann gibt es natürlich auch. Es gibt auch Geschäftsfelder, wo wir sagen müssen, da geht es auch nicht. Also am Fließband und da, wo, wo die Leute sozusagen wirklich nichts weiter den ganzen Tag zu tun haben, als bestimmte Aufgaben stupide auszuführen. Da muss man auch nicht lange drüber nachdenken, ob man die in die Freiheit führt und ob das irgendein Vorteil wäre, wenn die Verantwortung für ihr Tun übernehmen.

Gerald Hüther: Aber prinzipiell ist das so und dann hast du natürlich die Mitarbeiter, die im Laufe ihres Lebens meistens schon in der Schule gemerkt haben, dass es auf ihre Entdeckerfreude und ihre Gestaltungslust nicht ankommt und denen immer gesagt worden ist, was sie zu tun und zu lassen haben. Das führt dazu, dass sie ihre eigene Gestaltungslust und ihre eigene Entdeckerfreude immer mehr. Also das ist dann ihre Lösung. Sie konnten das Ganze nur überleben, indem sie das, was in ihnen immer wieder für Unruhe gesorgt hat, nämlich dieser Wunsch, endlich mal irgendwas auch selber machen zu wollen. Der musste so lange unterdrückt werden, bis er weg war. Das sind hemmende Netzwerke. Die wachsen dann sozusagen über diesen Bereich, wo diese Impulse immer wieder entsteht, man selber was gestalten zu wollen. Und wenn das richtig zugewachsen ist, dann passt wunderbar in die Gesellschaft. Also jedenfalls in eine Gesellschaft, wo du eigentlich ganz unglücklich wirst, wenn einer plötzlich, wenn du nicht mehr gesagt kriegst, was zu tun und zu lassen hast. Du hast es ja nie gelernt, wie es geht, weißt auch nicht, dass das schön ist. Und damit bist du dann einer, der auch danach ruft, dass jetzt endlich eine Führungskraft kommen soll, die dir sagt, wo es langgeht.

Andreas Diehl: Das ist ja dann paradoxerweise genau ein sich stabilisierendes Verhältnis. Die Führungskraft, die es gar nicht will.

Gerald Hüther: Ja, ja, und jetzt hast du. Jetzt hast du da ein Problem erkannt. Da sind sich selbst stabilisierende Unsinnigkeiten. Schaut man auch im Partnerproblem, hat man das in Partnerbeziehungen, hast du so was auch auf. Das ist dann eine Abhängigkeit. Der eine ist förmlich von der Verwickeltheit des anderen abhängig und das führt dann auch dazu, dass der eine den anderen auch immer mehr verwickelt. Also der, der nach Macht und Bedeutung lechzende Führungsriege, die nach den Führungspersonen, der hat natürlich der wird auch immer besser Mitarbeiter um sich zu scharen, die ihn alle anhimmeln und das und darauf warten, dass ihnen gesagt wird, was sie zu tun haben. Das beeindruckt mich. Im Augenblick gucke ich mir diese Bilder über den Trump also so gerne an, weil ich das plötzlich hier vorgeführt bekomme, wie wie so eine Führungskraft ist, sozusagen an die Macht geraten ist und und nicht, weil sie so besonders gut ist, sondern weil sie so eine große Sehnsucht von sehr vielen, sehr verunsicherten Menschen endlich stillt. Und die anderen, die sogenannten demokratischen Parteien, haben diese Sehnsucht nur erzeugt mit dem Durcheinander, was da in den Augen der Mehrheit der Bevölkerung da wohl offenbar auf der gesellschaftlichen Ebene in allen Bereichen entstanden ist, bis dahin, dass sie nicht mehr wissen, ob sie Mann oder Frau sind oder was sie auf der Straße und gegenüber anderen noch sagen dürfen.

Andreas Diehl: Und jetzt könnte man ja sagen Na ja, gut, jetzt leben wir alle mit unseren Verwicklungen. Das stabilisiert sich gegenseitig schon irgendwie. Wo kann man da nicht sagen Ja, meine Güte, dann ist doch jeder happy. Passt doch.

Gerald Hüther: Ja, klar kannst du das sagen. Das ist. Aber das machen die ja auch alle. Und es gibt auch genug Institutionen, die für nichts anderes sorgen, als dass das so wie es ist, aufrechterhalten bleibt. Die Schule ist so eine. Aber ich bin Hirnforscher. Ja, und ich liebe das Leben. Und ich mag es, wenn ich sehe, wie Menschen aufblühen. Weil ich weiß, was da in jedem Einzelnen und auch in Gemeinschaften für ein Potenzial drinsteckt. Und da finde ich das schon eine ziemliche Zumutung, da zuzugucken, zuschauen, tatenlos zuzuschauen. Ja, wie dieses wunderbare Potenzial überhaupt nicht zur Entfaltung kommen kann, weil die Leute sich immer stärker in ihren jeweils gefundenen Lösungen verwickeln.

Andreas Diehl: Und jetzt fangen wir endlich mal an, die vielleicht aufzulösen die Verwicklungen. Du nutzt ja in deiner Akademie für Entwicklungshilfe so eine tolle Metapher eines Hauses. Kannst du uns da mal kurz durchführen?

Gerald Hüther: Ach so, das ist jetzt schon die Webseite. Da muss ich dazu sagen, ich mache das ja schon länger. Ich habe deshalb eine Akademie für Potentialentfaltung gegründet. Das ist eigentlich das Mutterhaus. Und deshalb, und da suchen wir Menschen in Gemeinschaften dabei zu helfen, ihre Beziehungen miteinander so zu gestalten, dass es für die Einzelnen wie auch für die ganze Gemeinschaft so richtig gut ist. Und dann entfaltet sich was, wenn die das hinkriegen. Und da haben wir zum Beispiel ein Fahrradteam begleitet. Also wir haben denen geholfen, zu so einer verschworenen Gemeinschaft zu werden. Das waren ein paar Amateurrennfahrer, und dann haben die mit dieser neuen, mit diesem neuen Gemeinschaftsgeist, den sie da herausgebildet hatten, haben die das Race across America gemacht. Das ist das schwerste Radrennen der Welt. 6000 Kilometer. Und wir haben das gewonnen. Vor allen anderen aber nicht, weil sie so viel besser Rad fahren konnten, sondern weil sie diesen Teamgeist hatten. Der sie in die Lage versetzt hat, ganz genau zu spüren, was das andere Teammitglied braucht, damit es zu seiner Höchstleistung findet. Das war schon sehr beeindruckend und so glaube ich, dass in jedem Team am Ende viel mehr drinsteckt, als normalerweise rauskommt. Und das ist eben durch Verwicklungen der einzelnen Mitglieder des Teams dann auch zu so großen Reibungsverlusten in der Zusammenarbeit des Teams kommt, dass das eigentlich auch ein großer Schaden ist.

Gerald Hüther: Da kann sich nichts entfalten, da bleibt alles irgendwie immer weiter, als ob es einfriert. In dieser, in dieser Weise. So, und diese Akademie für Entwicklungshilfe ist gewissermaßen eine Hervorbringung dieser Akademie für Potentialentfaltung. Also gibt es auch eine Akademie für Kinderliebe und eine Dreamteam Akademie. Also wir versuchen das dann in verschiedene Anwendungs oder Lebensbereiche zu übersetzen. Und diese Akademie für Entwicklungshilfe ist schon sehr darauf ausgerichtet, dass zunächst erst mal der Einzelne versteht, dass er auch niemals in irgendeinem Team oder überhaupt auch niemals mit anderen eine fruchtbare Beziehung aufbauen kann, wenn er in sich total verwickelt ist. Also ein verwickelter Mensch kann eigentlich nichts anderes als andere auch verwickeln. Und erst wenn man sich aus seinen Verwicklungen befreit hat, hat man die Möglichkeit, dass sich da was entfaltet, auch in der Beziehung zu anderen Menschen. Und die schlimmste Verwicklung, aus der man sich dann zunächst erst befreien müsste, damit man frei wird, das ist die Tatsache, dass man müsste. Man müsste in die Lage versetzt werden. Es müsste einem einer dabei helfen, dass man sich wieder selbst mag. Also es gibt zu viele Menschen, die sich selber nicht mehr richtig mögen und die. Wenn jemand sich selbst nicht mag, dann mag er auch andere nicht. Also die ist dann so eine Person ist als Lehrer völlig ungeeignet, weil der mag die Schüler nicht.

Gerald Hüther: Wenn ich die Schüler nicht mag, kann ich nicht mit denen arbeiten, dann kann ich ihnen auch nicht helfen, den Horizont noch mal aufzukriegen. Ich kann sie nicht einladen, nicht ermutigen, nicht inspirieren, weil sie mir doch eigentlich scheißegal sind. Und in der Wirtschaft ist es wahrscheinlich genauso. Wahrscheinlich müsste man sagen nur eine Führungskraft, die ihre Mitarbeiter auch mag und so führt, dass die Mitarbeiter das merken, dass die Führungskraft ein wirkliches Interesse an ihnen hat, nicht nur an dem, was sie da in dem Betrieb abliefern, sondern an ihnen als Mensch. Nur so eine Führungskraft kann dann auch Mitarbeiter einladen, ermutigen und inspirieren, wirklich in ihre eigene Kraft zu kommen und Höchstleistungen zu vollbringen als Einzelne und auch als Team. Aber da gibt es nicht so sehr viele, das weißt du. Aber es gibt Beispiele, auch im Unternehmensbereich, wo das gelingt, wo einer das hingekriegt hat. Und das ist das, wo man sich orientieren muss. Man kann sich ja nicht an dem orientieren, wo es im Durchschnitt immer wieder nicht klappt, sondern man kann sich ja nur an dem orientieren, an den Ausnahmen, wo man feststellt, Hey, hier ist es doch gegangen. Wenn es da gegangen ist, muss es doch irgendwie überall gehen. Da muss man auch rausfinden, warum es hier gegangen ist und woanders nicht.

Andreas Diehl: Das setzt ja, das setzt ja voraus anzuerkennen, dass ich irgendwie eine eigene Verwicklung habe. Also da es um eine vielleicht bessere Führungskraft werden zu wollen, du hast es eben schon gesagt, dass es ein werwickelter Mensch der ist eigentlich, sagen wir mal ein bisschen überspitzt, der kann eigentlich nichts anderes, als andere auch noch tiefer in ihre bestehenden Verwicklungen zu werfen und oder neue Verwicklungen aufzubauen.

Gerald Hüther: Ja.

Andreas Diehl: Was? Was tue ich denn jetzt, wenn ich. Wenn ich sage Ja, gut, okay, Ich. Also, ich weiß es nicht. Ist ja wie zum Arzt gehen. Vielleicht ähnlich. Ich weiß nicht, ob ich krank bin, aber ich fange mal an, Ich gehe mal zum Arzt und guck mal, ob welche Art der Verwicklung überhaupt in mir trage. Also, wie läuft denn so eine eine solche Entwicklungsreise im Idealfall ab?

Gerald Hüther: Ja, muss erst mal, es muss dir erst mal bewusst werden. Und jetzt? Wenn jemand unser Gespräch hier verfolgt hat und er dann wieder nach Hause kommt und ihm seine geliebte Frau sagt Oh my dear I can't live any longer without you. Dann muss er sich kurz zurücklehnen und sich fragen, was er da eben gehört hat. Er hat eine Bedürftige gehört, die nicht in der Lage ist, ihr eigenes Leben zu führen, die vollkommen von ihm abhängig ist und damit völlig verwickelt. Und die wird ihn mit diesen Sprüchen auch weiter verwickeln. Und wenn er jetzt nicht aufpasst, wird er irgendwann Händchen haltend auf dem Sofa mit der landen und sie werden sich beide einreden, was sie für ein tolles Leben miteinander gehabt haben. Aber es hat sich keiner entfaltet. So, und dann kannst du sagen okay, das will ich nicht. Das ist jetzt ein Entschluss zu fassen. Musst du aber nicht. Du kannst auch so weitermachen wie bisher, dann bleibt es auch so und du kannst aber auch den Entschluss fassen. Nein, das gefällt mir so nicht. Und ich will jetzt mal alles dafür tun, dass meine Liebste sich entfalten kann. Dann wird sie ein bisschen erstaunt sein. Aber dann könnte es eben sein, dass es nicht mehr ums Händchenhalten und auf dem Sofa sitzen geht, sondern dass du die auch mal ein bisschen deutlich rausschicken musst, damit sie mal wieder in Bewegung kommt. Also dass du ihr hilfst, das abzustellen, was ihr bisher eher geschadet als genützt hat. Es ist also Entfaltung. Ist ja nicht nur, dass sich da was entfaltet, sondern dass du auch aus blöden Verwicklungen herauskommst. Und dann könntest du auch mit dieser wunderbaren Partnerin gemeinsam auf diese Webseite gehen. Akademie für Entwicklungshilfe und dort findest dann so ein Haus. Und da gibt es einen Parcours von Räumen, Also zwei Etagen, drei Etagen.

Gerald Hüther: Entschuldigung. Und da gibt es eine Empfangshalle und eine Cafeteria und einen Keller und Dachboden. Und da kannst du dich dort ein bisschen umschauen und dann kannst du dich entschließen, diesen Parcours dann zu beschreiten. Und da wirst du sozusagen richtig schön an der Hand genommen, meist mit anderen gemeinsam und einem Reisebegleiter. Und dann geht ihr gemeinsam von einem Raum zum nächsten. Und dabei wirst du feststellen, wie plötzlich dir ein Phänomen nach dem anderen über dich selbst, im Wesentlichen über dich selbst klar wird. Dann fängst du an, dich zu zu erkennen und dann kannst du diese Entscheidung treffen. Ob das so einer weiter bleiben willst oder ob du doch vielleicht noch mal was anderes mit deinem Leben versuchen möchtest. Also zum Beispiel dir noch mal den Raum geben, dass du mal ausprobierst, wo eigentlich der Bereich im Leben ist, wo, wo du nicht arbeitest, um Geld zu verdienen, sondern wo es dich einfach nur glücklich macht, wenn du dieser Tätigkeit nachgehen kannst. Und dann sage ich immer das wirst du dort auch finden. Da geht es nicht darum, dass du da alles hinwirfst, was du bisher gemacht hast. Es ist wie beim Fußball Spielbein und Standbein. Man braucht ein ordentliches Standbein, aber doch nicht als Selbstzweck, sondern damit ich das Spielbein freikriege, mit dem ich die Tore schieße. Und was das Spielbein ist, kannst du dir selber überlegen. Das Standbein wirst du dann sagen Je fester ich das aufbaue, je besser meine wirtschaftliche Grundlage ist, desto mehr Tore schießt. Klar. Aber die meisten Leute haben zwei Standbeine und kein Spielbein mehr. Und dann gibt es ein paar Verrückte. Die haben zwei Spielbein. Die können nicht mehr richtig stehen. Das ist alles danebengegangen. Das ist verwickelt.

Andreas Diehl: Die kriegen auch keinen Ball an den Mann, um mal in der Fußballwelt zu bleiben. Und schon gar keinen aufs Tor. Jetzt ist ja. Jetzt reden wir über Entfaltung, Potenzial, Entfaltung. Und die Entwicklung aus der Verwicklung ist ja nur ein ein Schritt, um diese Potentiale zu entfalten. Ja Und ich.

Gerald Hüther: Das ist aber den, den du aktiv gehen musst, weil in der Verwicklung wird nichts und die Entfaltung ist etwas an der. Da brauchst du dich nicht drum zu kümmern. Wenn du diese Verwicklung los bist. Das ist, als ob du sozusagen alle Blockaden, die du hast, in dir aufgelöst hättest. Dann entfaltet sich das von allein. Entfaltung ist das Grundmerkmal alles Lebendigen. Also wenn es irgendwas gibt, was woran du spürst, dass das lebendig ist, dann ist es Entfaltung. Ein Stein kann sich nicht entfalten, aber ein Gänseblümchen schon. Und ein Mensch kann sich natürlich auch entfalten. Aber doch nicht das Gänseblümchen kann sich nicht entfalten, wenn ständig auf ihm rumgetrampelt wird. Dann geht es in eine Verwicklung und wird so ein Kümmerling. Und ein Mensch kann sich auch nicht entfalten, wenn ständig auf ihm herumgetrampelt wird, wenn also ihm ständig deutlich gemacht wird, was er zu tun und zu lassen hat und wie er zu sein hat, wie er zu denken hat, inzwischen ja auch, wo er sich äußern darf und wie er sich äußern darf. Das ist doch alles eine Schande für unsere menschliche Spezies, dass wir uns das gegenseitig antun.

Andreas Diehl: Und ist jetzt deiner Meinung nach eine entfaltung muss ich dafür ja schon irgendwie vielleicht dieses Gefühl haben? Hey, okay, es zieht mich eigentlich in die Richtung und irgendwas hindert mich daran und oder kann auch. Kommt diese Einsicht und Erkenntnis, wohin ich mich eigentlich entfalten kann und will? Ist es eher für dich so ein natürlicher Prozess, der, wenn ich mal anfange, meine Verwicklungen aufzuräumen? Also kann es passieren, dass ich so verwickelt bin, dass ich das, wozu ich eigentlich in der Lage wäre, überhaupt nicht sehe. Es ist nicht mal ansatzweise.

Gerald Hüther: Es ist nicht so, dass das passieren kann. Das ist das Kennzeichen der Verwicklung. Weil du so verwickelt bist, siehst du ja gar nicht, Was dann? Willst du eigentlich wirklich Könntest. Schlimmer noch. Du siehst auch gar nicht. Du spürst auch gar nicht, was du wirklich für Bedürfnisse hast, spürst dich selber gar nicht mehr richtig, weil du immer nur im Außen bist und dabei bist, sozusagen das zu erfüllen, was du dir so als, als wichtig und als Teil deines Selbstbildes ins Hirn gebaut hast.

Andreas Diehl: Was ich so an dieser, an dieser Metapher auch dieses Hauses mag. Der Rumpelkeller. Ja, ja, weil das habe ich Sofort, sofort. Ich habe das gelesen und dachte Krass, wie, also wie stark das ist, weil ich ja auch, also jetzt auch mal wieder übertragen auf den Unternehmenskontext, mir sofort so viele Sachen eingefallen sind, wo ich sagte, das ist eigentlich eine Verwicklung, in die sich Unternehmen begeben und damit jede Art der Entfaltung völlig blockieren. Also du hast ja eben selber schon angesprochen dieses dieses nicht loslassen wollen von Ich habe eine eine Top Down Hierarchie, die dann auch noch an ganz andere komische Verwicklungen geknüpft ist, wie Wer verdient hier eigentlich was? Und welchen Status habe ich in einer Organisation? Das sind ja auch das ist ja so ein Haus, das erfüllt auf eine Pyramide.

Gerald Hüther: Ja, ja, das sind alles Vorstellungen, die wir uns ins Hirn gebaut haben. Und dann über von Generation zu Generation weitergegeben haben. Ja, und dann sind diese festen Überzeugungen nun einmal drin und. Und man fällt dann als Unternehmer automatisch in diese alte Vorstellungswelt, weil die ist Teil des eigenen Selbstbildes. Da heißt es zum Beispiel Ohne Wettbewerb kein Fortschritt. Und das hinterfragt auch gar keiner mehr. Und dann muss doch irgendwann mal einer kommen und muss mal fragen, ob das überhaupt stimmt. Vielleicht ist das auch falsch. Vielleicht macht der Wettbewerb jeden Fortschritt kaputt? Könnte ja sein. Haben wir ja nie ausprobiert. Haben wir auch gar keine Chance dazu gehabt, das auszuprobieren. Weil wir waren ja immer nur im Wettbewerb oder so was anderes. Ohne Druck keine Leistung. Ja, mein Gott, Also könnte es sind alle davon überzeugt, Ohne Druck keine Leistung. Deshalb machen sie Druck. Aber könnte doch sein, dass das falsch ist. Und bei dem Druck und der Leistung, da kann man es ja sogar sehen. Du, jeder, der mal so ein kleines Kind beobachtet hat, wenn das mit drei, vier Jahren einen Turm baut aus Bauklötzen, das will doch kein einziges Kind dieser Welt, will dann einen mittelhohen Turm bauen, sondern immer den höchsten. Und die tun alles, was sie gehen, damit einer mit einer Hartnäckigkeit da rein und wollen Höchstleistung erzeugen. Ja, und dann kommt irgend so ein Trottel und sagt Na schön, da hast du ja ganz schön hochgekriegt. Aber ich kann noch einen viel größeren, der heißt meistens Vater, und der macht dem Kind seine Freude am Turm bauen kaputt mit dieser Art von narzisstischer Klugscheißerei.

Andreas Diehl: Oder auch Geschwisterkinder. Und da frage ich mich tatsächlich.

Gerald Hüther: Häufiger Ja, ja, die machen das auch. Und da muss man, wenn man es einmal weiß, was da alles passieren kann, kann man ja auch ein bisschen drauf achten.

Andreas Diehl: Dass es da nicht. Also das finde ich interessant, weil ich habe ja auch Kinder. Es ist so bei uns auch. Eher immer wieder mal ein Thema. Ja, natürlich wollen Kinder einen, um in dem Bild zu bleiben. Die wollen den höchsten Turm bauen und es ist dann nicht normal. Oder ist es auch schon eine Verwicklung, dass ich jetzt anfange, mich mit anderen zu vergleichen? Also beginnt hier schon die Verwicklung oder ist es nicht auch ein völlig normaler? Weil wir reden ja heute auch viel über Schule und Feiern Wird Sportfest oder machen wir Bundesjugendspiele?

Gerald Hüther: Ja, solange das Kind mit seiner eigenen Begeisterung und Hingabe am Turm bauen ist. Geht es immer um die Höchstleistung für sich selbst. Da ist es nicht im Außen und guckt, ob andere sehen, was es für einen tollen Turm gebaut hat. Sobald aber ein Kind im Turm anfängt zu bauen und dauernd guckt, ob andere auch sehen, was es für toller Turm ist, dann ist es Ausdruck einer Verwicklung. Das Kind baut nicht mehr einen Turm, sondern das Kind baut einen Turm, um die Anerkennung anderer zu finden. Das geht gar nicht mehr um den Turm. Es geht um die mithilfe des Turmbaus erheischte Anerkennung.

Andreas Diehl: Ja, es ist dann nur noch ein Mittel zum Zweck. Es geht nicht mehr um den Turm und die Freude am Bauen des Turms, sondern der Turm als Instrument, damit ich von anderen anerkannt werde und die sagen Mensch, guck doch mal, was Paulchen für einen schönen Turm gebaut hat.

Gerald Hüther: Genau. Und wenn man dann wieder die Wurzel sucht für dieses so gegenwärtig auch sehr verbreitete Bedürfnis nach Anerkennung, dann heißt es ja ein Kind, was in seiner Herkunftsfamilie sich so geborgen und verbunden fühlt, dass auch dort das Gefühl hat, dass es so wie es ist, total richtig ist. Und was dann auch dieses Gefühl hat, dass es sich selbst mag und auch glücklich über das ist, was es alles kann. Also so ein Kind wie Pippi Langstrumpf. Das braucht keine Anerkennung, das ist. Das agiert auf der Ebene von Höchstleistungen. Aber ob da jetzt einer kommt und sagt, Das hast du gut gemacht und ihnen eine Eins gibt oder ein schönes Prädikat, das ist dem Kind eigentlich scheißegal. Das ist ein freies Kind und die anderen sind alle Bedürftige. Die sind bedürftig nach Anerkennung, weil sie das, was sie eigentlich gebraucht hätten, nämlich liebevolle Verbundenheit, nicht gefunden haben.

Andreas Diehl: Und wenn man das mal als Grundlage nimmt, dass eigentlich jeder aus einem inneren Antrieb mit einer inneren Freude heraus das Streben nach Höchstleistung hat. Und das jetzt mal auch wieder auf die Unternehmenswelt überträgt, wo es ja dann weiß ich nicht. High Performance Teams, was auch immer Organizations geht, könnte man sagen. Dann haben Unternehmen ja nur nur in Anführungszeichen, weil ich habe noch gar keine gute Antwort auf die Frage, wie das, wie das Wie das gelingen könnte. Also nur die Aufgabe, diese, diese individuelle Gestaltungsfreude und die Bereitschaft zu einer Höchstleistung mit einem in eine gemeinsame Richtung zu lenken. Weil ein Unternehmen, eine Organisation kann nicht existieren, wenn jeder seine eigene Gestaltungsfreude nachgeht. Es muss ja irgendwie eine gemeinsame Idee geben, was wir gemeinsam gestalten, weil sonst brauche ich ja keine Organisation, sonst bin ich auf einer individuellen Ebene.

Gerald Hüther: Ja, das nenne ich ein gemeinsames Anliegen. Müssten Sie verfolgen? Ja.

Andreas Diehl: Und dann muss ich sicherstellen, dass alle mit ihrer eigenen Gestaltungsfreude dieses gemeinsame Anliegen im neuen Unternehmerdeutsch ja auch gerne mal Purpose genannt. Also zumindest würde ich das jetzt mal so grob übersetzen. Oder hast du da noch eine andere, andere Definition?

Gerald Hüther: Also Purpose ist in Wirklichkeit der Zweck. Und deshalb ist das mehr ein zu zweckorientierter Begriff. Ein Anliegen verfolgst du dann, weil es dir am Herzen liegt. Da ist der Zweck raus. Das ist ja, das ist dir persönlich wichtig, weil du es wichtig findest oder das Team oder das ganze Unternehmen. Und dann bist du mit dem Herzen dabei. Währenddessen, bei dem Purpose bist du nur so lange dabei wie der, wie du Vorteile dadurch hast, dass du diesen Zweck verfolgst. Das ist Deal. Und der trägt nicht. Das geht. Deshalb kommt es auch mit dem Purpose nicht richtig in Gang. Aber das ist auch interessant, dass die Amerikaner oder die Engländer haben dann für das, was wir da so im Deutschen so subtil ausdrücken können, mit dem Anliegen eigentlich kein Wort, was das trifft. Die müssen das Purpose nennen. Und dann, wenn es dann wieder hier im Deutschen eingeführt wird, dann versauen wir uns eigentlich die Möglichkeit, die wir hätten, indem wir die deutschen Worte verwenden, die oftmals viel zutreffender und auch richtiger sind für das, was wir da zu beschreiben versuchen.

Andreas Diehl: Ein weiterer Beleg, warum Deutsch die Sprache der Dichter und Denker ist. Deutlich poetischer und treffender.

Gerald Hüther: Aber das Englisch ist eben eine sehr pragmatische Sprache. Das ist wirklich. Das ist ja auch keine Bewertung, sondern das ist einfach die waren da sehr viele Jahre in, vielleicht bei Shakespeare auch noch nicht, da wird es noch anders gewesen sein. Aber danach mit der industriellen Revolution und mit ihrem Weltreich, da waren die enorm pragmatisch unterwegs und so ist dann auch die Sprache geworden.

Andreas Diehl: Interessant. Also man bräuchte ein gemeinsames Anliegen. Dann könnte man vielleicht also unsere Personalchefin, die du vorhin referenziert hast, oder die Chefin, die, die zuständig ist für die Personalentwicklung, ist ja eigentlich dann Entwicklungshelferin. Damit sich Mitarbeiter aus ihren Verwicklungen befreien, könnte man das so übersetzen?

Gerald Hüther: Das hat sie auch so gesagt. Da müsste ich doch eigentlich Entwicklungshelferin sein. Ich soll ja eine gute Idee.

Andreas Diehl: Genau. Und dann bräuchten wir noch Chefs und Führungskräfte, die, nachdem sie ja auch aus ihren eigenen Verwicklungen befreit haben, dass das, dass Mitarbeiter und Menschen dieses autonome, selbstorganisierte Arbeiten nicht können. Klammer auf, Klammer zu. Die dann einen Rahmen und Strukturen setzen, damit diese Gestaltungsfreude und diesen Willen zur Höchstleistung auf einer individuellen Ebene. Und das gemeinsame Anliegen mit einer hohen Wahrscheinlichkeit miteinander gematcht werden. Das ist ja dann also nichts weiter als eine gestalterische Aufgabe. Einer, Einer einer Führungsrolle, oder? Ja.

Gerald Hüther: Und dann passiert das, was ich immer so als Gelingen bezeichne. Es ist nicht möglich, das erfolgreich abzuschließen. Aber es kann dir gelingen, dass du solche Rahmenbedingungen schaffst, innerhalb derer es hochwahrscheinlich ist, dass das, was du dir wünschst, sich auch ereignet. Das ist.

Andreas Diehl: Da.

Gerald Hüther: Kannst du wieder nicht ins Englische übersetzen. Die Engländer haben kein Wort für Gelingen, die müssen es immer und immer machen.

Andreas Diehl: Ja, und dann ist es abgeschlossen. Was ja auch wieder so.

Gerald Hüther: Dann ist es ja dann. Dann hat es ja nichts mehr mit diesem. Was da wirklich dahinter steckt, ist ja ein tiefes Verständnis eines sich selbst organisierenden Prozesses, den du niemals machen kannst. Und das Leben ist immer Selbstorganisation und unter der wir leben hier in diesem aus dem vorigen Jahrhundert kommenden Vorstellungswelten, wo wir das formen müssen und wie wir das gestalten müssen, wo wir das machen müssen. Ja, können wir noch ein bisschen versuchen. Es wird nicht gehen. Das ist sehr schön. Also wir müssen das Virus besiegen war für mich die letzte Absurdität, die ich miterlebt habe.

Andreas Diehl: Um wieder bei der Führungsrolle zu bleiben, oder auch das ist ja eine Verwicklung, die eigentlich in die Rumpelkammer gehört, dass ein ein Prozess auch im Sinne einer Organisationsentwicklung ein klar definiertes Start und ein klar definiertes Ende hat, weil das kann, ja, also es ist ja unmöglich, Es ist ein fortwährender Prozess, den ich dann auch immer weiter als aus einer Führungsrolle heraus gestalten begleiten muss, beobachten muss. Wohin entwickelt sich das? Ist das noch im Einklang mit dem, wofür wir eigentlich hier sein wollen, Ja oder nein? Wenn nein entsprechend Maßnahmen ergreifen, dass ich oder auch Impulse geben, um zu gucken, ob sich dann ein selbstorganisiertes System wieder eher in die Richtung bewegt und entwickelt. So dass es eigentlich eher dem gemeinsamen Anliegen entspricht, oder?

Gerald Hüther: Ja klar, Aber so ist die gegenwärtige Welt halt noch nicht. Wir hängen mit unserem Denken und auch oft mit dem Fühlen und Handeln noch in der im vorigen Jahrhundert fest und oder gar zwei oder drei, also vielleicht seit der Aufklärung. Und das ist nicht so ganz einfach, da so rauszukommen. Und es schaffen immer einzelne und und ich glaube auch nicht, dass man das von oben organisieren kann. Also wenn jetzt immer mehr die Wirtschaftsstrukturen so werden, dass die von globalen Unternehmen bestimmt werden und von übergeordneten Wirtschaftseinrichtungen, dass irgendwie Welthandelsforum oder Weltwirtschaftsforum und wie sie alle heißen. Von dort wird der entscheidende Impuls nicht kommen, um diese Veränderungsprozesse, über die wir hier reden, dann auch einzuleiten und umzusetzen. Das wird nur das wird direkt vor Ort gehen, von unten her. Das Einzelunternehmen und das haben wir dann auch bei unserer Arbeit gemerkt, kein Problem, wenn ich ein Unternehmer geführtes, ein ein Personen geführtes Unternehmen habe, also ein Familienunternehmen oder irgend so etwas. Weil es ja dort einen Chef gibt. Und wenn der Chef dann plötzlich auf so eine Idee kommt, dass er das anders gestalten kann, das mitgestalten will, das Miteinander in dieser Firma, dann macht er das. Und das kriegt er auch hin, wenn er ein bisschen Hilfe sich holt. Aber ein DAX Vorstand oder irgend so ein Konzernchef von Daimler Benz oder VW, das ist doch kein Gestalter, das ist auch kein Chef, das ist ein Abhängiger der Shareholder und muss alle. Alles Vierteljahr mußte da zeigen, dass er Gewinn gemacht hat. Das ist denn das für ein Job, der kann ja überhaupt nichts verändern in der Firma und deshalb bleiben die diese Wirtschaftsunternehmen. Je größer sie sind, eigentlich umso unflexibler. Und nur in ganz innovativen Bereichen kann es vorübergehend so sein, dass was groß rauswächst wie in dem Bereich KI im Augenblick oder in den Bereich der digitalen Steuerung. Aber das fängt sich wieder ein. Und wenn die Dinger zu groß geworden sind. Ist ja irgendwie wie in der Evolution. Wenn wenn die Tiere die Dinosaurier zu groß geworden sind, dann können die eigenen Füße das ganze Gewicht nicht mehr tragen und dann brechen sie zusammen.

Andreas Diehl: Ja, und was für mich jetzt auch, vor allem nach dem heutigen Gespräch nochmal völlig klar ist diese Art der Veränderung und ich glaube, das ist die ja auch ein wesentlicher Punkt in deiner Arbeit und der Akademie für Entwicklungshilfe. Potenzialentfaltung das ist eigentlich am Ende immer bei einer einzelnen Person anfängt.

Gerald Hüther: Ja, deshalb brauchst du auch. Du kannst sowieso keinen anderen verändern. Das ist eine ganz wichtige Botschaft. Haben wir noch gar nicht gesagt. Das ist sowieso eine Illusion. Ist, wenn du als Chef glaubst, du kannst deine Mitarbeiter verändern. Du kannst die Mithilfe von Dressurmethoden dazu bringen, dass die sich so ähnlich verhalten, wie du das willst. Aber da hast du sie ja nicht verändert und die haben sich auch nicht verändert, sondern du hast sie abgerichtet. Und wenn die sich wirklich verändern wollen oder wenn du, also du musst dich einfach damit abfinden. Der einzige, der sich verändern kann, ist dieser Mitarbeiter selbst. Das wird er nur dann tun, wenn er das will. Und das gilt auch für dich. Den einzigen, den du selber verändern kannst, bist du selbst. Anders geht nicht. Und das ist sehr beruhigend, weil man dann erst mal ablassen kann von dieser verrückten Vorstellung, man müsse jetzt den anderen verändern und dann kann man gucken, was der andere eventuell braucht, damit er sich noch mal auf etwas Neues einlässt. Dann kann man fragen Wie kann ich den einladen, wie kann ich den ermutigen? Wie kann ich den inspirieren, dass der noch mal den Blick aufkriegt und und auch noch ein bisschen mehr sieht, als nur ihr diese Kiste mit den Schrauben vor der Theke steht Und ja, und dann stellt man fest, das geht. Und dann macht er den Blick auf und findet dann auch plötzlich irgendwas und dann ändert er sich aber nicht.

Gerald Hüther: Du hast ihn nicht verändert. Und da ist jetzt das Problem. Wenn du jemanden einladen willst, also ermutigen oder inspirieren willst das kannst du nur, wenn du diese betreffende Person magst. Also als Dienstleister kannst du das nicht. Als Vorgesetzter? Ja, schon, aber dann müsstest du den mögen. Aber ansonsten, wenn da kein Verhältnis existiert, wo der sich auf deine Einladung auch einlässt, weil er sich von dir gesehen fühlt und weil er merkt, dass er dir wichtig ist. Wenn er also nicht merkt, dass du ihn magst, macht er auch nichts. Dann könnte es geht das alles in den Wind, was du da erzählst. Und das können wir so schlecht wir können. Wir haben in unserer Kultur nicht gelernt, wie wir in anderen Menschen einladen und ermutigen und inspirieren. Denn vor allen Dingen haben wir nicht gelernt, wie wir vor allen Dingen diejenigen einladen, ermutigen, inspirieren könnten, die uns am meisten auf den Senkel gehen. Also die, die besonders widerwärtigen Mitarbeiter des Dienstes, die am meisten einladen, weil das ist ja der, der am meisten bremst. Das heißt, du musst einen Weg suchen, wie du so einen Menschen, der dir so sehr auf den Senkel geht, mögen kannst. Es. Das muss man irgendwo lernen, das kriegt man nicht von alleine. Da braucht man Hilfestellung.

Andreas Diehl: Und die kriege ich ja.

Gerald Hüther: Vielleicht ist diese Akademie für Entwicklungshilfe so ein. So ein Ort, wo einem das dann wie Schuppen von den Augen fällt und man es plötzlich selber begreift, weil es wird ja dann nichts erzählt. Also am Ende gehen die Leute oben mit einer eigenen Erkenntnis raus. Die haben sie aber selber abgeleitet aus dem, was sie da in diesen vielen Räumen, dieses Entwicklungshelferparcours erfahren haben und erlebt haben.

Andreas Diehl: Gib uns doch noch mal einen kurzen Ausblick zum Abschluss. Wann? Wann ist die Webseite da? Wann kann ich mich auf diese Entwicklungsreise begeben?

Gerald Hüther: Wir sind jetzt fast fertig, machen jetzt gerade noch diesen Bereich mit dem Ticketschalter und ich denke, dass wir so Mitte März mit einem mittelgroßen Wirbel, also über die Social Media und unsere Kommunikationskanäle versuchen wir dann in der Öffentlichkeit eine gewisse Aufmerksamkeit auf diese Möglichkeit zu lenken, dass man da zum Selbstentwickler werden könnte. Und der Rest ist dann etwas, was ganz von alleine geht. Wenn es gut ist, spricht es sich rum, dann brauchen wir nichts mehr zu machen. Und wenn es nicht gut genug ist, spricht es sich nicht rum. Und dann können wir sagen wir haben es versucht, aber wir haben es nicht gut genug hingekriegt. Das ist auch okay.

Andreas Diehl: Das werden wir Sehen und beobachten.

Gerald Hüther: Gerne freue ich mich drauf.

Andreas Diehl: Danke Dir auf jeden Fall für diese Einsichten heute. Und mir sind viele andere Themen noch eingefallen, über die ich dann gerne auch vielleicht mal in einer folgenden Folge sprechen kann. Und ich bin gespannt, wie gut die Entwicklung aus der Verwicklung gelingt. Und ja, ich freue mich auch auf die auf die Website und dieses Haus und da mal einzusteigen und zu schauen, ja mal zu entdecken, welche eigenen Verwicklungen mich begleiten.

Gerald Hüther: Ja, man kann ja jetzt, die Seite steht ja schon, man kann sie ja schon aufrufen. Akademiefürentwicklungshilfe in einem Wort .org und man kommt nur noch nicht in den Parcours rein, weil der Ticketschalter noch nicht funktioniert.

Andreas Diehl: Okay, packen wir in die Shownotes gerne, damit da jeder drauf klicken kann. Gerald, Vielen Dank. Danke, dass du hier warst.

Gerald Hüther: Ja, hat mir Freude gemacht. Alles Gute für dich.

Andreas Diehl: Schön, dass du bis zum Ende dabei warst. Wenn dir die Episode gefallen hat, dann freuen wir uns über deine Bewertung. Wenn du mehr über die Gestaltung deiner digitalen Leitung erfahren möchtest, abonniere unseren Newsletter unter dno.de Newsletter. Einmal die Woche neue Beiträge, frische Artikel, Tools und Guides für die Gestaltung deiner digitalen Neuordnung. Dno.de Newsletter. Bis zum nächsten Mal.